Polens nationale Wasserschlacht – Was ist Śmigus-dyngus?
Geschichten von Jugendlichen, die mit Feuerwehrschläuchen in Straßenbahnen stürmen und von schlafenden Mädchen, die mit ihren Betten im See landen – das ist der polnische Brauch Śmigus-dyngus, auch lany poniedziałek, der Nasse Montag genannt. Diese Tradition wird jährlich an Ostermontag begangen, wer also über Ostern in Polen auf Reisen ist, sollte vorsichtig sein – oder ein regendichtes Outfit einpacken. Überall im Land, insbesondere aber in den ländlichen Gegenden, werden an diesem Tag wilde Wasserschlachten veranstaltet, bei denen kein Mittel zu krass ist: Eimer werden ausgeschüttet, Super Soaker sind im Anschlag und wenn ein See in der Nähe ist, werden die armen Opfer sogar in Klamotten hineingeworfen.
Was steckt hinter diesen Wasserschlachten?
Es gibt verschiedene Theorien zum Ursprung dieser Tradition. Eine führt den Brauch auf alte slawische Rituale zurück, mit denen der Winter verabschiedet und der Frühling begrüßt werden sollte. Das Besprühen mit Wasser sollte dabei Gesundheit und Fruchtbarkeit fördern und die benässte Person reinigen. Wenig überraschend wurden traditionellerweise vor allem Frauen von Männern nass gemacht – da gehen wir später noch genauer darauf ein.
Eine zweite Theorie führt die Tradition zurück auf die Taufe von Miesko I., dem Herzog von Westpolen. Der ist nämlich am Ostermontag 966 n.Chr. – stellvertretend für ganz Polen – durch seine Taufe zum Christentum konvertiert. Ursprünglich waren śmigus und dyngus wohl verschiedene Bräuche, wobei sich śmigus auf das Wasserwerfen bezog und dyngus wohl beinhaltete, der Dusche zu entkommen. Das konnte mit Hilfe einer anderen polnischen Tradition gelingen, indem man sich mit Pysanky freigekauft hat – Das sind die wunderschön bemalten Ostereier, die in Südosteuropa typisch sind.
Wie wird der Tag begangen?
Bei der Überlieferung der Abläufe gibt es viele Variationen. Oft heißt es, junge Männer hätten Mädchen geweckt, indem sie ihnen noch im Bett Wasser über den Kopf geschüttet und sie anschließend mit Weidenruten gepeitscht hättem. Die Weidenruten sollen dabei die Palmenwedel ersetzt haben, mit denen Gläubige sich nach der Palmsonntags-Messe gegenseitig gepeitscht haben – in Hoffnung auf Glück und Gesundheit. Da Palmen in Polen recht selten sind, wurde wohl auf Weiden ausgewichen. Verrückterweise soll dieses Brauchtum tatsächlich zu der einen oder anderen Hochzeit geführt haben.
Und wie sieht das heute aus?
Glücklicherweise hat die Emanzipation auch vor dem Śmigus-dyngus nicht Halt gemacht. Traditionell durften sich die Mädchen und Frauen erst am Osterdienstag an ihren Peinigern rächen, so lange wartet heute kein Mensch mehr. Obwohl vielerorts nach wie vor Frauen im Fokus des Wasser-Werfens stehen, wehren sie sich zumindest mit allen verfügbaren Mitteln. Und so gleicht der beliebte Feiertag heute einer nationalen Wasserschlacht, die ihresgleichen sucht. Der Brauch wird auch in anderen Zentral- und Osteuropäischen Ländern begangen und hat über die polnische Diaspora sogar Amerika erreicht, wo er als Dyngus Day begangen wird.