"Unser Hotel wird sich wieder neu erfinden" – Wie nutzen Hotels die Corona-Zwangspause?
Meine letzte Reise, bevor das Corona-Virus das ganze öffentliche Leben in Europa zum Stillstand brachte, ging Anfang März nach Bad Gastein. Der kleine Ort im Salzburger Land war einst ein prächtiger Kurort, wo sich die Reichen und Schönen von ihren "Strapazen" erholen konnten. Noch heute bezeugen die bunten Jugendstilgebäude von dem einstigen Wohlstand der Stadt – zahlreiche Gebäude reihen sich an den bewaldeten Steilhängen des Nationalparks Hohen Tauern und links und rechts von dem durch das Dorf brausenden Wasserfall aneinander. Das ist ein hübscher, pittoresker Anblick, bis man merkt, dass fast alle ehemals prunkvollen Hotels im Dorfkern leer stehen, weil sich das Leben mittlerweile weiter oben Richtung Skigebiet abspielt.
"Ein Spaziergang durch Bad Gastein fühlt sich an, als würde man eine Geisterstadt besuchen", dachte ich die ganze Zeit meines Aufenthalts. Dieses Gefühl wurde bei mir umso mehr bestärkt, desto weiter sich das Corona-Virus von Italien Richtung Österreich ausbreitete und sich die Furcht vor einer Ausgangssperre verstärkte. Am letzten Tag meiner Reise wurde bekannt, dass eines der Hotels in Bad Gastein aufgrund eines Corona-Falls komplett schließen musste. Den Tag darauf verkündete die österreichische Regierung, dass der komplette Winterbetrieb eingestellt würde. In der darauf folgenden Woche waren bereits alle Hotels in Österreich geschlossen. Die Schweiz zog nach. Deutschland tat sich etwas behäbig bei der Schließung öffentlicher Orte hervor, um die Verbreitung von Corona zu bekämpfen, entschied sich schlussendlich aber doch dafür, auch hierzulande alle Hotels zu schließen.
In ganz Europa stehen Hotels leer und müssen weiter betrieben werden
Nun ist ganz Europa eine Geisterstadt. Ich habe bereits in diesem Artikel beleuchtet, wie die Corona-Krise die Tourismusbranche beeinflusst und vor allem kleine Unternehmen an den Rand des Ruins bringt. Nun wollte ich wissen, wie speziell Hoteliers mit der aktuellen Situation umgehen. Egal ob kleine Familienbetriebe oder große Hotelketten – in ganz Europa stehen komplette Gebäude und zum Teil riesige Komplexe leer, während Mieten und Gehälter gezahlt und das Interieur in Schuss gehalten werden muss. Ich habe die Hoteliers gefragt, wie es ihnen wirtschaftlich geht, wie sie die aktuelle Zwangspause nutzen und was sie machen, um in diesen schwierigen Zeiten nicht den Mut zu verlieren?
Isa & David Schneider vom Hotel Küstenperle in Büsum
"Aktuell können wir uns über einen Puffer freuen, der uns ermöglicht, ruhig und besonnen sämtliche Maßnahmen dieser Krise zu planen. So haben wir beispielsweise erst sämtliche Überstunden und sämtlichen Urlaub unserer Mitarbeiter abgebaut, um diesen wenigstens noch die vollen Gehälter für den Monat März zusichern zu können. Ab 1. April gehen auch wir in Kurzarbeit. Und auch wir werden nicht drumherum kommen, einen entsprechenden Überbrückungskredit aufnehmen zu müssen. Wir bringen das Hotel wieder und weiter auf Vordermann. Auch die Außenanlagen von knapp 10.000 m² werden nun von unserem Mitarbeitern vollumfänglich gepflegt und für den Sommer in Schuss gebracht."
Wir sind per se mit der nötigen Ruhe ausgestattet, um uns nicht an Dingen aufzureiben, die wir ohnehin nicht ändern können. Wir wissen, dass wir ein großartiges, schickes, stylisches und modernes Hotelprodukt am Markt und das beste Team, das man sich nur wünschen kann, haben. Wie sollte die Zukunft da nach Eröffnung nicht wieder rosig sein?Isa & David Schneider
Tom Michelberger vom Michelberger Hotel in Berlin
Unser Hotel wird sich wieder neu erfinden und wir halten jetzt einfach durch und werden bereit sein. Bis dahin arbeiten wir an uns selbst und gemeinsam mit unseren Mitarbeitern, um durch diese Zeit noch klarer, gestärkter und fokussierter herauszukommen.Tom Michelberger
Klaus Dissertori von der Villa Arnica in Südtirol
"Wir haben das Glück, die letzten Jahre gut gearbeitet zu haben, daher können wir einige Monate aushalten, jedoch ewig geht das nicht. Einige Mitarbeiter trifft es natürlich hart und wir versuchen jegliche mögliche Unterstützung zu geben und möchten unsere Mitarbeiter insofern möglich alle behalten. Wir sind sehr optimistisch und hoffen Ende Mai eröffnen zu können, insofern die Quellmärkte (Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien) das zulassen, sprich Grenzen geöffnet sind etc. Auch dann gehen wir nicht von einem Geschäft aus, wie wir es gewohnt waren, sondern planen eher reduziert und vorsichtig. Wir sind vorerst in die Villa Arnica gezogen. Ich verbringe viel Zeit mit der Familie und dem Nachwuchs. Mit Kochen und Gartenarbeit. Auch an der Tagesordnung: die Strategische Vorbereitung auf die Neuzeit beziehungsweise die Zeit danach."
Ich denke sehr viel darüber nach, wie sich Gäste nachher verhalten werden, was werden neue Werte sein, wie können wir unsere Häuser noch besser darauf ausrichten und vorbereiten.Klaus Dissertori
Patrick Krummenacher vom Hotel Arlberg in Lech
"Der vorzeitige Schluss der Wintersaison hat uns Saisonbetriebe insofern getroffen, das von einem Tag auf den anderen der komplette Umsatz eingebrochen ist. Wir schätzen aktuell mit circa 20 Prozent Umsatzverlust. Einerseits beschäftigen wir uns natürlich viel mit administrativen Aufgaben, welche mit der Zwangspause einhergehen: Mitarbeiterverträge, Stornierungen, die interne und etwas unbeliebte To-Do-Liste abarbeiten, Lager aufräumen oder endlich den Balkon streichen. Uns Einheimischen bleibt aber auch zum ersten Mal viel Zeit, unser Dorf, die Wanderwege und Loipen für uns zu nutzen. Das heißt für meinen Mann und mich viel Spazierengehen mit unserer Jack-Russel-Hündin Lotti, die völlig im Glück ist, so viel Zeit mit uns zu verbringen. Ich muss zudem gestehen, dass wir auch unsere neue Spa-Anlage selber nutzen. Gerade das Gym und das Schwimmbad werden aktuell sehr oft von uns und den Mitarbeitern, die noch da sind, rege genutzt. Nichtsdestotrotz, ist es schon eigenartig einmal nicht auf die Uhr schauen zu müssen."
Als Hotelier beschäftigt mich vor allem die Frage, welchen Einfluss die Pandemie auf unser zukünftiges Reiseverhalten haben wird. Meine Hoffnung besteht darin, das familiengeführte, lokale Unternehmen mehr ins Zentrum rücken und Reiseziele mit kurzen Anfahrtswegen immer beliebter werden. Gerade jetzt wirken Kreuzfahrtschiffe oder Themenparks wie aus der Zeit gerissen. Uns wird plötzlich bewusst, dass die Verbindung zur Natur und zu den Mitmenschen ein ganz andere Bedeutung erhalten.Patrick Krummenacher
Jörn Hoppe von der Superbude in Hamburg
"Als Budget-Hotel/-Hostel verdienen wir hauptsächlich in der Hochsaison Geld. Also in den Monaten mit Messen, Ferien und sonstigen Reiselaunen. Dies stellt uns also vor noch schwierigere Bedingungen als ohnehin schon. Dennoch, wir hatten mit dem Februar und auch in den ersten März-Tagen noch Glück, weil wir so tolle und treue Gäste haben und somit hohe Auslastungen erreichen konnten. Der kleine Puffer reicht aktuell, um die ausstehenden Forderungen zu begleichen. Aber wenn jetzt für ca. 100 Tage kein oder kaum Geld hereinkommt, dann wird das sehr eng, deshalb fahren wir die Ausgaben jetzt auf das Nötigste herunter. Natürlich mussten auch wir uns durch den Antragsdschungel von Stundungen, Kurzarbeiteranträgen und Sofortmaßnahmen kämpfen und hoffen nun, dass wirklich so unbürokratisch und schnell 'geholfen' wird, wie es versprochen wurde.
Sehr Stolz macht mich das großartige Team um mich herum. Sie geben mir und sich viel Zuspruch in dieser schweren Zeit! Ich meine sogar zu spüren, dass wir trotz der räumlichen Distanz gerade noch enger zusammenwachsen. Und das nicht nur beim Video-Yoga! Das ist ein mächtiges Gefühl, eines das anspornt, alles für diese Menschen zu geben!"
Wenn jetzt für ca. 100 Tage kein oder kaum Geld hereinkommt, dann wird das sehr eng, deshalb fahren wir die Ausgaben jetzt auf das Nötigste herunter. Bleibt jetzt wirklich jeder auf Distanz und bemüht sich nach Leibeskräften seinen Teil dazu beizutragen, dann kann es sein, dass wir im Mai schon vorzeitig wieder die Büdchen belegen können.Jörn Hoppe
Sascha Lissowsky vom New Wave Hotel in Norderney
"Mit Sicherheit geht unsere Zwangspause mindestens bis 18. April, wie es auf unserer Website steht. Wir sind in der dankbaren Position, mit der Pro Urban AG einen mutigen und ausgesprochen sozialen Betreiber zu haben, der es uns ermöglicht, zumindest noch bis 1. Mai ohne Kurzarbeit durchzuziehen. Bis dahin bauen wir zur Überbrückung nur Urlaub beziehungsweise Überstunden ab. Wir nutzen die Zeit, um die Website zu aktualisieren, Fotos zu machen, Arbeitsabläufe zu hinterfragen, neue Speise- und Weinkarten zu erstellen. Hinzu kommt natürlich noch der wichtige Aspekt, eine Strategie zu entwickeln, wie man künftig mit den neuen Gegebenheiten umgeht. Sprich, wo werden überall Desinfektionsspender platziert, wie kann man mehr Abstand zwischen den Tischen im Restaurant schaffen und so weiter. Zum Grübeln war bisher ehrlicherweise gar nicht viel Zeit. Dafür gab es zu viel zu managen, da wir parallel zum Hotelbetrieb auf Norderney auch kurz vor der Eröffnung eines Restaurants in Berlin stehen."
Ein Gutes hat die Zwangspause: So kann ich ausgiebig Zeit mit der Familie verbringen, die in den zurückliegenden Monaten mit den beiden Eröffnungen leider oftmals zu kurz gekommen ist. Aber so schön ein Spaziergang am menschenleeren Sandstrand auch ist, wir hätten die Insel natürlich am liebsten wieder voll.Sascha Lissowsky
Julia Domann von MY PLACE hotel & apartments
Charlott Tornow