11 Tipps für eine Pilgerreise auf dem Jakobsweg

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Im Sommer 2013 beschloss ich mich von allem abzukapseln und auf dem Jakobsweg zu pilgern: nur ich, die Natur und meine Gedanken. Hunderte Kilometer später stand ich dann mit geschundenen Füßen, im schwitzigen T-Shirt und mit einem breiten Grinsen im Gesicht vor meinem Ziel, der Kathedrale von Santiago de Compostela. Obwohl ich schon seit meinem zweiten Lebensjahr immer auf Reisen bin, hat mich dieses Erlebnis besonders nachhaltig geprägt. Damit dein Jakobsweg nicht zur Odyssee wird, habe ich dir hier 11 hilfreiche Tipps notiert, die dir das Pilgern erleichtern werden. In diesem Sinne: Buen Camino!

1. Finde den richtigen Weg für dich

Bevor es losgeht, muss du eines wissen: DEN einen Jakobsweg gibt es eigentlich gar nicht. Der Jakobsweg bezeichnet eine große Anzahl an Pilgerwegen in ganz Europa, die alle ein gemeinsames Ziel haben, das Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela in Galizien. Der Bekannteste ist der Camino Francés. Er führt von der französischen Grenze über 800 Kilometer durch Nordspanien. Eine Wanderung zur Hochsaison kann sich hier schon mal im wahrsten Sinne des Worte wie eine echte Pilgerfahrt anfühlen. Das Gute ist, es besteht keine Gefahr, dass du kein Lager für die Nacht findest oder dich verläufst. Weniger überlaufene Alternativen sind der Küstenweg Camino del Norte, der Caminho Portugues oder der Camino Primitivo, um nur ein paar der zahlreichen Optionen zu nennen.

2. Besorg dir einen Pilgerausweis und eine Jakobsmuschel

Das sind die beiden Kennzeichen eines*r jeden Pilger*in. Die Jakobsmuschel hängst du dir an deinen Rucksack und den Pilgerausweis brauchst du, um in den staatlichen Herbergen übernachten zu dürfen. Deinen Ausweis solltest du spätestens vier Wochen vor deiner Abreise online beantragen. Um am Ende deiner Pilgerreise in Santiago die Pilgerurkunde "La Compostela" zu erhalten, musst du mindestens zwei Stempel pro Tag in deinem Pilgerpass vorweisen. Egal ob Touri-Information, Café oder Herberge: Unterwegs kannst du wirklich überall Stempel sammeln.

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3. Laufe in Etappen

800 Kilometer sind 800 Kilometer. Gerade wenn du noch nie zuvor eine Strecke dieser Länge gewandert bist, solltest du genügend Zeit einplanen, damit du deinen Jakobsweg genießen kannst, und es kein Wettlauf mit der Zeit wird. Toll, denkst du dir jetzt vielleicht, so viel Zeit muss man auch erstmal haben. Solltest du einen sehnsüchtigen Lover, eine durstige Monstera deliciosa oder einen WG-Putzplan zuhause haben, der auf dich wartet, musst du dich trotzdem nicht vom Pilgern verabschieden. Alle Jakobswege kommen über kurz oder lang in Städten vorbei, die an den europäischen Flug-, Bus- oder Bahnverkehr angeschlossen sind. So kannst du deine Pilgerwanderung auf mehrere Etappen und unterschiedliche Zeiten verteilen.

4. Suche dir die ideale Reisebegleitung

Wenn du auf dem Jakobsweg zu dir selbst finden willst, ist es sinnvoll alleine loszuziehen. Unterwegs wirst du trotzdem andere Pilger*innen und Einheimische kennenlernen. Du tauschst dich am Ende des Tages lieber mit Freund*innen aus? Auf einer Pilgerwanderung, bei der du jeden Tag auf den Beinen bist und an deine körperlichen oder emotionalen Grenzen stoßt, ist ein guter Travelbuddy besonders wertvoll. Denn Streit ist das Einzige, das deine Wanderung auf dem Jakobsweg wirklich negativ beeinflussen kann. Teilt ihr eine ähnliche Intension? Wenn du mit Pilgern vor allem Spiritualität verbindest, dein*e Wanderpartner*in aber auf der Jagd nach Kilometerstempeln ist, werdet ihr beide nicht glücklich werden. Habt ihr das gleiche Fitness-Level? Wie sieht eure Vorstellung von Luxus oder eben nicht vorhandenem Luxus aus? Es kann schon mal vorkommen, dass ihr mit vierzig anderen Pilger*innen (und deren Wanderschuhen!) in einem Raum schlafen müsst.

5. Pack nicht zu viel ein!

Bei jedem Aufstieg wirst du unnötige Kilos, die du dir auf den Rücken geladen hast, verfluchen. Was genau in deinen Rucksack reinkommt, musst du selbst entscheiden. Aber ich kann dir empfehlen, nicht auf Sonnenschutz, Regenjacke und eine eigene Trinkflasche zu verzichten. Und drei Shirts reichen aus! Den Preis für den stilsichersten Pilger wirst du damit zwar nicht gewinnen, aber dir unnötige Last ersparen. Zwei Shirts kannst du abwechselnd bei der Wanderung tragen und abends waschen, das Dritte trägst du wirklich nur dann, wenn du frisch und sauber aus der Dusche kommst. Lass unbedingt auch ein bisschen Platz für kleine Souvenirs oder Geschenke, die dir neugewonnene Freund*innen zustecken werden.

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6. Digital Detox ist angesagt

Eine Pilgerwanderung auf dem Jakobsweg ist der perfekte Zeitpunkt, um dein Smartphone auszuschalten und ein bisschen Digital Detox zu genießen. Denn Netz hast du meistens eh nicht und vor den Steckdosen in den Herbergen gibt es oft Warteschlangen. Google Maps brauchst du auch nicht, denn die Pilgerwege sind alle mit der Jakobsmuschel gekennzeichnet. Wenn du mal doch nicht weiter weißt, ob rechts oder links, dann ist es eine super Gelegenheit, um mit den Menschen vor Ort in Kontakt zu kommen. Dein Smartphone kannst du natürlich trotzdem für echte Notfälle ganz unten im Rucksack versteckt haben. Für Erinnerungsfotos ist eine Einmalkamera oder analaoge Kamera eine tolle Option, so bist du nicht permanent am Fotos checken.

7. Nimm dir ein Ziel mit auf den Weg

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Der Moment wird kommen, in dem du alles in Frage stellen wirst. Spätestens wenn die erste Euphorie verschwunden ist und der Schuh anfängt zu drücken. Damit du nicht gleich wieder umkehrst oder ins nächstbeste Taxi steigst, um ein oder zwei Etappen zu überspringen, solltest du dir im Vorhinein ein paar Notizen machen und dir eine kleine Botschaft an dein störrisches Zukunfts-Ich schreiben. Notiere dir, warum du diese Reise machst. Im Moment der absoluten Verzweiflung wird dich das wieder vorantreiben. Ich habe viele Pilger*innen getroffen, die sich auch eine kleine Challenge mit auf den Weg genommen haben, zum Beispiel mit dem Rauchen aufzuhören. Die eigene Motivation zurückzugewinnen gehört zu den wesentlichen Herausforderungen beim Pilgern.

8. Hetze dich nicht

4.30 Uhr, der Wecker klingt. Draußen ist es noch stockdunkel und du hörst, wie dein Nachbar leise aus dem Bett kriecht und in seine Wanderschuhe schlüpft. Ja, es gibt sie, die Pilger*innen, die schon vor Tagesanbruch los laufen, um sich den Platz in der nächsten Herberge zu sichern. Natürlich ist es ratsam, früh aufzustehen, um die Mittagshitze oder den Massenansturm zu meiden. Trotzdem musst du dich nicht hetzen und solltest jeden Schritt deines Weges genießen. Hier mal anhalten, um einen Espresso zu trinken oder im Tante Emma Laden ein Schwätzchen mit den Einheimischen zu halten. Auch wenn die Gemeinschaftsherbergen bei deiner Ankunft schon voll sind, gibt es zahlreiche weitere Optionen günstig unterzukommen. Zu keiner Reise passt der Spruch "Der Weg ist das Ziel" besser als zu einer Pilgerwanderung auf dem Jakobsweg.

9. Besuche ein Pilgertreffen in Santiago de Compostela

Jeden Tag hatte ich dieses Ziel ersehnt und plötzlich war es da. Damit deine Pilgerreise nicht allzu abrupt endet und, um dir den Übergang zurück in die Realität zu vereinfachen, kannst du an einem der zahlreichen Pilgertreffen der Stadt teilnehmen. Hunderte von Pilger*innen kommen außerdem jeden Tag zur Pilgermesse in der Kathedrale von Santiago de Compostela zusammen, um den Abschluss ihrer Reise gebührend zu feiern. Unabhängig davon, ob du aus einer spirituellen oder religiösen Motivation heraus deine Reise angetreten hast, solltest du dir dieses Spektakel nicht entgehen lassen. Wann sonst hast du schon mal die Gelegenheit, zu erleben, wie ein 54 Kilogramm schweres Weihrauchfass mit bis zu 65km/h über deinen Kopf hinweg saust. Die Flatscreens und die elektronischen Kerzen solltest du einfach ignorieren.

10. Koste die besten Pimientos direkt aus Padrón

20 Kilometer von Santiago de Compostela entfernt liegt die kleine Stadt Padrón, die Heimat der leckeren und weit über die nationalen Grenzen hinaus bekannten Pimientos de Padrón. Die kleinen grünen Paprikaschoten wachsen auf den Feldern rund um die Stadt herum. Serviert werden sie traditionell über dem Feuer gebraten und mit viel Salz gewürzt. Mit dem Bus, per Taxi oder zu Fuß kannst du dich nach Padrón aufmachen und einen Tag im Rio Ulla planschen, um deinen Füßen ein bisschen Regeneration zu gönnen. Auch der Garten des Klosters von Herbon ist einen Besuch wert. Wenn dir die anderen Pilger*innen noch etwas übrig gelassen haben, kannst du hier nämlich Wein aus dem klostereigenen Brunnen kosten.

11. Laufe bis ans Ende der Welt

© Milena Magerl

Der Camino Finisterre führt knapp 100 Kilometer lang von Santiago aus an den Atlantik. Der Ausblick vom Kap ist einfach super! Hier haben die Pilger*innen vor hunderten von Jahren am Ende ihrer Reisen ihre Klamotten verbrannt. Ein Ritual, das auch heute noch einige hartgesottene Pilger*innen befolgen. Die Rede ist vom Ende der Welt, weil man früher irrtümlich davon ausging, dass dies der westlichste Punkt Europas sei. Wenn du noch ein bisschen Zeit hast und dir der Trubel in der Stadt nicht die gewünschte Ruhe nach deiner Pilgerreise bringt, solltest du dich aufmachen und die zusätzlichen Kilometer bezwingen. Tipp: Wenn deine Füße streiken, kannst du auch mit dem Bus in wenigen Stunden nach Fisterra fahren und dort ein paar entspannte Tage verbringen.

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