Mallorca ist zum Inbegriff einer Generation von Idioten geworden

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Mein Leben besteht quasi aus nichts anderem als Reisen – zumindest beruflich. Ich war in Sambia, Sri Lanka, Indien, auf den Philippinen, in Mexiko, Estland, Griechenland, Myanmar. Ich habe Madrid gesehen, Barcelona, Budapest, Riga, Den Haag und so viel mehr. Nur auf Mallorca war ich noch nie. Gar nicht unbedingt, weil ich nicht will, sondern weil es sich nicht ergeben hat. Wenn Jobs auf der Insel anstanden, hat jemand anderes aus dem Team sie übernommen – privat kam es auch nie zustande. Dabei ist laut Song „Malle nur einmal im Jahr“. Eben bloß nicht in meinem Leben. Und ja, irgendwie stellt sich auch das ein oder andere Haar auf bei bestimmten Assoziationen mit der Insel. Ich verbinde mit Mallorca unterschiedliche imaginäre Personen – kann sie förmlich sehen und hören. Ich stell sie euch vor und hoffe inständig, ihr erkennt euch nicht wieder.

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Sengende Hitze, die pralle Sonne, Muskelshirts mit Neonaufdruck, pinke Bikinis, ein paar Speckfalten hier und da – und das alles vereint in einer Gruppe von wahlweise Teenagern oder auch Mittfünfzigern, die sich um einen Eimer mit allerlei bunten Strohhalmen drängt, um ja kein Schlückchen Industrie-Sangria zu wenig zu bekommen. Mickie Krause singt im Hintergrund, eine Frau solle doch bitte seine Matratze sein und alle fünf Minuten kommt ein blondiertes, gleichermaßen attraktives wie gut gelauntes Promotiongirl vorbei und drückt einem den gedruckten Flyer zu, der ein erstes Freibier verspricht, das mindestens genauso schlecht schmeckt wie der Flyer gestaltet ist.

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Terracottafarbene Fliesen, ein glitzernder Pool in hellem Türkis, weiße Leinenhosen, Häkeltops Ibiza-Style, La Martina-Hemden, immer gebräunte Haut, in der Hand ein Aperol Spritz oder einen Tinto de Verano – das trinkt man hier so – und David Guetta bläst Titanium aus den Boxen, während Uwe im Cabrio vorgefahren kommt. Die Assi-Urlauber betrachtet man hier mit verachtendem Argwohn – Uwe und Alyssa kommen schließlich schon immer hierher und schätzen den echten mallorquinischen Lifestyle. Eigenes Ferienhaus, der sich immer wieder auf Mallorca treffende Freundeskreis, in dem neue Mitglieder nicht so wirklich willkommen sind, es sei denn Kai hat mal wieder eine neue Freundin dabei.

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Strahlender Sonnenschein, das glitzernde Mittelmeer, fette Yachten, Gucci, Louis Vuitton, Chanel – Krug Vintage im Glas, Hummer und Kaviar auf dem Teller. Rolex? Nichts da. Unter Hublot geht hier nichts. Entgegen dem Bild der ungebremst feiernden Jürgen-Drews-Fans weiß ich, dass Mallorca auch bei den Superreichen unverändert hoch im Kurs steht. Bekannte haben ihre Yacht dort liegen, was ja dann irgendwie auch impliziert, dass man die Insel prinzipiell gar nicht betreten muss. Geld interessiert hier nicht die Bohne und Mallorca könnte auch Dubai oder Ibiza heißen, wichtig ist, dass der Hafen groß genug, die Sonne stark genug, damit das Licht sich im echten Schmuck der Gattin bricht, und der Schampus immer wohl temperiert und auf Lager ist.

© Charlott Tornow
Mallorca könnte auch Dubai oder Ibiza heißen, wichtig ist, dass der Hafen groß genug, die Sonne stark genug, damit das Licht sich im echten Schmuck der Gattin bricht, und der Schampus immer wohl temperiert und auf Lager ist.

Mallorca ist zum Inbegriff einer Generation von Idioten geworden

Und ja, vermutlich haben all diese Persona eine Daseinsberechtigung auf der auf Bildern teilweise wirklich wunderschön wirkenden Insel. Vielleicht sind sie verantwortlich dafür, dass Mallorca der neue Eigenbegriff für eine ganz bestimmte Art von Traumurlaub ist. Und wahrscheinlich sind sie alle Schuld an dem Image, dass Mallotze heute in vielen – auch in meinem – Köpfen hat. Ich sage bewusst Schuld, denn das Image ist keines, welches sich eine Destination selbst aussuchen würde. Und die, die Mallorca angeblich wirklich (also so richtig wirklich, man fährt schließlich schon iiiiiiiiiimmmer hin) kennen, werden nicht müde zu argumentieren, zu verteidigen, zu proklamieren, dass ihre Insel ja quasi zweites Zuhause ist. Und sie eben nicht die typischen Touristen sind. Und überhaupt, Palma ist vielleicht stressig und hässlich, aber Alcúdia ist halt eben total schön und total anders. Gar nicht wie Mallorca!

Und da ist er, der Knackpunkt. "Gar nicht wie Mallorca" ist warum schön? Weil Mallorca selbst zum Inbegriff einer Generation von Idioten geworden ist. Das verhält sich ähnlich wie mit Sylt. Einer wunderschönen, idyllischen, deutschen Insel. Die herzallerliebst sein mag. Aber von Sansibar-Fans, Rich Kids mit Papas Kreditkarte, Hamburger Elite und Großgeldverdienern zu einem Eiland der Oberflächlichkeiten gemacht wurde. Und ja ja ja, der Strand bei Hörnum ist super verlassen und gar nicht Sylt-like. "Und nicht Sylt-like" ist schön weil? Ich wiederhole mich, siehe oben.

Der Mallorca-Liebhaber wird jetzt die Nase rümpfen, den Kopf schütteln und sich in seiner Abwehrhaltung einrollen wie ein Igel im Winterschlaf. Ich war ja schließlich noch nicht da. Aber hey: Es gibt so viele tolle Inseln im Mittelmeer, die ohne Klischeepersona, Proklamation ihrer eigenen Schönheit und auch ohne Hymnen wie „Malle ist nur einmal im Jahr“ auskommen. Wie wäre es mal mit Elba? Zakynthos? Oder Hvar? Malle einmal im Leben reicht vermutlich.

Malle einmal im Leben reicht vermutlich.
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