Immer der Angst folgen – Auf der Suche nach dem Mikroabenteuer mit Christo Foerster
Über Nacht spontan mit dem Fahrrad von Hamburg nach Berlin, um dort mit einem Freund am Brandenburger Tor zu frühstücken. Oder mit dem SUP bis nach Helgoland. Was für andere nach verrücktem Irrsinn klingt, da fühlt sich Mikroabenteurer und Autor Christo Foerster erst so richtig wohl. Er hält nichts davon, Abenteuer nur auf den Urlaub oder das Wochenende zu beschränken und ist ständig auf der Suche nach kleinen Abenteuern, die seinen Alltag bereichern.
In seinem Podcast "Raus und machen" spricht er mit spannenden Menschen, die die unglaublichsten Abenteuer erlebt haben. Vom Weltenbummler über den Familienvater bis zum DDR-Flüchtling – jede Erzählung inspiriert dazu, einfach rauszugehen und zu machen. Und du kannst dich schon mal freuen, denn ab 4. Mai 2020 ist eine neue Staffel "Raus und machen" bei Audible verfügbar. Ich habe mit Christo Foerster darüber gesprochen, warum es egal ist, wo ein Abenteuer stattfindet, wieso er auf seinen Abenteuern nicht nach dem "Kick" sucht und warum Angst ein guter Wegweiser sein kann.
Christo, welche Gäste lädst du zum Podcast-Gespräch ein und über was sprecht ihr?
Ich lade Menschen ein, die es in irgendeiner Form geschafft haben, mehr Freiheit und Abenteuer in ihr Leben zu bringen. Und genau dazu möchte ich auch die Podcast-Hörer inspirieren. Insofern sind meine Gäste Abenteurer im weitesten Sinne. Das bedeutet aber nicht immer, dass sie weit gereist sind oder irgendwelche wilden Sachen in der Ferne erlebt haben. Wichtig ist mir immer die Frage, womit kann derjenige, der den Podcast gerade hört, direkt anfangen, sprich jetzt, vor der Haustür.
Was ist für dich ein gelungenes Abenteuer?
Ungewissheit ist ein wichtiger Aspekt für ein Abenteuer. Etwas Neues zu entdecken – geografisch aber auch in mir selbst. Dabei spielt es gar keine Rolle, wo das Abenteuer stattfindet – in Timbuktu oder vor der Haustür. Ich möchte mich in einer Situation wiederfinden, für die ich keine Gebrauchsanweisung parat habe. Eine Situation, die mich so herausfordert oder beschäftigt, dass ich eigentlich alles andere vergesse, nur noch im Hier und Jetzt bin und versuche, damit klarzukommen. Es ist mir sehr wichtig, dass das Draußen-Erleben nicht nur als Survival-Abenteuer gesehen wird, sondern, dass es auch das Potenzial hat, uns in unserer Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Denn ich brauche keine Lebensgefahr oder einen Kick, um ein Abenteuer zu erleben.
Ungewissheit ist ein wichtiger Aspekt für ein Abenteuer. Etwas Neues zu entdecken – geografisch aber auch in mir selbst. Dabei spielt es gar keine Rolle, wo das Abenteuer stattfindet – in Timbuktu oder vor der Haustür.Christo Foerster
Viele Menschen glauben, dass ein Abenteuer besonders viel Mut erfordert. Wie siehst du das?
In gewisser Weise schon, aber die Frage ist natürlich, wie man Mut definiert. Ein Satz, der mich schon seit Jahren begleitet, macht das eigentlich sehr deutlich: Mut bedeutet nicht, keine Angst zu haben, sondern, dass etwas anderes wichtiger ist als die Angst. Du kannst also ruhig Angst haben, das ist okay. Mutig zu sein heißt einfach, hinter diese Angst zu schauen und zu erkennen, dass dahinter etwas Wertvolleres steckt. Und das gehört für mich schon zu einem Abenteuer dazu. Wo die Angst ist, da geht's lang.
Welcher deiner Gäste hat dich besonders inspiriert und warum?
Auf jeden Fall hat mich das Gespräch mit Anselm Panke sehr inspiriert. Er ist mit dem Fahrrad drei Jahre lang um die Welt gefahren. Anselm ist jemand, der seine Reisezeit sehr reflektiert betrachtet und es sehr gut schafft, zu abstrahieren, was das für seinen Alltag und das normale Umfeld zurück zu Hause bedeutet. Es kann natürlich durchaus sehr interessant sein, zu hören, wie jemand drei Jahre lang mit dem Fahrrad unterwegs war. Aber es ist mir dabei immer wichtig, was das für denjenigen bedeutet, der nicht diese Zeit hat. Was hat Anselm aus diesen Erfahrungen mit zurück in seinen Alltag genommen, und was können meine Hörer dabei selbst für sich aus seinen Erzählungen ziehen.
Oder Familienvater Jens Steingässer, der mit Fahrrad und Rucksackboot von seinem Heimatort in Hessen an die mecklenburgische Ostseeküste gereist ist. Diese Reise hat ihm geholfen, sich von seinem emotionalen Ballast zu befreien. Denn Abenteuer tun uns nicht nur körperlich, sondern auch mental gut. Denn dann haben wir die Zeit und den Raum, auch mal unangenehme Fragen zuzulassen, die wir sonst immer verdrängen. Wenn die ganzen Reize und Einflüsse von Außen wegfallen, die im Alltag ständig auf uns einwirken, können wir uns mit uns selbst auseinandersetzen. Und das geht natürlich auch bei einem Mikroabenteuer.
Abenteuer tun uns nicht nur körperlich, sondern auch mental gut.Christo Foerster
Du bist Mikroabenteurer: Was bedeutet das?
Alle Kriterien, die ein Abenteuer ausmachen, treffen auch auf ein Mikroabenteuer zu. Ich habe für mich aber zusätzlich noch drei Regeln aufgestellt, die Mikroabenteuer von anderen Draußen-Aktivitäten abgrenzen. Ein Mikroabenteuer dauert mindestens acht, maximal 72 Stunden. Ich fahre nicht mit dem Auto, ich benutze kein Flugzeug und ich verbringe die Nacht draußen unter freiem Himmel – ohne Zelt. Diese Kriterien helfen mir, meine Komfortzone zu verlassen und mich ständig herauszufordern. Denn manchmal brauchen wir eben einen Tritt in den Hintern. Diese Regeln sind aber flexibel, denn ich weiß ja nicht, wo die Komfortzone für andere Menschen anfängt oder endet.
Wie finde ich mein eigenes Mikroabenteuer?
Denke quer! Wir leben so oft für das Wochenende, doch das sind nur zwei von sieben Tagen in der Woche. Überlege wie du die Zeit zwischen zwei Arbeitstagen nutzen kannst! Lege zum Beispiel einen Weg, für den du sonst das Auto nimmst, einfach mal mit dem Fahrrad zurück. Und lass dich nicht aufhalten von den ganzen Stimmen, die sagen "das ist doch gefährlich", "das macht man doch nicht", "bist du dafür überhaupt fit genug?" und probiere es einfach aus. Es geht darum, Dinge anders zu machen als wir sie immer machen. Dann kann es nämlich funktionieren, dass du mit einem Mikroabenteuer wirklich deinen Alltag veränderst. Große Reisen sind oft eine Flucht vor der Normalität. Mikroabenteuer aber können deinen Alltag bereichern, um dein Leben lebenswerter zu machen, damit dieses Fluchtbedürfniss gar nicht erst entsteht. Denn am Ende ist bei einem Abenteuer vor Allem die eigene Haltung entscheidend.
Auf welche Podcast-Gäste dürfen wir uns in der zweiten Staffel "Raus und machen" freuen?
In der zweiten Staffel "Raus und machen" werde ich wieder Gäste aus den unterschiedlichsten Bereichen willkommen heißen, die Abenteuer auf ihre ganz eigene Weise interpretieren und erleben – vom Extremsportler bis zum Outdoor-Koch ist alles dabei. Auch der Umweltaspekt spielt wieder eine wichtige Rolle. Mit Blogger Julian Trometer spreche ich zum Beispiel über Zug-Abenteuer in Deutschland und Europa. Außerdem dürfen sich meine Hörer noch auf einige sehr spannende Geschichten von Privatpersonen freuen.
Große Reisen sind oft eine Flucht vor der Normalität. Mikroabenteuer aber können deinen Alltag bereichern, um dein Leben lebenswerter zu machen, damit dieses Fluchtbedürfniss gar nicht erst entsteht.Christo Foerster