"Warum bist du Pilotin geworden?" – Krzysal Drabik von easyJet im Interview

© Charlott Tornow

Ich stehe am Flughafen und warte auf Krzysal Drabik. Die Schlange vor dem Gate ist natürlich lang. Wobei es keine Schlange ist, die sich da hinter mir gebildet hat, sondern eher ein unförmiger Klumpen, vorn dick und nach hinten immer schmaler werdend. Deutsche können sich einfach nicht einreihen, denke ich, und ich werde nie verstehen, warum das so ist, wenn man doch einen zugewiesenen Platz hat, auf dem man in jedem Fall sitzen wird – ob man nun als erstes oder als letztes einsteigt.

Ich stehe jedenfalls ganz vorn, weil ich auf Krzysal warte, eine der relativ wenigen Pilotinnen in der Luftfahrtbranche. Krzysal schrieb mir bereits per Mail, dass wir nicht viel Zeit haben werden zwischen den zwei Flügen. Noch dazu hat der Flug aus Berlin jetzt Verspätung – ich sehe meine Zeit, die ich mit ihr im Cockpit verbringen darf, dahin schmelzen. Wann darf man denn schon mal in ein Cockpit gucken!

Eine halbe Stunde vor dem geplanten Start findet Krzysal mich am Gate und das erste, was mir an ihr auffällt, ist ihre zierliche Statue. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, wie ich mir Krzysal vorgestellt habe. Wahrscheinlich kann ich mir in dem Moment einfach nicht ausmalen, wie eine so kleine Person eine so riesige Maschine wie den Airbus 320, mit dem wir später nach Berlin fliegen werden, bedienen kann. Und bei dem Gedanken fühle ich mich direkt blöd, denn natürlich hat die Statue nichts mit der Fähigkeit zu tun, ein Flugzeug zu fliegen, und es bestätigt das Vorurteil, das auch viele andere von Piloten haben – nämlich, dass sie hauptsächlich männlich sind. "Die Verkehrsfliegerei wird auch heute noch von vielen fälschlicherweise als eine eher von Männern beherrschbare Branche angesehen", sagt Krzysal. Bei easyJet, der Airline, für die Krzysal arbeitet, fliegen über 200 Frauen in den Cockpits, was einem Anteil von circa 6 Prozent entspricht. Der Frauen-Anteil aller neu eingestellten Piloten beträgt bereits 15 Prozent und soll bis 2020 auf 20 Prozent erhöht werden.

Wie der Vater so die Tochter

Da Krzysal und ich nur 30 Minuten haben, machen wir kurz Smalltalk, während wir über das Rollfeld zum Flugzeug laufen. Ich frage sie, wann sie heute aufgestanden ist: "Häufig habe ich meinen ersten Flug bereits frühmorgens und der Wecker klingelt um 3.30 Uhr. Ich mache mich zurecht, meditiere, trinke Kaffee, gehe mit Jumbo – meinem Hund – Gassi und fahre dann zum Flughafen. Gegen 5.00 Uhr treffe ich mich mit meinem Kapitän, um Details der anstehenden Flüge zu besprechen." Krzysal erzählt mir, dass sie schon als kleines Mädchen eine Faszination fürs Fliegen hatte.

"Ich bin mit meinen Eltern – einer Chirurgin und einem Ingenieur der Luft- und Raumfahrt – sehr oft von den Philippinen aus international verreist und fand es jedes Mal total spannend, meinen Koffer zu packen, um zum Flughafen zu fahren. Wir verbrachten viel Zeit im Umfeld und im Inneren von Verkehrsflugzeugen, da mein Vater passionierter Flugkapitän und Aircraft Spotter (Menschen, die Flugzeuge fotografieren und katalogisieren; Anm. d. Red.) war. Deshalb hat sich wohl verstärkt die Faszination an der kommerziellen Luftfahrt durchgesetzt", grinst Krzysal. "Philippinen?", frage ich. "Ich bin Deutsch-Philippinerin", sagt sie.

Ich bin mit meinen Eltern sehr oft von den Philippinen aus international verreist und fand es jedes Mal total spannend, meinen Koffer zu packen, um zum Flughafen zu fahren.
Krzysal Drabik

Krzysal ist 32 Jahre alt und fliegt seit sechs Jahren, was mich beeindruckt. Sie machte zunächst eine ATPL-Ausbildung. Die sogenannte Airline Transport Pilot Licence (zu deutsch: Lizenz für Verkehrsflugzeugführer) befähigt zum Führen von gewerblichen Flugzeugen als verantwortliche*r Pilot*in. "Den richtigen Einstieg habe ich dann nach langwieriger Jobsuche über eine temporäre Tätigkeit als Ramp Agent in Dubai geschafft." Erst flog sie im asiatischen Raum, danach in Europa. "Dabei bin ich 136 Flughäfen in 43 Ländern angeflogen."

© Charlott Tornow

"Hier gibt es nichts zu verbergen!"

Als wir im Flugzeug ankommen, kümmern sich die Flugbegleiter*innen schon um die Sauberkeit der Kabine und richten alles für die nachkommenden Passagiere her. Im Cockpit sitzt Krzysals Kapitän, der bereits alle technischen Details für den kommenden Flug durchgeht. Das Cockpit wirkt auf mich wie ein Ufo. Auf meine Frage, ob ich hier drin überhaupt fotografieren dürfe, lacht der Kapitän nur: "Na klar, hier gibt es nichts zu verbergen!" Also frage ich Krzysal, was sie vor, während und nach der Landung eigentlich machen muss.

"Während des Cockpit-Briefings wird entschieden, wer von den beiden Piloten die Rolle des Pilot Flying (Navigieren; Anm. d. Red.) und wer die des Pilot Monitoring (Kommunikation, Assistenz, Beobachtung; Anm. d. Red.) übernimmt, wobei man sich in der Aufgabenverteilung bei den anstehenden Strecken abwechselt. Je nach zugewiesener Rolle für die nächste Strecke müssen vor dem Abflug generell folgende Aufgaben erledigt werden: Das Flugzeug muss von außen visuell inspiziert und den Berechnungen entsprechend betankt werden. Der Flugplan wird in den Bordcomputer eingeben und seine Bestätigung durch die Flugsicherung eingeholt, Bordsysteme müssen hochgefahren und getestet werden, Berechnungen für die Beladung und die Start-Performance werden erstellt, das aktuelle Wetter und die Startgenehmigung am Startflughafen werden eingeholt, Passagieransagen sind zu tätigen und eine Reihe von Checklisten müssen vor dem Start abgearbeitet werden. Für all diese Aktivitäten haben wir bei den üblichen Bodenzeiten lediglich 25 Minuten Zeit."

25 Minuten, um ein Flugzeug startbereit zu machen

25 Minuten! Ich höre dabei zu, wie Krzysal und ihr Kapitän all die Aufgaben durchgehen, Formulare ausfüllen und Daten in den Bordcomputer eingeben. Ich bin ja manchmal schon von meiner eigenen TV-Fernbedienung überfordert und kann mir kaum vorstellen, auch nur einen der Knöpfe in diesem Cockpit mit gutem Gewissen zu drücken. Dabei sind die beiden extrem entspannt und können meine Nervosität und Furcht, sie irgendwie zu stören oder aus dem Konzept zu bringen, wahrscheinlich nicht nachvollziehen. Ich vermute stark, dass ihre Nerven stärker sind als meine, immerhin sind sie täglich für das Leben mehrerer Hundert Menschen verantwortlich. Zwischendurch kommt auch noch der Ramp Agent in das mit mir schon überfüllte Cockpit und geht mit den beiden die letzten Details durch. Wie aus dem Nichts fragt Krzysal ihn, ob er aus Südafrika stamme, was er, ähnlich überrascht wie ich, bejaht. Ich merke schnell, dass Krzysal nicht nur extrem entspannt, sondern auch sehr weltgewandt ist.

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"Die Internationalität unserer Crews und die Möglichkeit, auf jeder Stecke jede Menge interessanter Menschen kennenlernen zu dürfen, ist eine echte Bereicherung", sagt Krzysal. Fast jeden Tag fliegt sie mit anderen Kollegen, je nachdem, wo es hingeht. Was mir aber bei jedem easyJet-Flug auffällt, ist, wie vertraut die Flugbegleiter*innen oft wirken, obwohl sie sich zum Teil kaum kennen. "Mit easyJet habe ich 'meine' Airline gefunden. Wir verstehen uns alle als eine große Familie", meint Krzysal. Das Personal heute hat besonders gute Laune, obwohl es schon spät am Abend ist, sich der Abflug verzögert und einige Passagiere noch wegen ihres Gepäcks nörgeln. Ich liebe den Berliner Humor der leitenden Flugbegleiterin, die ein paar Spitzen in Richtung jener Gäste bringt, die am liebsten schon direkt nach der Landung aufstehen wollen.

Wenn wir beim Start durch eine geschlossene Wolkendecke einem strahlend schönen Tag entgegen steigen… es ist einfach unbeschreiblich!
Krzysal Drabik

Als alle Passagiere sitzen und der Start kurz bevor steht, muss ich natürlich das Cockpit verlassen. Mein großer Traum ist es seit Langem, die Welt aus der Pilotenkabine zu beobachten, aber niemand – außer den beiden Piloten – darf das Cockpit während des Flugs betreten. "Wenn der Fluglotse uns die Startfreigabe gibt, ich mit zwei Schubhebeln die Triebwerksleistung hochfahre, die Aerodynamik das Fahrzeug zum Flugzeug macht, wir die Rotationsgeschwindigkeit erreichen und ich 75 Tonnen Gewicht vom Boden heben kann; schließlich das Gefühl einer grenzenlosen Freiheit, wenn wir beim Start durch eine geschlossene Wolkendecke einem strahlend schönen Tag entgegen steigen… es ist einfach unbeschreiblich!", schwärmt Krzysal. Ich bin fast ein bisschen neidisch auf dieses Gefühl, das Krzysal da beschreibt, erinnere mich aber schnell daran, dass das Starten wirklich das Einzige ist, was ich am Fliegen hasse.

© Charlott Tornow

Nach der Landung muss es wieder schnell gehen. So zügig, wie wir geboardet haben, müssen auch alle Passagiere wieder aussteigen – immerhin wollen nicht nur sie, sondern auch die Crew nach Hause. Ich stelle Krzysal trotzdem noch zwei schnelle Fragen.

"Was war dein bisher schönstes Erlebnis beim Fliegen?"
"Das schönste Erlebnis war wohl mein erster kommerzieller Einsatz als First Officer auf einem Flug von Clark auf den Philippinen nach Hong Kong. Ein sagenhaft schöner und emotionaler Umlauf."

"Und wenn du nur noch einen Flug im Leben frei hättest: Wohin würdest du fliegen?", frage ich.
"Ich würde wohl nach Manila fliegen, denn dort hat meine fliegerische Karriere begonnen und dort habe ich gelernt, mit recht widrigen Umständen wie Taifunen, teils schwieriger Verständigung mit asiatischen Fluglotsen, kurzen Landebahnen oder schwierigen Anflügen zurande zu kommen.", sagt Krzysal.

Sagenhaft schön und emotional

"Sagenhaft schön und emotional" – ich denke, das trifft das Gefühl des Fliegens und die Faszination dahinter sehr gut. Als Passagiere bekommen wir oftmals gar nicht mehr mit, was eigentlich während eines Flugs passiert – all die Annehmlichkeiten wie das Unterhaltungsangebot und die Verpflegung haben das Fliegen fast zur beiläufigen Sache werden lassen. Dabei sollte so ein Flug jedes Mal etwas besonderes sein…

SO WIRD MAN PILOT*IN BEI EASYJET

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