Einfach mal Langeweile: Wieso ich mich nach dem Sommerferiengefühl zurücksehne

© Brooklyn Morgan | Unsplash

Erinnert ihr euch noch an dieses Gefühl am letzten Schultag vor den Sommerferien? Diese kribbelnde Vorfreude, die sich breit gemacht hat, wenn ein weiteres Schuljahr geschafft und diese sechs Wochen grenzenloser Freiheit in Sicht waren? An den Tagen zuvor wurden in der Klasse sowieso nur noch Filme geschaut, der Unterricht wurde nach draußen verlagert, vielleicht war auch "Projektwoche" angesagt oder sowas. Die Luft war warm, lautes Geschnatter auf den Fluren, kurze Aufregung bei der Vergabe der Zeugnisse. Vielleicht hier und da ein paar Tränen über eine Fünf in Mathe, die aber schnell wieder vergessen war, denn um spätestens halb 12 lag das Schulgebäude hinter uns und wir saßen auf unseren von der Sonne aufgeheizten Fahrradsatteln, auf dem Weg Richtung Baggersee oder zumindest zur nächsten Eisdiele.

In den Urlaub ging es nicht mit Easyjet, sondern auf dem Rücksitz des Autos unserer Eltern

Die nächsten sechs Wochen vergingen dann irgendwo zwischen Freibadpommes, Versteckspielen und Lange-aufbleiben-dürfen. Lehrer, Hausaufgaben und Mathenoten schienen immer wahnsinnig weit weg zu sein, mindestens genauso weit wie Reiseziele in den USA, Australien oder Südostasien. In den Urlaub ging es nicht mit Easyjet, sondern auf dem Rücksitz des Autos unserer Eltern, und statt mit Power-Sightseeing und Instagram-Fotos verbrachte man einfach zwei Wochen an irgendeinem Ort in Frankreich, Holland oder an der Ostsee. Dort liefen wir jeden Tag gleich nach dem Frühstück an den Strand, wir lernten richtig schwimmen und was Ebbe und Flut bedeutet. Die kalte Cola aus der Glasflasche schmeckte immer viel besser als zu hause, und wenn es mal einen Regentag gab, wurde der mit Hörspielen und 1000-Teile-Puzzlen drinnen vertrödelt. Man versuchte, das fremde Fernsehprogramm zu verstehen oder betrachtete gelangweilt die vorbeiziehenden Wolken. Überhaupt: Langeweile! Diese sechs Wochen konnten sich manchmal wirklich wie eine Ewigkeit anfühlen.

Urlaube und Kurztrips werden zwischen Deadlines und lange Wochenenden gequetscht, und der restliche Sommer rast so schnell an uns vorbei, dass man die ganze Zeit das Gefühl hat, etwas zu verpassen.

In Berlin haben letzte Woche die Sommerferien begonnen und wenn man selbst schon etwas länger aus dem Alter raus ist, in dem sich das Jahr noch in Halbjahreszeugnisse und Klassenfahrten aufteilen lässt und nicht gerade Lehrer*in ist oder schulpflichtigen Kinder hat, bekommt man diesen Zeitpunkt eigentlich kaum noch mit. Urlaube und Kurztrips werden zwischen Deadlines und lange Wochenenden gequetscht, und der restliche Sommer rast so schnell an uns vorbei, dass man die ganze Zeit das Gefühl hat, etwas zu verpassen.

Zurück zum Sommerferiengefühl in 5 einfachen Schritten?

Ist es vielleicht genau das, was wir an dem Sommerferiengefühl von früher so vermissen? Na klar, wir haben den Ferien entgegengefiebert und uns auf die freie Zeit gefreut, aber dann waren sie eben da und wir haben sie genossen, ohne groß darüber nachzudenken. Das, was sich geändert hat, ist unsere eigene Erwartungshaltung. Denn wenn wir uns an die Sommer von früher erinnern, ist es ja vor allem dieses Gefühl von Unbeschwertheit, das wir gerne nochmal reproduzieren würden. Aber ist das überhaupt möglich? Wahrscheinlich nicht. Denn allein schon der Anspruch, man könnte durch die richtige Planung den perfekten Sommermoment erschaffen, der sich „so anfühlt wie früher“, ist ja eigentlich ein Widerspruch in sich. Diesen Moment gibt's gratis dazu, wenn man es schafft, erst gar nicht darüber nachzudenken.

Was also vermutlich besser hilft, als sich fest vorzunehmen, dieses Jahr wirklich jeden Tag ins Freibad zu gehen und ganz viel Kaktuseis zu essen, obwohl uns dieses komische Kaugummizeug da obendrauf in Wahrheit schon seit 10 Jahren nicht mehr schmeckt, ist wohl: Sich weniger vornehmen. Weniger Bucket List, mehr Bauchgefühl, oder irgendwie sowas in Richtung Achtsamkeit. Und ja, eigentlich würde ich diesen Sommer gerne genauso verbringen: Öfter mal gar nichts planen und mich auch wirklich mal wieder langweilen.

Jetzt habe ich allerdings schon Tickets für zwei Festivals gekauft, fahre im August ein paar Tage weg, muss zwei Hausarbeiten schreiben und nebenbei arbeiten, also machen wir uns nichts vor: Sechs Wochen Nichtstun geht anders. Aber vielleicht werde ich es zwischendurch trotzdem mal mit der Langeweile versuchen – und wenn gar nichts hilft, hole ich für meinen nächsten Kurztrip die Hörspielkassetten von früher wieder raus.

Das, was sich geändert hat, ist unsere eigene Erwartungshaltung – allein schon der Anspruch, man könnte durch die richtige Planung den perfekten Sommermoment erschaffen, der sich „so anfühlt wie früher“, ist ja eigentlich ein Widerspruch in sich.
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