Wandern & Coaching – Warum wir die besten Ideen im Wald haben
Ich stehe mitten auf einer großen Wiese am Stadtrand von Berlin und habe die Augen geschlossen. Die Wiese wird von großen Laubbäumen begrenzt und von einem kleinen Bach namens Erpe geteilt. Ich höre, wie Hunde an mir vorbei hecheln, wie der Wind durch die entfernten Baumkronen raschelt. Ich spüre die noch warme Herbstsonne auf meinem Gesicht und versuche all das auszublenden, um der Aufgabe zu folgen, die mir meine Begleitung gegeben hat. Neben mir steht Christin Berges und ihre Worte hallen in meinem Kopf nach: "Stelle dir den Idealzustand vor. Wo bist du, wenn du ganz bei dir bist? Wie sieht es um dich herum aus?"
Christin ist ausgebildete Coachin und was wir hier machen, ist nicht etwa Teil einer Therapiesitzung, sondern soll mir dabei helfen, mich privat und beruflich weiterzuentwickeln. Denn genau darum geht es beim Coaching, das zwar verschiedenste Formen annehmen kann, aber das immer zum Ziel hat, persönliche Kompetenzen zu erkennen, Perspektiven zu entwickeln oder Konflikte zu bewältigen. Christin selbst möchte zusammen mit ihren Klient*innen Visionen erarbeiten, innere Ressourcen und Fähigkeiten aktivieren, aber auch Strategien entwickeln, um verschiedenste Ziele zu erreichen.
Unser Ziel für heute ist es herauszufinden, wie ich dauerhaft entspannter in Druck- und Krisensituationen arbeiten und reagieren kann.
Es gibt keinen besseren Ort als den Wald, um über sich selbst und das Leben nachzudenken
Dabei hat so ein Ausflug in die Natur natürlich durchaus etwas Therapeutisches für den Körper und die Sinne und genau da setzt Christin mit ihrem Coaching an.
Bei sportlicher Betätigung, einer Wanderung oder einem Spaziergang schüttet der Körper Endorphine, also Glückshormone, aus, wodurch Stress abgebaut wird. Zusätzlich regt Bewegung die Durchblutung an, wodurch unser Herzmuskel mehr Sauerstoff erhält und wir uns besser konzentrieren können. All das fördert letztendlich auch einen besseren Schlaf und eine allgemein bessere Gesundheit. Dieser Effekt verstärkt sich mit einem Aufenthalt in der Natur: Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass auch intensive Aufenthalte im Wald das Stresssystem des Menschen beruhigen, unser Immunsystem stärken und unsere kognitiven Fähigkeiten verbessern. Es gibt also keinen besseren Ort als den Wald, um über sich selbst und das Leben nachzudenken.
Christin will ihre Klient*innen dabei ein Stück – wortwörtlich und im übertragenen Sinn – begleiten. Sie nennt ihren Ansatz "Wandercoaching", denn die zündende Idee für ihre eigene Zukunft hatte sie bei einer Wanderung. Als sie 2017 mit ihrem Freund auf Weltreise war, fand sie sich in einer ähnlich existenziellen Sackgasse wie viele ihrer Coachees: Als Presse- und Kommunikationsreferentin bei einem Internetdienstanbieter war sie zwar erfolgreich, aber nicht erfüllt. Und nach ein paar Wochen Weltreise merkte sie, dass sie viele persönliche Ängste im Gepäck hatte, die sie zusätzlich lähmten. Nachdem sie ihre Weltreise in Australien, Neuseeland, Hawaii, Kanada und den USA vor allem wandernd verbrachte, fällte sie den Entschluss, Coachin zu werden und sich zuerst ihrer und dann der Weiterentwickung anderer Menschen zu widmen.
Ich habe es immer geliebt, tiefgründige Gespräche zu führen. Ich bin kein guter Small Talker.Christin Berges
Where focus goes energy flows
"Ich habe es immer geliebt, tiefgründige Gespräche zu führen. Ich bin kein guter Small Talker", sagt Christin, während wir durch das Erpetal im Osten von Berlin wandern, den Duft von feuchtem Moos aufsaugen, uns an den bunten Herbstfarben satt sehen und immer wieder anhalten, um kleine Details wahrzunehmen. Ich bin erstaunt, wie leicht es mir fällt, mit Christin über berufliche Probleme und Hürden zu sprechen, obwohl wir uns gar nicht richtig kennen und ich sie vorher erst zwei Mal am Telefon gehört habe. Aber Fremden kann man sich oftmals besser anvertrauen als den eigenen besten Freunden und das hilft nicht nur bei Therapien, sondern auch beim Coaching. "Mir ist erst in der Coaching-Ausbildung richtig bewusst geworden, dass 'gut zu hören' eine Sache ist, die für mich selbstverständlich ist", sagt Christin. Dabei zeichnet sich Coaching selbstverständlich nicht nur dadurch aus, dass ein*e Coach*in gut zuhören kann, sondern vor allem Methoden anwendet und Fragen stellt, die den Coachee zum Nachdenken anregen sollen. Christin begleitet ihre Klient*innen dabei mit Fragen und Übungen, um neue Lösungen und Ideen für ein Problem oder eine neue Perspektive auf ein Thema zu finden.
Visualisierung ist beispielsweise so eine Methode. Dabei stellt man sich einen Moment oder Zustand vor, wie er idealerweise eintreten sollte. Es reicht allerdings nicht, nur das Ziel zu formulieren, sondern auch die Umgebungsvariablen: Was riecht, schmeckt und sieht man in diesem Idealzustand? Wenn man all das visualisiert hat, ist es einfacher, das gesteckte Ziel zu erreichen. Oder einfacher gesagt: "Where focus goes energy flows".
Während ich also auf der besagten Wiese stehe und mir einen Zustand vorstelle, in dem ich während einer Druck- und Krisensituation weniger panisch und gereizt, dafür entspannter und umsichtiger kommuniziere, sehe ich mein Wohnzimmer, das während der Corona-Pandemie zu meinem Ort der Ruhe geworden ist. Ich sehe das Sonnenlicht, das sanft durch die Fenster fällt und den Raum golden illuminiert. Ich rieche den herben Duft der Räucherstäbchen, die ich immer viel zu nah an meinem Gesicht aufstelle. Ich schmecke das kalkige Berliner Leitungswasser, das ich nie filtriere. Und ich schaue auf den kleinen Buddha, den ich seit meiner Jugend besitze, warum auch immer. In diesen anstrengenden Wochen ist er zu meinem Fixpunkt geworden.
Was würde Buddha tun?
"Was würde Buddha tun?", tönt es aus mir heraus. Christin und ich beschließen, dass diese Frage zu meinem Mantra in stressigen Situationen werden soll. Und dass ich, egal, wo ich mich in dieser oder jene Stresssituation befinde, die beschrieben Wohnzimmer-Situation visualisiere, in der alles friedlich und harmonisch existiert.
Natürlich gibt es noch viele andere Techniken, die Christin bei ihren Coachings anwendet. Am wichtigsten für sie ist aber, dass ihre Coachees die Expert*innen für ihre jeweiligen Situationen sind. Christin sieht sich nicht als Beraterin, die Tipps oder Empfehlungen gibt. Und sie ist auch keine Therapeutin, die nach den Gründen für ein Problem sucht (auch wenn alle Sitzungen von Christin vertraulich behandelt werden). Sie möchte vielmehr zusammen mit ihren Klient*innen Lösungen erarbeiten, die maßgeschneidert sind und sofort umgesetzt werden können. "Ich möchte das Coaching dafür nutzen, um ins Herz zu gehen und auf die Intuition zu hören".
Als ich nach vier Stunden Wanderung wieder in der S-Bahn nach Berlin sitze, merke ich, wie müde ich plötzlich bin. Wir haben auf den 12 Kilometern zwischen Friedrichshagen und Hoppetal zwar immer wieder Pausen eingelegt, um kleine Übungen zu machen und zu reflektieren, und ich bin schon längere, anspruchsvollere Strecken gewandert, aber erst jetzt wird mir bewusst, wie geistig fordernd diese letzten vier Stunden waren. Es ist eine gute Erschöpfung, die einhergeht mit dem Gefühl, neue Kräfte in mir freigesetzt zu haben, die mich privat und beruflich ein ganzes Stück nach vorn bringen. Inwiefern mich Buddha in Zukunft noch begleiten wird, kann ich jetzt noch nicht sagen, eine Wanderung mit Christin jedenfalls kann ich aber jedem empfehlen.
Christin Berges bietet verschiedene Coaching-Optionen an – von ein bis drei Tagen, vom kurzen Spaziergang durch Berlin bis hin zur langen Wanderung in der Sächsischen Schweiz oder im Harz. Auf ihrer Seite "Hike Inspired" findet ihr alle Informationen zu ihrem Coaching.