Jakob Horvat, wie werde ich zum Weltenbummler?
Vor sechs Jahren auf einer Reisen durch Südostasien habe ich Jakob Horvat kennengelernt. Gemeinsam haben wir ein paar Tage auf einer kleinen Insel in Indonesien verbracht, Kokosnüsse getrunken und über das Leben philosophiert. Damals arbeitete er noch als Fernsehjournalist für den ORF, heute unterrichtet er Yoga, arbeitet als Coach und hat ein Buch geschrieben und seinen eigenen Podcast rausgebracht. Aber wie kam es zu diesem Lebenswandel kam?
Jakob wollte wissen, wie es ist, die Komfortzone zu verlassen. Er legt eine berufliche Pause ein und bereist 14 Monate lang die Welt. Aber warum hat diese Reise sein Leben verändert? Und wie wird man eigentlich zum Weltenbummler? Ich habe mit Jakob gesprochen, um für euch die besten Tipps zu erfahren, was es alles braucht, um die Welt zu bereisen.
Warum hast du dich entschieden, die Welt zu bereisen?
"Um eine sehr lange Geschichte sehr kurz zu erzählen: Ich hatte ein gutes Leben, einen spannenden Job als Fernsehjournalist, tolle Freunde, eine gemütliche Wohnung und ich feierte sehr gerne. Im Jahr 2015 berichtete ich wöchentlich über die Flüchtlingsbewegung und über die Angst vor Fremden. Irgendwie spürte ich, dass es für mich an der Zeit war, die Welt auf eine neue Art und Weise zu entdecken und die Fremde kennenzulernen. Also ging ich 14 Monate auf Weltreise, ich trampte von Wien nach Amerika, segelte über den Atlantik, lebte mit Schamanen im Urwald und probierte so viel Neues, wie ich nur konnte."
Sollte jeder einmal im Leben eine Weltreise machen?
"Ich glaube, jeder Mensch ist auf seiner eigenen Reise durchs Leben. Er trägt seinen eigenen Rucksack, wandert in seinen eigenen Schuhen und macht also eigene Erfahrungen. Ich glaube, es geht darum, neugierig zu sein auf das Unbekannte, einen Abenteuergeist zu entwickeln und das Leben in möglichst vielen Facetten zu entdecken. Dazu müssen wir die Komfortzone verlassen, die vertraute kleine Welt. Dort liegt meiner Meinung nach der Weg zu unserem wahren Potenzial, dort dürfen wir uns selbst kennenlernen und über uns hinauswachsen."
Es geht darum, neugierig zu sein auf das Unbekannte, einen Abenteuergeist zu entwickeln und das Leben in möglichst vielen Facetten zu entdecken.Jakob Horvat
Hast du Tipps, wie man seine Angst vor der Fremde loslassen kann?
"Ich glaube, es hilft, die Angst zunächst als einen Hinweisgeber zu begreifen, als ein sehr natürliches Gefühl, das uns zeigt, worauf wir Acht geben sollen, wenn wir unsere Komfortzone verlassen. Dann hilft es sehr, den Nachrichtenkonsum einzuschränken. Was uns die Medien in die Wohnzimmer transportieren, ist nur ein sehr kleiner Ausschnitt der Wirklichkeit. Meistens jene Ausschnitte, die Angst vor der Welt fördern und nicht das Vertrauen in sie. Das wäre dann auch ein gutes Stichwort. Vertrauen nimmt der Angst die Substanz. Dann sehe ich in Begegnungen mit fremden Menschen Chancen und Möglichkeiten anstatt Gefahren und Risiken – indem man zum Beispiel Couchsurfer zu sich nach Hause einlädt, fremde Menschen auf der Straße anspricht oder in gemeinnützigen Organisationen mithilft."
14 Monate um die Welt zu reisen, das kostet sicher. Wie hast du deine Reise finanziert?
"Mein Reisebudget waren 1000 Euro pro Monat. Das war deutlich weniger, als ich zuhause gebraucht hätte. Meine Wohnung war untervermietet, meine Fixkosten daheim auf Null. Ich hatte Ersparnisse und habe unterwegs immer wieder mal gearbeitet. Zum Beispiel für Kost und Logis auf einer Farm in Kolumbien oder in einem Hostel auf Hawaii. Solche Projekte findet man zum Beispiel auf der Plattform Workaway. Ansonsten durfte ich auf vielen Couches surfen und habe öfters im Zelt übernachtet."
Drei Fehler, die man bei der Planung einer Weltreise vermeiden sollte?
"Erstens, nicht zu viel planen. Das Leben zeigt einem, wo’s langgeht, wenn man es nur lässt. Zweitens, zu viele Reiseführer lesen. Lieber unterwegs Tipps einholen. Und drittens, zu viel einpacken. Meistens braucht man viel weniger, als man zu Beginn glaubt."
Nicht zu viel planen. Das Leben zeigt einem, wo’s langgeht, wenn man es nur lässt.Jakob Horvat
Wie entwirft man eine passende Route?
"Ich für meinen Teil habe nicht viele Routen entworfen, sondern habe mich der Reise gewissermaßen hingegeben. Ich hatte ein Land, in das ich unbedingt wollte, das war Kolumbien. Alles andere hat sich ergeben. Meistens habe ich immer in dem einen Land entschieden, wo es als nächstes hingeht. Da habe ich mich inspirieren lassen von anderen Reisenden, von Gefühlen und Prioritäten. Und die verändern sich nun mal während der Reise. Wenn ich vorher schon alles plane, nehme ich dem Leben viel Spielraum, mir neue Richtungen zu zeigen."
Was darf im Rucksack eines Weltenbummlers nicht fehlen?
"Eine gute Wasserflasche, ein Tagebuch, Oropax, Stirnlampe, Taschenmesser und ein gutes Buch."
Und was braucht man garantiert nicht auf einer Weltreise?
"Eine schwierige Liebesbeziehung zuhause."
Du bist getrampt und über den Atlantik gesegelt. Wie bewegt man sich am besten fort?
"Hier gibt es vermutlich keine Faustregel, aber wer langsam reist, übers Land, sieht mehr von der Landschaft und kommt leichter mit Menschen in Kontakt. Mit Hitchhiking öffnet man dem Leben Tür und Tor, einen zu überraschen. Das ist natürlich nicht immer angenehm, aber ich glaube, wenn eine Reise zu komfortabel ist, verfehlt sie ihren Zweck. Ich fliege mittlerweile sehr ungern, aber natürlich, manchmal lässt es sich nur sehr schwer vermeiden. Vor allem, wenn man nicht viel Zeit hat."
Mit Hitchhiking öffnet man dem Leben Tür und Tor, einen zu überraschen. Das ist natürlich nicht immer angenehm, aber ich glaube, wenn eine Reise zu komfortabel ist, verfehlt sie ihren Zweck.Jakob Horvat
Maximal 30 Tage Urlaub im Jahr stehen einer langen Reise eher im Weg. Wie funktioniert das Reisen trotz Job?
"Ich lehne mich jetzt weit aus dem Fenster und behaupte, dass die Systeme, in denen wir in unserer westlichen Welt leben, nicht nur einer langen Reise entgegenstehen, sondern der wahren Entfaltung des Menschen generell. Während wir am Schreibtisch sitzen, träumen wir das Leben anstatt unsere Träume zu leben. Vielleicht ist es an der Zeit, die Grundregeln zu hinterfragen. Je nachdem, wie wichtig einem das Reisen ist, lässt sich vielleicht auch ein Job finden oder erschaffen, der das ortsunabhängige Arbeiten ermöglicht. Noch nie gab es so viele Möglichkeiten dafür wie heute."
Heimweh und Reiseblues: Was hilft, wenn man mal durchhängt?
"Telefonate mit Freunden und Familie, Tagebuch schreiben und eine Sammlung von Fotos oder lieben Worten von wichtigen Menschen. Ich hatte zum Beispiel ein kleines goldenes Büchlein, das mir meine Schwester zum Geburtstag geschenkt hat. Viele meiner Freunde haben was hineingeschrieben und unterwegs habe ich es immer wieder jenen gegeben, die mir ans Herz gewachsen sind. Es hilft auch zu wissen, dass dieses Gefühl einfach dazugehört. Es ist Teil der Reise und es ist okay. Wenn man es zulässt, geht es von alleine wieder weg."
Was würdest du bei deinem nächsten Trip anders machen?
"Ich würde versuchen meine Hirnwichserei in den Griff zu bekommen, mir nicht zu viele Gedanken zu machen und darauf vertrauen, dass alles gut ist, wie es ist."