Work & Travel in der Provence – Meine Erfahrungen und Tipps für einen Auslandsaufenthalt

© Sonja Koller

Ich stehe im Bad und versuche dem französischen Klempner zu erklären, was es mit der verstopften Toilette auf sich hat. Das geht mehr schlecht als recht und auf diese Gesprächssituation hat mich auch niemand in sechs Jahren Schulfranzösisch vorbereitet. Ich bin in Ventrabren, einer klitzekleinen Stadt in der Nähe von Aix-en-Provence im Süden Frankreichs und hier, um mich um genau solche Probleme zu kümmern. Über die Plattform Workaway bin ich bei einer Familie gelandet, der ich bei allem helfen soll, was so im Alltag anfällt. Für meine Arbeit in diesem Monat bei Vika und ihrem Sohn Maxim werde ich nicht bezahlt, bekomme stattdessen aber Kost und Logis.

Vier Stunden Arbeit täglich für vier Wochen Logis 

Wie der Platz zum Schlafen und die kulinarische Versorgung aussieht, ist je nach Gastgeber*in unterschiedlich. Ich habe Glück und darf in Vikas Haus sogar ein eigenes Zimmer beziehen. Um für vier Wochen in Südfrankreich ein Zimmer zu bezahlen, muss man normalerweise tief in die Taschen greifen. Ich aber soll nur drei bis vier Stunden täglich arbeiten, der alleinerziehenden Mutter im Haushalt und im Airbnb helfen, das sie im Haus betreibt.

Obwohl ich bewusst wegen der für mich angenehmen Aufgaben – im Haushalt helfen, kochen und putzen – nach Aix-en-Provence gekommen bin, übernehme ich schnell ganz andere Arbeiten. Weil Vika die Bewertungen ihres Airbnbs sehr wichtig sind, fällt es ihr schwerer, als gedacht, diese Aufgaben zu delegieren. Und ich, die nie Lust auf Au-Pairing hatte, versteht sich auf einmal super mit dem achtjährigen Maxim. Abends zu zweit kochen, essen und lesen? Klingt für mich eher nach einem netten Abend zu zweit als nach Arbeit. Dass ich als damals 18-Jährige vor meiner Ankunft kaum kochen kann und immer wieder meine Mama mit dringenden Nachfragen aus der Küche anrufe, stört hier niemanden.

Arbeiten in der Provence
© Sonja Koller

Der Alltag in Frankreich ist anders als in meinen Schulbüchern

Überhaupt habe ich mir das Leben und den Alltag in der Provence anders vorgestellt. Eigentlich dachte ich, den "french way of life" schon recht gut einschätzen zu können. Immerhin war er immer wieder Gegenstand von Französischstunden in der Schule. Kurz vor unserem Abschluss bin ich mit meiner Französischklasse sogar für eine Woche auf Sprachkurs in die Bretagne gefahren und habe dort in einem französischen Haushalt gewohnt. Die Kultur aber kann ich jetzt, so zumindest mein Gefühl, viel besser verstehen.

Da wäre zum Beispiel der Stellenwert von frischen Produkten. Vika erzählt mir hin und wieder, dass der Preis des Lebens in Südfrankreich sich nicht mit links stemmen lässt, aber selbst wenn sie gestresst von Termin zu Termin hetzt, nimmt sie sich die Zeit, ein frisches Baguette bei einem ganz besonders guten Bäcker im Nachbarort zu kaufen. Besorgen wir die Einkäufe für die nächste Woche, machen wir am Weg zum Supermarkt an mehreren kleinen Läden in der Umgebung Halt und kaufen oft nur einzelne Zutaten. Hier fünf frische Tomaten, dort ein Pain au Chocolat für den nächsten Morgen.

Found in Translation 

Ein weiterer Aspekt, der sich stark von meinen vorherigen Besuchen in Frankreich unterscheidet: Hier bin ich mit Gesprächssituationen konfrontiert, die ich so noch nie geübt habe. Denn: Die Menschen vor Ort behandeln mich nicht wie eine Schüler*in oder Tourist*in. Sie kitzeln Vokabeln aus mir heraus, die ich in mein tiefstes Unterbewusstsein verschoben habe. "Siege de Toilette" heißt übrigens Klobrille.

Erst, als ich nach zwei Wochen im Süden Frankreichs nach Paris düse, wird mir klar, dass ich mich in der Provence sprachlich vor eine besondere Herausforderung gestellt habe. Während ich in Aix-en-Provence manchmal noch Probleme habe, meine Gesprächspartner*innen zu verstehen, gelingt es mir in Paris viel leichter. Liegt es etwa daran, dass ich in der Schule zufällig im Pariser Akzent unterrichtet wurde? Fast. Französische Freund*innen klären mich während meines Kurzurlaubs in der Hauptstadt darüber auf, dass der Dialekt aus Aix, wie die Einheimischen ihre Stadt nennen, in ganz Frankreich berüchtigt dafür ist, besonders schwer verständlich zu sein. Ich versuche, es positiv zu sehen und rede mir ein, dass ich mich scheinbar in eine besonders harte Französisch-Schule begeben habe, dafür aber alle anderen französischen Dialekte nun besonders leicht verstehe.

Frankreich ohne Schnickschnack

Ich bin aber wirklich sehr froh, in Ventrabren und damit in der Nähe von Aix-en-Provence gelandet zu sein. Weil ich mich manchmal zum Entspannen und langsam reisen zwingen muss, tut es mir besonders gut, hier zu sein. Ich wohne mitten in der wunderschönen Postkarten-Altstadt des kleinen Ortes und bin begeistert. Die kleine Stadt ist winzig, liegt aber gleich am Fuße einer verfallenen Burg. Von Vikas Haustür aus kann ich das Plateau, auf dem die Stadt liegt, in zehn Minuten erreichen und habe oben nicht nur auf Ventabren, sondern auf das gesamte Tal eine wunderschöne Aussicht. Das hier ist Frankreich, wie es wirklich ist, ohne viel Schnickschnack.

Täglich nehme ich mir die Zeit, einen Stadtspaziergang vorbei an den alten, gemütlichen Häusern zu machen, die in dem Ort stehen. Stellst du dir ein typisch französisches, leicht verschlafenes Dorf vor, ist deine Vorstellung sicherlich nicht allzu weit von dem entfernt, wie es hier wirklich aussieht. Zwei oder dreimal wöchentlich nehme ich den Bus hinein nach Aix und schlendere immer wieder durch die gleichen Gassen, weil ich einfach nicht genug von der schönen Student*innenstadt bekommen kann.

Ventabren in der Provence
© Sonja Koller

Arbeiten im Ausland im Schnelldurchlauf 

Nach einem Monat bei Vika und Maxim verabschiede ich mich, bereichert durch schöne Erinnerungen. Ich bin vor allem froh darüber, nicht einfach einen Monat in einem Ort in Frankreich verbracht, sondern durch Vika und Maxim ein normales, unaufgeregtes Leben in der Region kennengelernt zu haben. Denn selbst in Frankreich, einem Land, von dem ich dachte, es schon so gut zu kennen, lebt es sich im Alltag dann doch etwas anders.

Im Ausland zu arbeiten, muss also nicht immer gleich mit mehreren Monaten Aufenthalt und langwierigen Anmeldeprozessen verbunden sein. Über Plattformen wie Workaway kann man sich schon für wenige Wochen oder sogar Tage mit Projekten verbinden, bei denen man sowohl aushelfen, als auch die Kultur des Landes kostengünstig kennenlernen kann. Wenn du dich auf der Webseite umsiehst, findest du Kunstprojekte in Norwegen, kannst bei einem Sommercamp in Rumänien oder auf einer Farm in Panama aushelfen. Auf der Plattform kannst du dich entweder als einzelne Person oder als Paar anmelden und so auch zu zweit mit anpacken.

Auch über Online-Portale wie Anywork Anywhere findest du Jobs, bei denen meist nur für einige Wochen oder eine Saison nach Aushilfen gesucht wird. Auch klassisches Au-Pairing ist eine Option. Von Workaway unterscheiden sich diese Konzepte insofern, als das du für deine Arbeit hier vergütet wirst, für Kost und Logis daher oft selbst sorgen musst. Bei meinem Aufenthalt in Frankreich habe ich aber besonders geschätzt, bei Vika und Maxim untergekommen zu sein, weil der Austausch mit den Menschen aus der Region viel intensiver war.

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