Ab aufs Wasser: So machst du deinen Segelschein
Hast du schon immer davon geträumt, unter Segeln an der Amalfi-Küste vorbeizufahren, mit einem Kopfsprung in das tiefblaue Meer bei Kreta zu springen oder mit einem Sundowner in der Hand den Sonnenuntergang an der Algarve zu sehen? Kommt dir vor wie ein unrealistischer Traum? Ist es aber nicht. Dein erster Schritt zum Urlaub unter Segeln: Mache einen Segelschein! Möglichkeiten dazu gibt es überall in Deutschland. Fast schwieriger als das Segeln zu lernen, ist der Kampf mit der Bürokratie, bis du deinen Segelschein in der Hand hältst. Damit du dich davon nicht aufhalten lässt, und um dir die eine oder andere schmerzhafte Erfahrung zu ersparen, kommen hier meine Tipps und Tricks für deinen Weg zum Segelschein – und damit zu deinen ersten Abenteuern auf dem Wasser.
1. Welche Segelscheine gibt es überhaupt?
Leider ist es bei Booten nicht wie beim Auto – Führerschein Klasse B und gut ist. Für Bootsführerscheine ist es relevant, ob man sich mit Segeln, mit Motor oder mit beidem fortbewegt, wie stark der Motor und wie lang das Boot ist und wo man mit dem Boot hinfahren möchte – ob aufs Meer oder innerhalb Deutschlands auf Seen und Flüssen, dem sogenannten Binnengewässer. Und als würde das nicht reichen, gibt es für den Rhein und den Bodensee nochmals eigene Regeln. Motorboote unter 15 PS kannst du dagegen führerscheinfrei fahren – außer auf dem Rhein. Weil mir die ganzen Einteilungen und Abkürzungen irre Kopfschmerzen bereitet haben, fasse ich dir die Einsteiger-Scheine hier zusammen.
2. Wo kannst du den Schein machen?
Segelschulen gibt es in Deutschland an jedem größeren Gewässer. Die Anbieter unterscheiden sich stark in Angebot und Preisen, da lohnt sich etwas Recherche in deiner Umgebung. Student*innen sollten auf jeden Fall beim Unisport nachgucken, da viele Hochschulen Kurse sowohl für den Binnen- als auch für den Seeschein anbieten und diese viel günstiger sind als private Schulen. Auch Externe und Alumni können die Unisportkurse besuchen, wenn auch für etwas mehr Geld. Die Prüfung selbst wird von den regionalen Prüfungsausschüssen abgenommen.
3. Geteiltes Leid ist halbes Leid
Zusammen geht das Meiste leichter, so auch beim Segelschein! Natürlich machen schon die Fahrten zum Unterricht und die Stunden zusammen mit Freund*innen mehr Spaß. Aber es ist auch in Hinblick auf die praktischen Prüfungen sinnvoll, nicht alleine anzutreten: Bei der Prüfung im Motorboot sitzen immer zwei Prüflinge im Boot und auch bei der Segelprüfung tritt man im Zweierteam an. Da kann es den ganzen Unterschied machen, wie gut ihr als Team zusammenarbeitet. Und wenn eine*r einen Blackout hat, kann man sich flüsternd aus der Patsche helfen.
4. Nutze die kalten Monate zum Knoten lernen
Um von Anfang an den Prüfungsstress zu minimieren, kannst du die Theorieprüfung schon im Winter ablegen. Dann bist du gut vorbereitet, wenn die Saison anfängt, und kannst die Zeit auf dem Wasser wirklich genießen. Für die Knotenkunde kannst du dir einfach zwei Leinen im Baumarkt besorgen und fleißig auf dem Sofa üben. Super hilfreich zum Auswendiglernen des erstaunlich umfangreichen Fragenkatalogs sind Apps wie zum Beispiel die von Ralf Goritz, deren kostenlose Funktionen völlig ausreichen. So hast du die Fragen immer mit dabei und kannst aus jeder verpassten U-Bahn eine Lernsession machen.
5. Die richtige Ausrüstung
Beim Segeln bist du dem Wetter ausgeliefert. Darum lohnt es sich, in eine Grundausrüstung zu investieren, auch wenn du noch nicht weiß, ob in dir ein*e große*r Segler*in steckt. Wichtig ist eine atmungsaktive Base-Layer, in den kühleren Jahreszeiten in der Thermo-Variante. Als Top-Layer würde ich eine richtige Segelkombi empfehlen, bestehend aus einer lang geschnittenen Jacke und einer Latzhose. So eine Kombi ist in Sachen Wind- und Wasserschutz unschlagbar. Die Latzhosen gibt es mit Polstern im Knie- und Sitzbereich, was dir viele blaue Flecken erspart. Schuhe mit heller, griffiger Sohle, sowie Segelhandschuhe sind ein Muss. Spätestens wenn dir nasse Leinen die Hände aufgescheuert haben, wirst du an diesen Tipp denken. Denke auch an Sonnenschutz, selbst bei schlechtem Wetter. Für (Sonnen-)Brillenträger*innen empfiehlt sich auch ein Brillenband – nicht gerade sexy, aber das ist deine Brille auf dem Boden des Tegernsees auch nicht. Decathlon hat leider ein unschlagbares Preis-Leistungsverhältnis bei Segelausrüstung, wenn du etwas Nachhaltigeres suchst, lohnt sich ein Blick auf e-Bay Kleinanzeigen.
6. Lies das Kleingedruckte
Die Prüfung findet in der Schule deiner Wahl statt, um deine Anmeldung musst du dich aber selbst kümmern. Das System dabei könnte symbolisch für die Digitalisierung Deutschlands stehen: Über die Seite des Prüfungsausschusses kannst du dich zwar online anmelden, musst aber trotzdem deine Unterlagen postalisch zum jeweiligen Prüfungsausschuss schicken und das mindestens eine Woche vor dem Prüfungstermin. Wenn du deinen Termin im Online-Formular auswählst, ist es wichtig, Ort und Zeit sofort zu notieren. Du wirst keine Terminbestätigung bekommen und glaube mir, du willst nicht telefonisch nachfragen. Ein anderer oft übersehener Punkt ist, dass das „Ärztliche Zeugnis für Sportbootführerschein-Bewerber“ schon mit dem Antrag mitgeschickt werden muss. Plane auch dafür Zeit ein, überraschend wenige Ärzt*innen stellen diese Bescheinigung aus. Wenn deine Segelschule eine*n Amtsärzt*in dafür einlädt, nimm den Termin wahr!
7. Ruhe bewahren während der Prüfung
Wenn du es geschafft hast, die Bürokratie zu besiegen und auf dem Prüfungsboot Platz zu nehmen, gilt dasselbe wie in allen Prüfungen: Ruhe bewahren! Denk dran, die Prüfer*innen haben Interesse daran, dass du bestehst. Und sie wissen ganz genau wie aufgeregt viele Schüler*innen in der Prüfungssituation sind. Am besten ist es, vor jedem der fünf bis sechs Manöver, die du in der Prüfung demonstrieren musst, erst einmal tief durchzuatmen. Die meisten Fehler passieren durch Hektik. Und sollte ein Manöver richtig schief gegangen sein, hast du immer einen zweiten Versuch. Vor allem wollen die Prüfer*innen sehen, dass du ein*e besonnene*r Segler*in sein wirst und für dich und andere auf dem Wasser keine Gefahr darstellst. Wenn du die Theorie schon gemacht hast und fit bist, kann dir das auch in der praktischen Prüfung helfen. Denn wenn du auf der Kippe stehst, werden gerne Nachfragen gestellt, die deine Prüfung entscheiden können.
8. Zum ersten Mal allein an Bord
Um erste Erfahrungen als Bootsführer*in zu sammeln, kannst du dir bei Verleihen auf eigene Faust Boote mieten. Bleib aber die ersten Male am besten auf dir bekannten Gewässern. So kannst du dich ganz aufs Segeln konzentrieren und musst dich nicht auch noch mit einem neuen Gebiet beschäftigen. Wenn du neue Gegenden erkunden willst, versuch dich erstmal an kleinere Seen. Die großen – wie der Chiemsee, der Bodensee, das Stettiner Haff oder die Müritz – sind zwar wunderbare Reviere, aber sie haben ihre Tücken und können Anfänger*innen mit schnell wechselnden Bedingungen und erstaunlich hohen Wellen überraschen. Wo auch immer deine Touren dich hinführen, mach dich vorher mit den örtlichen Regeln vertraut und besorge dir die richtigen Seekarten. Am besten lädst du dir auch die App Navionics herunter und kaufst dort die entsprechenden Bereichskarten. Die App ist so intuitiv, dass du sie auch ohne Navigationskenntnisse bedienen kannst.
9. Boote leihen, mieten, kaufen
Fast an allen Seen kannst du dir Segelboote in verschiedenen Größen mieten. Gerade bei Jollen – auf denen meistens ausgebildet wird – gibt es eine große Auswahl. Das Prinzip der Boote ist ziemlich simpel und es sollte nach einer kurzen Einweisung kein Problem für dich sein, auch unbekannte Bootstypen zu segeln. Wenn du dir mehr zutraust, kannst du ein Schiff über mehrere Tage mieten und deine erste Übernachtung auf dem Wasser planen. Solltest du ein Boot kaufen wollen, hast du die Qual der Wahl, denn der Markt für gebrauchte Boote ist riesig. Als erstes gilt es zu entscheiden, was für eine Art Boot du möchtest. Es gibt super sportliche Boote, mit denen du für Rennen trainierst, Daysailer für Tagesausflüge und Boote mit Kajüten zum Übernachten. Kümmer dich auch vor dem Kauf um einen Liegeplatz, außer du entscheidest dich für ein Boot, das an Land auf einem Trailer stehen kann. Für Wasserwanderungen brauchst du ein Boot mit Mastlege-Vorrichtung, um unter den Brücken in Kanälen und Flüssen durchfahren zu können. Wenn du dir ein Boot ausgesucht hast, lass es unbedingt vor dem Kauf von einem Gutachter überprüfen. Bei Booten sind die jährlichen Instandhaltungskosten nicht zu vernachlässigen.
10. Erste Törns mit Skipper*in
Wenn du dann raus aufs Meer willst, solltest du ersten Trips auf hoher See mit einem*r professionellen Skipper*in machen. Auch hier gibt es viele Anbieter, bei denen du die unterschiedlichsten Reisen planen kannst. Ob Schwerwettertörn auf der Nordsee, Einsteiger-Wochen auf der Ostsee oder das erste Mal von einem Segelschiff vor Anker ins Mittelmeer springen – die Möglichkeiten sind so grenzenlos wie das Meer selbst. So kannst du in sicherer Atmosphäre deine Segelkenntnisse vertiefen und auch erste Schritte in Sachen Törnplanung und Navigation machen. Zwar darfst du mit dem See-Schein jede große Yacht in Europa chartern, aber um die Verantwortung für Schiff und Crew tragen zu können, braucht es mehr als nur Prüfungswissen.
11. Skipper*innen-Versicherung abschließen
Du bist soweit, dich als Kapitän*in hinters Steuerrad zu stellen? Dann schließe unbedingt eine Skipper*innen-Versicherung ab. Die fangen schon bei 100 Euro im Jahr an. Es gibt einige spezielle Bootsversicherer wie Pantaenius, aber auch andere große Versicherungen wie Helvetia oder Gothaer bieten Skipperversicherungen an. Dabei sind nicht nur du und dein Boot versichert, sondern es werden auch Schäden an fremden Booten übernommen – bis in Millionenhöhe. Ein Gedanke, der hilft, wenn du das erste Mal in eine viel zu enge Box zwischen italienischen Luxusyachten einparken musst.