Wie ist es eigentlich, als Liftwart in einem Skigebiet zu arbeiten?

© Sonja Koller

In unserer Reihe „Wie ist es eigentlich…?“ stellen wir die Tourismusbranche aus einer anderen Perspektive vor. Wir schauen hinter die Kulissen und begleiten Menschen bei ihrer Arbeit. Wie sieht der Alltag von Fernbusfahrern aus, wie hält sich ein Liftwart warm und was machen Security-Kontrolleure am Flughafen eigentlich den ganzen Tag?

9.30 Uhr und die Pisten sind leer. Nicht eine einzige Person zieht frische Spuren durch den perfekt präparierten Schnee. Am Fuße des Berges bleiben die Schranken zum Lift stumm. Während in den Alpen um diese Zeit schon längst Hochbetrieb herrscht, stehe ich in Norwegen alleine an der Talstation. Hier, in Vaset Skiheiser, einem von sechs kleinen Skigebieten auf der Hochebene Valdres, treffe ich Olav. Er sorgt täglich dafür, dass die Ski- und Snowboardfahrer*innen sowie Rodler*innen auf den Berg kommen.

Skifahren im "modernsten" Land der Welt 

Norwegen. Das ist für mich ein Land, das immer ein paar Schritte voraus ist – natürlich auch in Sachen Technik und alltäglichem Komfort. Doch beim Anblick der Lifte fühle ich mich in die Vergangenheit versetzt. Zwei schlichte Tellerlifte führen nebeneinander vom Parkplatz auf den Gipfel des Hügels, von dort kann man noch einen Schlepplift erreichen, mit dem immerhin zwei Sportler*innen gleichzeitig nach oben befördert werden. Ein überschaubares Skigebiet – trotzdem wirkt Olav ganz und gar nicht, als würde ihm langweilig werden. Er betreibt nicht nur den Skilift, sondern ist hier am Berg auch Chef und sozusagen Mann für alles.

Wie ist es eigentlich als Liftwart zu arbeiten Norwegen
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Wie ist es eigentlich als Liftwart zu arbeiten Norwegen
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Als ich ihn um halb zehn treffe, wuselt er zwischen dem Lift und der Holzhütte dahinter hin und her. Von den Monitoren im kleinen Büro – die alles andere als neueste Technik sind – sieht er, wessen Liftkarte gerade gescannt wird. Bis der erste Gast einen Teller zugeschoben bekommt, wird es aber noch etwas dauern. 

Die erste Frau, die im Schnee auftaucht, hat keine Alpin- sondern Langlaufskier angeschnallt. „Meine Tante“, erklärt Olav. Dann zeigt er nach oben auf den Berg und zu einer Holzhütte, die etwa hundert Meter über dem Lift steht. Sie wird von seiner Schwester und deren Mutter betrieben. Auf meine Frage, warum kurz vor zehn noch immer niemand in Sicht ist, der oder die den Lift benutzen will, hat er eine einfache Antwort: „Die müssen ja noch frühstücken.”

Um zehn leuchten die Lichter grün 

Olav isst sein Frühstücksbrot im Gehen. Bevor Gäste durch die Schranken gelassen werden, muss er noch einiges testen: Bremst der Lift schnell genug ab, wenn er die Notbremse drückt? Liegt das Band, auf dem die Teller transportiert werden, auch genau in der Mitte? Leuchten alle Lichter grün? Zwei bis drei Mal pro Saison, so erzählt er, seien Kabel oder deren Verbindungsstücke kaputt, das könne er dann aber vor Ort selbst reparieren.

Wie ist es eigentlich als Liftwart zu arbeiten Norwegen
© Sonja Koller
Wie ist es eigentlich als Liftwart zu arbeiten Norwegen
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Die ersten Gäste sind Kinder, fast alle von ihnen kommen alleine. Meist haben die kleinen Gäste mehr Angst vor einem solchen „alten“ Lift als Erwachsene, erzählt der Profi. Häufig sei ihnen die Mechanik des Lifts rätselhaft: Denn wenn man sich auf einem Tellerlift so entspannt hinsetzt, wie man es von Sesselliften gewohnt ist, fällt man raus. Hier unten muss Olav den Lift aber selten stoppen, öfters zieht er die Notbremse, wenn oben jemand nicht rechtzeitig aussteigt oder dort hinfällt. Ungefähr fünfmal täglich passiert das.

Wann wird's im Skigebiet wirklich gefährlich?

Schwere Unfälle sind in dem kleinen norwegischen Skigebiet, das gut drei Autostunden von Oslo entfernt ist, äußerst selten. An den letzten großen Unfall kann Olaf sich gar nicht mehr erinnern. Die meisten Verletzungen entstehen dadurch, dass Urlauber*innen in einen der Masten fahren. Olav wirkt zwar geschäftig und unter Strom, strahlt auf seine Art aber auch eine nordische Ruhe aus. Ihn scheint nichts so schnell aus der Fassung zu bringen. Was ihn aber nervt, so erzählt er, sind Snowboardfahrer*innen, die noch nie auf dem Board gestanden haben und es beim Einsteigen in den Lift erstmals probieren. Wenn sie immer wieder aus dem Lift fallen und den Verkehr aufhalten, gibt er ihnen noch eine Chance; sonst müssen die Anfänger*innern erst auf einem Hügel üben, wie man auf dem Snowboard steht – oder warten, bis am Lift weniger los ist. Auch Schlangenlinien zu fahren wird von Olav gar nicht gerne gesehen.

Wie ist es eigentlich Liftwart Norwegen Sonja Koller21
© Sonja Koller
Wie ist es eigentlich als Liftwart zu arbeiten Norwegen
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Als ich morgens durch die Schneelandschaft zum Skigebiet gestapft bin, war meine brennendste Frage, ob ihm zwischendurch auch mal langweilig wird. Sie Olav jetzt zu stellen, fühlt sich fast lächerlich an. Denn so viel, wie er hin- und herläuft, ist klar: Hier gibt es immer genug zu tun. Er redet am Lift kurz mit Gästen, hilft beim Skiverleih aus, wenn er eine Sekunde Zeit hat, und um etwa 11.30 Uhr verdoppelt sich seine Arbeit: Dann startet der zweite Tellerlift, der parallel zu dem anderen verläuft. So sollen doppelt so viele Menschen in der gleichen Zeit auf den Berg kommen.

Die Lifte sind so nah aneinander, dass die Insassen sich High fives geben können. Nachdem Olav die ersten Bügel ausgegeben hat, hüpft er auf den Skido – und nimmt mich kurzerhand mit. Mit dem Snowmobil fährt er die Strecke des neuen Liftes entlang, schaut dabei immer wieder nach oben zu den Liftstangen und checkt, ob alles reibungslos läuft. Er fährt schnell und relativ nahe an den Sportler*innen vorbei. Ich kralle mich mit aller Kraft an dem Sitz fest und bin etwas überrumpelt von der actionreichen Fahrt. Olav weiß, dass das das Gefährlichste an seinem Job ist. Deswegen, so erzählt er mir, braucht man für den Skido einen eigenen Führerschein.

© Sonja Koller

Das Geheimnis für Kälteresistenz 

Besonders kälteresistent musst du für den Job übrigens nicht sein, zumindest wenn man Olav Glauben schenkt. Ihm, so erzählt er, ist hier nie kalt, er muss sich auch nicht extra bewegen, um warm zu bleiben. Sein Geheimnis: warme Wollsocken.

Eine Dreiviertelstunde vor Liftschluss streikt einer der beiden Parallell-Lifte plötzlich. Um den Lift wieder zum Laufen zu bringen, muss Olav mit einer langen Leiter auf den Lift hinauf – und dafür warten, bis keine Gäste mehr im Skigebiet sind, um ihn zu stören. Heute schließt er die beiden verbliebenen Lifte also pünktlich um 16 Uhr. Manchmal, so sagt er, lässt er die Lifte aber noch etwas länger laufen, wenn sich die Sportler*innen tagsüber wegen eines längeren Liftstopps nicht so auspowern konnten wie normalerweise.

Wie ist es eigentlich als Liftwart zu arbeiten Norwegen
© Sonja Koller
Wie ist es eigentlich als Liftwart zu arbeiten Norwegen
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Der Job des Liftwarts im Sommer

Am Ende des für mich erstaunlicherweise ereignisreichen Tages muss ich dann aber doch noch wissen, was Olav eigentlich im Sommer macht. Der Norweger schmunzelt und sagt: „Die Leute denken immer, Liftfahren bedeutet nur, einen Knopf zu drücken. Aber es ist viel mehr.” Im Sommer dreht sich bei ihm alles um Wartung: Er repariert kaputte Teller, kontrolliert alle Kabel, tauscht Öl, Filter und Bänder aus. Außerdem muss alle drei Jahre der Motor des Lifts ausgetauscht werden und erst kürzlich musste er den ganzen Lift abmontieren und durchleuchten lassen. In den warmen Monaten tauscht Olav außerdem Pistenraupe gegen Traktor und fällt Bäume, die auf den Pisten nachwachsen. Liftwart ist auch ohne Schnee ein Vollzeitjob.

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