Wie ist es eigentlich, bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen zu arbeiten?
In unserer Reihe „Wie ist es eigentlich…?“ stellen wir die Tourismusbranche aus einer anderen Perspektive vor. Wir schauen hinter die Kulissen und begleiten Menschen bei ihrer Arbeit. Wie sieht der Alltag von Fernbusfahrern aus, wie hält sich ein Liftwart warm und was machen Security-Kontrolleure am Flughafen eigentlich den ganzen Tag?
Jeden Tag mit Menschen zusammenarbeiten, die in den Urlaub fliegen. Das klingt nach guter Laune, Hawaii-Hemden und Sonne. Aber nicht für alle am Flughafen. Ich wollte wissen, wie die Arbeit am Flughafen eigentlich wirklich ist und habe beim BER hinter die Kulissen der Sicherheitsfirma Securitas geschaut.
Der Tag an der Sicherheitskontrolle beginnt für mich und die Mitarbeiter*innen genau dort. Aber in einer Schlange, die du noch nie gesehen hast und in der sonst nur Flugbegleiter*innen und Pilot*innen stehen. Kontrolliert werden sie von einer anderen Sicherheitsfirma, um Sicherheitslücken zu umgehen. Hier darf ich zwar meine volle Wasserflasche mitnehmen, muss aber meine Fingerabdrücke scannen lassen.
Sehen Sie mich nackt?
Nach dem Sicherheitsbereich ist vor dem Sicherheitsbereich: Ich bin wieder auf bekanntem Terroir. Jetzt aber mit Patrick Hascher von Securitas, der selbst lange hinter den Monitoren stand und mir erzählt, was Arbeiten an der Sicherheitskontrolle eines Flughafens bedeutet. An einer Station, die hier “Linie” genannt wird, arbeiten Gruppen von fünf bis sieben Personen. Die Person auf Position eins übernimmt die Aufgabe, Passagier*innen bei der richtigen Aufteilung ihres Gepäcks und der Kleidung zu assistieren, bevor diese in die Maschine geschickt wird. “Je mehr Fehler hier gemacht werden, desto länger dauert es hinten", sagt Patrick. Weil viel Kontakt mit Reisenden hier aber oftmals viel Stress bedeutet, ist es die unbeliebteste Position.
Drei Personen sind für die Körperkontrolle zuständig. Jeweils ein Mann und eine Frau tasten Passagier*innen ab, eine weitere Person moderiert die Nutzung des Körperscanners, der vielen Gästen nicht geheuer ist. Patrick erzählt, dass das Gerät immer noch viele irritiert: Sie denken, Beamte würden sie nackt sehen oder vermuten, es handle sich um ein Röntgengerät und fürchten sich vor kosmischer Strahlung.
Wenn es an der Sicherheitskontrolle gefährlich wird
Währenddessen kontrolliert die fünfte Person der Linie das Gepäck im Scanner. Was sich auf ihrem Bildschirm befindet, würden die wenigsten wohl auf den ersten Blick erkennen: Metal wird grün angezeigt, der Rest blau. Um hier zu arbeiten, sollte man also keine Rot-Grün-Sehschwäche haben, wie Patrick sagt. Die Beamtin, über deren Schulter ich schauen kann, zeigt auf Vierecke verschiedener Größe und weiß genau, was ein E-Reader und was eine Powerbank ist. Ein Job am Computer, der provoziert: Während unseres Gesprächs werden wir von zwei jungen Reisenden aggressiv angeschrien. Sie würden ihren Flug verpassen, weil wir uns so viel Zeit ließen. Dabei kann die Person am Monitor gar nicht viel an der Geschwindigkeit ändern. Sie bekommt ein Bild, scannt es in wenigen Sekunden, und gibt ihre Antwort an die Maschine weiter.
Damit Situationen wie diese nicht eskalieren, gibt es regelmäßig ein Anti-Aggressionstraining für alle Mitarbeiter*innen. Im Ernstfall hilft die Polizei. Ist etwa ein Messer länger als erlaubt oder die Maschine zur Sprengstoffkontrolle schlägt aus, leuchtet eine Lampe an der Linie blau und die Polizei kommt. Das passiert an diesem Vormittag einer blonden Frau in den 50ern. Wie immer wird in diesem Fall eine zweite Sprengstoffprobe im Gürtelbereich genommen. Warum? Weil die Hände im Laufe des Tages immer an dieser Stelle vorbeikommen, spätestens, wenn man sich die Hose für den Toilettengang aus- und anzieht. Der Sprengstofftest fällt positiv aus und die gelbe Lampe geht an. Das bedeutet nun offiziell: Unterstützung wird angefordert, die Polizei ist jetzt in Alarmbereitschaft und übernimmt. Falls hier wirklich ein potenziell gefährliche*r Reisende*r steht, muss sie einschreiten. Die blonde Frau beantwortet jetzt den Fragebogen der Polizei. Wer etwa in der Apotheke arbeitet, erklärt Patrick, kommt häufig mit Substanzen in Berührung, die die Maschine ausschlagen lassen. Das könnte hier der Fall sein; die Frau darf nach wenigen Minuten neben dem Rollband jedenfalls gehen.
Die Prüfer*innen werden geprüft
Schickt ein*e Passagier*in potenziell Gefährliches durch die Kontrolle oder ist aggressiv, drücken die Beamten im Notfall einen Knopf, der sich unter dem Band befindet, und schreien „Feststellung“. Auch dann übernimmt die Bundespolizei. Manchmal aber steht die Polizei auf der anderen Seite und prüft die Prüfer*innen. Inkognito schicken sie Auffälliges durch die Kontrolle. Werden die Gepäckstücke oder Personen nicht rausgefiltert, hat das für das Sicherheitspersonal arbeitsrechtliche Konsequenzen.
Außerdem steht alle fünf Jahre eine Zuverlässigkeitsprüfung an. Die Mitarbeiter*innen von Securitas werden gründlich durchleuchtet, ihr Wohnort besucht und Freund*innen und Familie befragt. Dabei wird nach auffälligen politischen Gesinnungen oder unerwünschtem Engagement gesucht, auch Rocker-Gruppierungen seien laut Patrick ein schwieriges Thema. Aber nicht nur als Ergebnis der Überprüfung kann das Arbeitsverhältnis von einem auf den anderen Tag beendet werden. Jederzeit kann die Lampe während des Dienstes rot aufleuchten und eine Person ohne Warnung freigestellt werden.
Das passiert in der Kofferkontrolle
Nicht nur Personen werden kontrolliert, auch Koffer werden durchleuchtet. Dafür navigiert Patrick uns in Richtung Keller des BERs und verrät mir ein Geheimnis: Alle Fenster des BERs, die runde Bullaugen haben, sind für das Personal gedacht. Sieben Türen und drei Treppenaufgänge später stehe ich mit einer gut gelaunten Mannschaft zusammen. Gerade erst haben sie zwei Stunden Passagier*innen kontrolliert, jetzt sind sie zwei Stunden hier unten. Den Wechsel durchlaufen sie während der achtstündigen Schicht mehrmals, damit es abwechslungsreich bleibt.
Auf dem Bildschirm ploppt ein verwirrendes Bild auf. Es zeigt das Innere eines Koffers mit veränderten Farben und mehreren Quadraten und Kreisen. Es taucht hier nur auf, weil in der Vorselektierung Auffälliges erkannt wurde. Jetzt hat der Mitarbeiter vor mir wenige Sekunden Zeit, um es einzustufen. Unser Gespräch unterbricht er abrupt und fährt mit der Maus jeden Zentimeter des Bildes ab. Lange Zeit zum Überlegen hat er nicht, mir zeigt er aber schnell Tiefkühlfleisch, Schinken und Hühnchen. „Der geht sicher nach Istanbul.” Und tatsächlich: Der Koffer ist dem türkischen Flughafen zugeordnet. Die Flüge nach Istanbul sind unter Kolleg*innen beliebt, sagt er. “Da findet man immer Lustiges!” Tiefkühlware winkt er durch, es sind vor allem Powerbanks, die er und seine Kolleg*innen suchen. In etwa jedem vierten Koffer finden sie die externen Batterien, die man nur im Handgepäck mitnehmen darf.
Koffer-Knacker am Werk
Ist das der Fall, wird der Koffer über Fließbänder in die nächste Prüfungsstufe geschickt. Einen Stock tiefer kommt er live und in Farbe bei Kolleg*innen an. Sie können ihn nun drehen und wenden und so Scans aus neuen Perspektiven bekommen, um sich absolut sicher zu sein, was das auffallende Objekt ist. Stufen sie es immer noch als gefährlich ein, wandert der Koffer in die nächste Sicherheitsstufe und wird geöffnet. Drei Angestellte schauen sich dort nochmal Scans an und öffnen den Koffer, um das verbotene Objekt zu entfernen. Am Bildschirm ist jetzt eine externe Batterie markiert. Als der Koffer geöffnet wird, kommen unter den dutzenden Plastiktüten aber noch andere verbotene Gegenstände zum Vorschein. Auch sie werden entnommen, ein entsprechender Hinweis hinterlassen, der Koffer wieder geschlossen und zurück aufs Fließband und ins richtige Flugzeug geleitet.
Am Boden bleiben, während andere abfliegen
Hinter den Kulissen des BER geht es ernüchternd zu. Zur Pause stehen dem Sicherheitspersonal Aufenthaltsräume zu, in denen während meines Besuchs gähnende Leere herrscht. Um die fensterlosen Räume mit Mikrowelle zu erreichen, muss man von der Sicherheitskontrolle für ein paar Minuten durch das Flughafenlaybrinth gehen. Dazu motiviert scheinbar auch das Bild vom Sonnenuntergang über dem Meer nicht, dass an der Wand klebt. Im Sommer könnte das Sicherheitspersonal die Pausen auch im kleinen Außenbereich verbringen, wo die Palmen noch in Plastik eingepackt sind.
Mittags stehen die Mitarbeitenden der Sicherheitskontrolle vor dem gleichen Dilemma wie die Fluggäste am BER: Wer einmal im „Food Court“ hinter dem Duty-Free-Bereich gewesen ist, weiß, dass die Auswahl nicht groß ist, besonders wenn man sich abwechslungsreich und gesund ernähren will. Die Kantine für das Sicherheitspersonal ist so weit entfernt, dass sie die Pause nur mit hin und her hasten verbringen würden. Sie essen also auch überteuerte Currywurst oder “Asia-Nudeln”. Ein paar Prozente Rabatt bekommen sie wenigstens.
Wer im Reich der Passagier*innen Pause macht, bietet Angriffsfläche. Oft wird das Sicherheitspersonal hier beim Mittag- oder Abendessen angesprochen, irgendwo muss man dem Ärger über Wartezeiten, Flugverspätungen oder dem verwirrenden Flughafen ja Luft machen. Das Sicherheitspersonal aber steht sowieso ständig unter Stress. Eine Hochsaison, wie früher, gibt es nicht mehr, erzählt Patrick. Jetzt ist 356 Tage im Jahr Hochsaison. Aber: Die Linien sind nun mit fünf Personen ständig unterbesetzt und zum Alltag gehört nicht nur der ständige Kontakt mit nervösen Reisenden, sondern auch Hintergrund-Checks, praktische und Bilderkennungtests. Rutscht etwas durch, fliegt man. Aber nicht nach Mallorca.