Future Travel – Wie können Festivals nachhaltiger werden?

© Kerstin Musl

In unserer Reihe  "Future Travel" beantworten wir spannende Fragen zum Thema Nachhaltigkeit im Tourismus und wie wir in Zukunft reisen werden. Kann Massentourismus nachhaltig sein? Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf unser Reiseverhalten? Worauf sollte ich bei der Kompensation meiner Reise achten? Welche alternativen Reisemodelle gibt es? Diesen und vielen weiteren Fragen gehen wir mit diesem Format auf den Grund. Hast du selbst eine interessante Frage zum Thema? Dann schreib uns an [email protected].

Neustart der Festivalsaison

Endlich wieder Festivals – nach zwei Jahren Pause fanden in den letzten Wochen wieder die ersten großen Musikevents wie Rock am Ring statt. Für das Tomorrowland in Belgien, das größte Festival der Welt, werden dieses Jahr 600.000 Besucher*innen erwartet. Auch andere europäische Festivals wie das Glastonbury in Großbritannien ziehen jedes Jahr Tausende Partyfreudige und Musikbegeisterte aus der ganzen Welt an. Festivals sind also ein wichtiger Bestandteil des Kulturtourismus und auch wir feiern unglaublich gern mit unseren Freund*innen und Hunderten anderen Gleichgesinnten zu unseren Lieblingsbands.

So schön Festivals auch sind, sie stellen aber leider oft eine ganz schöne Umweltbelastung dar. Vielleicht hast du selbst schon mal die Berge von Müll, zurückgelassenen Zelten und Campingequipment nach einem Open-Air-Event gesehen? Von der Anreise über die Verpflegung bis hin zur Stromversorgung – all das verbraucht unheimlich viel Energie und produziert reichlich Müll. Oftmals finden Festivals zudem in weniger erschlossenen Gebieten statt: Stillgelegte Flughäfen, alte Tagebaugebiete oder auf Landflächen fernab von geregelter Infrastruktur sind häufig Schauplatz für mehrtägige Musikveranstaltungen. Dort müssen die Camping- und Gastronomie-Infrastruktur, das Bühnenbild, die Elektronik sowie Sanitäranlagen inklusive Wasser und Abwasser organisiert und aufgebaut werden. 2019 wurden laut der Stadt Nürnberg beim Festival Rock im Park rund 300 Tonnen Abfall hinterlassen, ein großer Teil davon waren Billigzelte. Da stellt sich mir die Frage: Gibt es überhaupt nachhaltige Festivals?

Festivalmüll, Festivals, Umweltbelastung
© Pixabay

Fokus auf nachhaltige Festivals

Um das Thema Nachhaltigkeit auch in der Festivalbranche immer mehr zu etablieren, gibt es verschiedene Projekte, die sich für umweltfreundliches Verhalten auf Musikgroßveranstaltungen einsetzten. Eine Initiative ist beispielsweise die Sound For Nature Foundation, die gemeinsam mit dem Bundesamt für Naturschutz entstanden ist. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die Natur und Umwelt auch im Kontext von Musikevents in den Mittelpunkt zu stellen. Festival-Veranstalter*innen können sich, wenn sie bestimmte Umweltkriterien erfüllen, als “Sounds of Nature Festival” zertifizieren lassen, wie es das Deichbrand oder Taubertal Festival bereits getan haben. Dabei hat der Verein klare Aufgaben definiert, unter anderem: 

  1. Die Erarbeitung/Durchführung von ressourcenschonenden Maßnahmen. Besonderer Fokus liegt dabei auf der Abfallvermeidung und -beseitigung. 
  2. Müllvermeidung und Mülltrennung 
  3. Vermeidung von CO₂-Emissionen 
  4. Verkehrs- und Transportmanagement 
  5. Umweltkommunikation

Mit klaren Guidelines können Veranstalter*innen besser die Kernpunkte von nachhaltigen Events nachvollziehen und bestimmte Bereiche selbst verbessern.

nachhaltige Festivals, Flow Festival, Helsinki
© Marit Blossey

Neben dem Sound-of-Nature-Label wird der Green Operations Award für die grünsten Festivals verliehen. Das Open Air in St. Gallen ist seit 2019 dank Kompensation sogar ein komplett klimaneutrales Festival und wurde 2020 als grünstes Festival in Europa ausgezeichnet. Die Sanitäranlagen wurden komplett umgestellt, auf Chemie wird weitestgehend verzichtet und der Strom wird von Ökostromanbietern bezogen. Um die Abfallmenge auf dem Gelände zu reduzieren, wurde 2019 ein Zeltdepot eingerichtet. Das heißt, die Besucher*innen mussten 16 Schweizer Franken als Pfand hinterlegen, die es erst zurückgibt, wenn das eigene Zelt auch wieder mitgenommen wird. Das zeigte erste Erfolge: Die Rückgabequote lag bei 92 Prozent. Mit der Verwendung von Mehrwegbechern soll Plastikmüll vermieden werden und um die Regionalität der Lebensmittel zu sichern, wird beispielsweise nur Schweizer Fleisch angeboten. Das Fusion Festival in Mecklenburg-Vorpommern verzichtet sogar komplett auf Fleisch und bietet ausschließlich vegetarische beziehungsweise vegane Gerichte an. 

Doch nicht nur das Verhalten auf dem Festivalgelände ist wichtig, denn auch die Anreise kann ganz schön auf das eigene CO₂-Konto schlagen. Deswegen wird für Partyfreudige, die nach St. Gallen kommen, 50 Prozent Rabatt auf die Anreise mit dem Zug angeboten und generell stehen auf dem Festivalgelände weniger Parkplätze zur Verfügung. 2019 kamen so 83 Prozent aller Besucher*innen mit dem ÖPNV. Viele Festivals bieten mittlerweile auch einen Shuttleservice per Bus aus naheliegenden Städten an, denn Busse haben im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln eine gute Ökobilanz.

TIPPS FÜR DEINEN NACHHALTIGEN FESTIVALSOMMER

© Kerstin Musl

Ein Großteil der Verantwortung im Bereich Nachhaltigkeit auf Festivals liegt ganz klar in den Händen der Veranstalter*innen. Trotzdem kannst auch du auf ein paar Dinge achten, um deinen nächsten Festivalaufenthalt nachhaltiger zu gestalten. Sofern eine Anreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln möglich ist, solltest du auf jeden Fall versuchen, diese auch zu nutzen. Mit dem 9-Euro-Ticket kannst du diesen Sommer auch kostengünstig innerhalb Deutschlands unterwegs sein. Ansonsten versuche, eine Fahrgemeinschaft zu bilden oder schau, ob das Festival einen Shuttleservice anbietet. Pack auf jeden Fall biologisch abbaubare Müllbeutel ein und versuche, den Müll auf dem Festival zu trennen und im Anschluss all deinen Müll wieder mitzunehmen. Mittlerweile kann man auch auf vielen Festivals Wasser in die eigenen Flaschen füllen, so sparst du Plastikabfall. Gute-Laune-Glitzer darf natürlich auch nicht fehlen, doch das besteht leider oft aus Mikroplastik. Mittlerweile gibt es biologisch abbaubaren Glitzer, den du stattdessen kaufen kannst. 

Das sind alles kleine Schritte in eine nachhaltigere Festivalzukunft und so ist eine Zusammenarbeit von uns als Festivalbesucher*in und Veranstalter*innen, die sich für Nachhaltigkeit engagieren müssen, essenziell. So können wir auch zukünftig tolle Festivalsommer erleben, durchtanzen und die Kulturbranche fördern.

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