Mit dem Hausboot über die Spree: So machst du Badeurlaub in Berlin
Das Boot steuert langsam auf den Steg zu, und eigentlich müsste jetzt jemand dem Hafenmeister ein Steil zuwerfen, damit wir anlegen können. Ich kann gerade aber wirklich nicht – denn die Marina in Seddin mit ihren vielen Booten vor dem Sonnenuntergangspink ist so schön, dass ich sie einfach fotografieren muss. Noch während ich auf den Auslöser drücke, denke ich: Niemand wird mir glauben, dass das Berlin ist!
Der Sommer 2023 hat in Deutschland wettertechnisch zu wünschen übrig gelassen. In die letzten warmen Tagen will ich deshalb so viel Sommerferien-Gefühl wie möglich quetschen und alles nachholen, was in den letzten Wochen wortwörtlich ins Wasser gefallen ist. Viele Urlaubstage brauche ich dafür nicht, denn auch in Berlin kann ich mir eine Dosis Badeurlaub holen – und zwar an Bord der Wasserkutsche, einem Hausboot, mit dem ich für 24 Stunden über die Spree schippere.
Von der Oberbaumbrücke in den Badeurlaub
Der Startpunkt des Mikroabenteuers befindet sich im Zentrum von Berlin. In der Nähe der Oberbaumbrücke liegen so einige große und kleine Schiffe vor Anker, ich steuere auf die Hausboote der Wasserkutsche zu. Ein großer Pluspunkt für mich: Die elektrobetriebenen Boote kann man auch ohne Bootsführerschein fahren. Alle fortgeschrittenen Steuermänner- und frauen können sich hier auch das größere, schick designte Hausboot "Rossi" ausleihen. Nach einer Einführung an der Anlegestelle beziehe ich die Version für Anfänger*innen mit drei Freund*innen. Eigentlich haben bis zu sechs Personen auf den Hausbooten Platz, wir vier haben aber das Gefühl, dass es mit zwei weiteren Personen sehr eng an Bord wäre.
Wir haben uns eine Route ausgesucht, die von der Oberbaumbrücke immer in Richtung Osten verläuft. Wir wollen raus aus dem Großstadttrubel und rein ins Grüne. Zuerst geht es vorbei am Badeschiff und den Molecule Men entlang des Treptower Parks zur Insel der Jugend. Hier bietet sich der erste Badestopp an. Wir haben uns aber gerade erst warm gefahren und tuckern weiter entlang des ehemaligen Spreeparks bis nach Köpenick. Spätestens hier fühle ich mich wie im Urlaub. Immer wieder ziehen Ruderteams an uns vorbei, dahinter der Turm des Rathaus Köpenick – und ganz viel Ruhe.
Die Wasserkutsche von innen und außen
Die Größe des Hausboots ist für eine Ein- bis Zwei-Tages-Tour perfekt und macht es uns als Anfänger*innen einfach, zu lenken. Der Elektroantrieb trägt zur Entschleunigung bei und wir drosseln die Geschwindigkeit, um die Batterie möglichst lange ausnutzen zu können. Denn bei voller Geschwindigkeit müssten wir nach zwei Stunden wieder aufladen. Ziemlich praktisch: Der leise Motor sorgt dafür, dass auch Naturschutzgebiete befahren werden können.
Die Hausboote der Wasserkutsche sind mit Handarbeit in einer Berliner Werkstatt gefertigt. Dabei wird darauf geachtet, dass jede Ecke des rund sechs Meter breiten und zwei Meter langen Bootes genutzt wird – unter der Treppe ist zum Beispiel eine einfache Camping Toilette versteckt, die man rausziehen kann, um auf dem Gang sitzend die Notdurft zu verrichten. Das Trinkwasser, an das du vor dem Start der Tour unbedingt denken solltest, kannst du in einem Kühlschrank kühlen. Außerdem gibt es hier sogar einen kleinen Gasherd, einen Kaffeekocher und eine Sitznische, die abends in ein Bett verwandelt werden kann. Die meiste Zeit aber halten wir uns an Deck auf und bräunen uns auf den Thai-Kissen.
Hausboot-Routen in und um Berlin
In Köpenick haben wir die Qual der Wahl: Weiter in Richtung Müggelsee und durch die engen Wasserstraßen von Neu-Venedig oder die unbekanntere Route entlang der Dahme zum Seddinsee. Maria von der Wasserkutsche empfiehlt Zweiteres und einen netten Anleger in der Gegend. Wir beobachten also, wie die Dahme deutlich breiter wird als die Spree und legen zwischen Strandbad Wendenschloss und Strandbad Grünau einen ersten Badestopp ein. Klingt dick aufgetragen, aber die Gegend hier und vor allem die zwei kleinen Inseln Großer Rohrwall und Kleiner Rohrwall erinnern mich an Schweden. Obwohl es ein absoluter Bilderbuch-Sommertag ist, können wir hier ganz alleine baden. Auch der Anleger des Segel-Clubs Seddin e.V. ist wie versprochen ein absoluter Jack-Pot.
Während die Sonne langsam im Wasser verschwindet, zeigt uns der unglaublich freundliche Hafenmeister Sitzmöglichkeiten an Land, Toiletten, Duschen und sogar Waschmaschine und Trockner. Nur sein Berliner Dialekt erinnert noch an die Welt, aus der wir vor fünf Stunden losgefahren sind. Wenn du statt Klein-Schweden eher Lust auf City-Vibes hast, kannst du von der Oberbaumbrücke auch über den Landwehrkanal nach Neukölln fahren. Oder du nimmst dir mehr Zeit und fährst über den Teltow-Kanal zum Wannsee und durch die Gewässer rund um Potsdam oder noch weiter in den Südosten nach Bad Saarow. Für diese Touren solltest du allerdings mindestens vier bis sechs Tage einplanen. Die Wasserkutsche oder kleinere Boote des Anbieters kannst du aber auch für einen Tag mieten: Los geht es dann um zehn Uhr am Steg, die Rückgabe erfolgt gegen 19 Uhr. Mit dem größeren Hausboot “Rossi” startest du in der Nähe der Rummelsburger Bucht.
Als es schließlich dunkel wird, schließen wir unser Hausboot am Strom an und verwandeln es in ein großes Matratzenlager. Klappt man die Treppe ohne Toilette hoch, entsteht eine Fläche, auf der sich meine drei Freund*innen aneinander kuscheln können, ich wähle als Kleinste die umgebaute Sitznische. Obwohl wir an diesem Abend nicht viel Schlaf tanken, nehmen wir am nächsten Tag eine riesige Ladung Urlaubsfeeling mit. Und ich versöhne mich wieder ein bisschen mit dem Berliner Sommer 2023.
Wasserkutsche | Höfe am Osthafen, Schlesische Str. 28, 10997 Berlin | Von Juni bis August 340 Euro pro Tag, sonst 289 Euro. Zwei Tage für 260 Euro bzw. 221 Euro pro Tag. (Am Wochenende minimum zwei Übernachtungen) | Zur Webseite