Ein Dinner der besonderen Art – Zu Gast bei Fremden auf den Färöern

© Charlott Tornow

Die Sonne geht gerade spektakulär hinter der Insel Koltur unter und illuminiert die bunten Häuser des verschlafenen Ortes Velbastaður. Es soll der einzige Sonnenuntergang sein, den ich in meiner sonst verregneten Woche auf den Färöern erlebe. Obwohl ich schon etwas spät dran bin, knipse ich noch ein paar Fotos und laufe quasi rückwärts die Straße hinab in Richtung eines flachen, schwarzen Hauses, in dem ich mein Ziel für den Abend vermute: ein intimes Dinner mit mir komplett unbekannten Menschen. "Heimablídni" bedeutet auf Färingisch so viel wie "Gastfreundschaft zuhause" und ich habe mir genau diese Woche im September für meine Reise auf die Färöer ausgesucht, weil die Hosts des Abends heute ihr letztes Dinner des Jahres veranstalten.

Färöer, Heimablídni
© Charlott Tornow

Die Gastgeber*innen sind Anna und Óli Rubeksen, die in neunter Generation Schafe züchten. Wie viele andere Färinger*innen veranstalten sie regelmäßig ein Heimablídni, einerseits, um ein Einkommen während der Sommermonate zu haben, in denen ihre 300 Schafe auf den weiten Wiesen der Färöer grasen. Andererseits, um mit Menschen aus der ganzen Welt zu connecten und ihnen die kulinarische Welt der grünen Inselgruppe näher zu bringen.

Färöer, Heimablídni
© Charlott Tornow
Färöer, Heimablídni
© Charlott Tornow

Während ich mich frage, ob das schwarze Haus mit dem begrünten Dach wirklich die richtige Adresse ist, steht Óli schon in der Tür und winkt. Mit einem breiten Lächeln und einem festen Händedruck begrüßt er mich und meine Begleitung und bittet uns, die Schuhe auszuziehen. Als ich das große Wohnzimmer mit der offenen Küche betrete, fühle ich mich sofort wohl: Der Raum ist gemütlich, aber stilsicher eingerichtet. Am liebsten würde ich mich auf die Ledercouch legen und durch die großen Fenster das Meer und den Sonnenuntergang beobachten. In der Mitte des Raums steht ein langer, festlich geschmückter Holztisch, den Óli selbst gebaut hat und um den sich bereits die anderen Gäste gruppiert haben. Ich höre Englisch, Französisch, sogar ein bisschen Deutsch – eine bunte, internationale Mischung.

Färöer, Heimablídni
© Charlott Tornow

Anna und Óli veranstalten seit 2013 Heimablídni bei sich zu Hause, den Abend heute könnte man also quasi als Jubiläum bezeichnen. Was klein anfing, hat sich für die beiden mittlerweile zu einer echten Einkommensquelle entwickelt, wie mir Óli erzählt. Von der Schafzucht allein können sie nicht leben und so kommen in der Hochsaison – also in den Monaten Juni bis August, wenn die meisten Tourist*innen auf die Färöer reisen – bis zu 30 Gäste an einem Abend. Ich bin froh, dass wir heute nur 16 Personen sind und ich so alle einmal kennenlernen kann.

Färöer, Heimablídni
© Charlott Tornow

Das nutzt auch Óli aus, der jede*n von uns bittet, sich mit Namen und Herkunftsland vorzustellen – eine gute Strategie, um uns Gäste aufzuwärmen und ins Gespräch miteinander zu bringen. Als wir damit fertig sind, zeigt sich auch Anna das erste Mal, die wohl bisher noch das Essen in der Küche zubereitet hat. Anna kann man als Mastermind hinter dem Essen bezeichnen, denn sie lernte schon als Kind, traditionelle Gerichte zu kochen – und so ist ein Heimablídni-Dinner auch immer eine gute Möglichkeit, echte färingische Küche mit Produkten der Inseln zu probieren. Als wir kulinarisch endlich in den Abend starten, kann ich es vor Hunger kaum noch erwarten. Wir prosten uns mit einem Glas hausgemachten Safts mit Rhabarber aus dem eigenen Garten zu und schmecken die Zutaten des ersten Gangs heraus: eine Suppe mit Karotte, Kohlrabi und Lachs vom benachbarten Fjord.

Färöer, Heimablídni
© Charlott Tornow

Eine echte Besonderheit auf den Färöern ist die Bierbegleitung, die man immer wieder in Restaurants findet und auf die auch Anna und Óli setzen. Auch hier ist hyperlokal das Stichwort: Nur ein paar Meter neben ihrem Haus in Velbastaður stand einst die 1888 gegründete Okkara-Brauerei, die vor ein paar Jahren schließen musste. Die beiden retteten einige Chargen und servieren heute passend zu den Gerichten verschiedene Biere. Ein bisschen ärgere ich mich, dass ich mir ausgerechnet diese Woche als Start meines alkoholfreien Monats ausgesucht habe, aber ich lasse mir von den anderen Gästen die Nuancen von Weißbier, Pils und IPA erklären.

Färöer, Heimablídni
© Charlott Tornow

Der zweite und dritte Gang sind meine persönlichen Highlights. Beim Kabeljau mit Kartoffelspalten, einem perfekten gekochten halben Ei und brauner Butter, die mich an meine Kindheit erinnert, herrscht kollektive Stille am Tisch. Alle schwelgen in dem fein abgestimmten Gericht und ich schaue in glückliche Gesichter. Beim Hauptgang dagegen wird es lauter: Wir reichen uns die zwei großen Holzplatten mit im Ofen geschmorten Gemüse und Schafsfleisch aus der Zucht von Anna und Òli hin und her, in kleineren Schüsseln befinden sich Salat mit Rotkohl, Apfel, Rosinen und Knoblauch. Óli erklärt, dass das ein Mahl für spezielle Anlässe sei und ich habe wirklich das Gefühl, Teil einer großen Familie zu sein, die was zu feiern hat.

Färöer, Heimablídni
© Charlott Tornow
Färöer, Heimablídni
© Charlott Tornow

Als das Dessert aus hausgemachtem Rhabarberkompott mit Haselnuss-Granola aus dem Ofen und einer Art Quark serviert wird, bin ich fast traurig, bald gehen zu müssen. Die drei Stunden in dem Haus von Anna und Óli vergingen wie im Flug, was vor allem auch an den anderen Gästen lag, die alle die gleichen Qualitäten mitgebracht haben: eine Liebe für gutes Essen und das Interesse, sich mit neuen Menschen zu connecten. Im Prinzip genau das, was eine Reise in fremde Kulturen und Länder ausmacht.

Das Dinner bei Anna und Óli kannst du hier buchen. Weitere Heimablídni-Angebote auf den Färöern findest du auf der Seite von Eat Local und bei Visit Faroe Islands.

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