Hoch hinaus in der Kälte: Nervenkitzel beim Eisklettern im Zillertal
Ich hänge in 16 Metern Höhe und konzentriere mich auf die türkis glänzende, gefrorene Wand des Wasserfalls vor mir. Die Kälte auf 2200 Höhenmetern lässt meinen Atem gefrieren, während mir gleichzeitig vor Anstrengung Schweiß die Stirn hinunter läuft. Mit allen Vieren – oder genauer gesagt: mit zwei Steigeisen an den Füßen und zwei Eispickeln in den Händen – hänge ich an einem wie in die Landschaft gemalten Eisfall, dessen Schönheit ich gerade nur wenig wertschätzen kann. Während ich versuche, das Gleichgewicht zu halten und den Schmerz in Armen und Beinen zu ignorieren, hole ich aus und schlage mit voller Wucht die Eispickel über mir in die Wand. Ich ziehe mich ein letztes Mal nach oben und kollabiere erschöpft auf dem mit Schnee bedeckten Plateau des Eisfalls. Geschafft!
Als ich das erste Mal von Eisklettern gelesen habe, war ich sofort angefixt: Die Sportart entstand bereits in den 1980er-Jahren, ist bei Winterurlauber*innen aber noch immer recht unbekannt. Gesichert und mit Steigeisen und Eispickeln ausgerüstet, klettert man an gefrorenen Wasserfällen und Eiszapfen in die Höhe und seilt sich am Ende, wie beim gewöhnlichen Toprope-Klettern, wieder ab.
Klettern kann ich, Winter mag ich – eine Kombination aus beidem schien mir wie eine fantastische Abwechslung in meinem letzten Winterurlaub im österreichischen Zillertal. Wie in fast allen Wintersportregionen gibt es auch im Zillertal von Dezember bis März jede Menge Möglichkeiten, Eisklettern auszuprobieren – während meiner Recherche hatte ich mich aber schnell in einen besonderen Spot verliebt: ein versteckter Wasserfall am Tuxer Ferner, ein riesiges Gletschergebiet mit zahlreichen Skipisten.
Zu dem versteckten Wasserfall, der den lustigen Namen Spannagel Gully trägt, muss man allerdings durch den Tiefschnee fahren. Also treffen meine Begleitung und ich unseren Guide für den Tag, Benni Bliem, um 8.30 Uhr an der Talstation des Gletschers. Bliem hat seine Ausbildung zum staatlich geprüften Berg- und Skiführer 2015 abgeschlossen und bietet seitdem ganzjährig verschiedene Wander-, Ski- und Klettertouren an. Bevor es hoch auf den Gletscher geht, zeigt mir Bliem das Equipment, das ich zusammen mit meinen Wanderschuhen in einen großen Rucksack verstaue.
Mit zwei Gondeln geht es direkt hoch auf über 2000 Meter. Wir fahren ein kurzes Stück auf der Skipiste, bevor wir nach rechts auf das unpräparierte Gelände einbiegen. Da ich vorher noch nie durch Tiefschnee gefahren bin, tue ich mich schwer mit der Koordination der Skier und wünsche mir kurz, ich hätte doch die leichter zugängliche Tour im Osten Tirols gewählt, von der mir Bliem noch einen Tag vorher erzählte. Aber nach zehn Minuten kommen wir unversehrt am 80 Meter hohen Wasserfall an, der sich wie eine schüchterne Schönheit in einer Felsspalte versteckt und nach unten in ein schneebedecktes, beeindruckendes Plateau übergeht.
Am Fuße des Eisfalls stellen wir unsere Skier ab, schlüpfen von den Skischuhen in die Wanderschuhe und legen das Equipment an. Bliem erklärt mir die Technik des Eiskletterns: Während man die Steigeisen gerade ins Eis hauen und die Füße entspannt nach unten hängen lassen soll, holt man mit angewinkeltem Arm aus und schlägt den Eispickel mit vollem Oberkörpereinsatz in die gefrorene Wand. Leichter gesagt, als getan. Während Bliem mühelos den Eisfall hochklettert, um die Sicherungen für unseren Aufstieg anzubringen, hänge ich schon nach zehn Minuten wie ein nasser Sack in den Seilen.
Ich habe Mühe, die Pickel kontrolliert ins Eis zu schlagen; mein linker Arm schlackert wild umher, sodass ich Schlag um Schlag mein komplettes Gewicht mit dem rechten Arm halten muss. Währenddessen rutsche ich immer wieder mit den Steigeisen an der Wand ab. In den Seilen hängend mich wieder an der Wand hochzuarbeiten, fällt so nur noch schwerer, sodass ich frustriert und abgekämpft aufgebe. Meine Begleitung kommt zwar bei seinem ersten Versuch ein paar Meter höher, aber auch ihn verlässt die Kraft relativ schnell. Wir merken, dass Technik beim Eisklettern wirklich alles ist und dass man mit schierem Krafteinsatz nicht weit kommt. Also versuchen wir es nochmal und nochmal – und schaffen beim dritten Versuch endlich den Aufstieg, während Bliem uns von unten immer wieder Tipps zuruft und uns anfeuert.
Nach knapp drei Stunden am Eis sind wir fix und fertig, aber glücklich über den Erfolg, unseren ersten Eisfall erklommen zu haben. Da wir Bliem für den ganzen Tag gebucht haben, könnten wir unsere Technik noch weiter verfeinern, aber wir entscheiden uns dazu, zurück zum Skigebiet zu fahren und den Rest des Tages auf der Skipiste zu verbringen – eine perfekte Winterabenteuer-Kombination!
Eisklettern im Zillertal
Eisfalltouren werden von Dezember bis März angeboten. Der Spannagel Gully ist mit 80 Metern Höhe und Steilstufen von bis zu 80 Grad ein guter Wasserfall für Einsteiger*innen. Es gibt aber auch leichter zugängliche Eisfälle im Zillertal, für die man keine zusätzliche Skiausrüstung benötigt.
Anbieter von Eisfalltouren im Zillertal
Benni Bliem | 1 Person: 500 Euro, 2 Personen: 260 pro Person | Zur Website | +43 664 75 05 1864 oder [email protected]
Christop Garber | 1 Person: 480 Euro, 2 Personen: 260 pro Person | Zur Website | +43 664 39 77 884 oder [email protected]
Peter Bacher | 1-2 Personen: 480 Euro | Zur Website | +43 664 406 56 50 oder [email protected]
Alpinschule Kopp | Kleinriedstraße 7, 6273 Ried im Zillertal, Österreich | 1 Person: 500 Euro, 2 Personen: 270 Euro pro Person, ab 3 Personen: 190 Euro pro Person | Zur Buchung