Zu Gast im Ökodorf Brodowin: Nachhaltige Landwirtschaft und Tourismus im Einklang

© Anthea Schaap

In unserer Reihe  "Future Travel" beantworten wir spannende Fragen zum Thema Nachhaltigkeit im Tourismus und wie wir in Zukunft reisen werden. Kann Massentourismus nachhaltig sein? Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf unser Reiseverhalten? Worauf sollte ich bei der Kompensation meiner Reise achten? Welche alternativen Reisemodelle gibt es? Diesen und vielen weiteren Fragen gehen wir mit diesem Format auf den Grund. Hast du selbst eine interessante Frage zum Thema? Dann schreib uns an [email protected].

Im Einklang mit der Natur: Leben in einem BIOSPHÄRENRESERVAT

Kurztrips sind bei Reisenden sehr beliebt, aber es muss nicht immer weit weg gehen. Da wir schon lange Fans von Mikroabenteuern sind, wollte ich während eines Kurztrips  etwas über nachhaltige Landwirtschaft erfahren.

Und so ging es für mich in das Ökodorf Brodowin nach Brandenburg, das inmitten des UNESCO Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin liegt. Weltweit gibt es aktuell 727 Reservate, 18 davon befinden sich in Deutschland. Das sind Modellregionen, in denen nachhaltige Entwicklung mit allen ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekten beispielhaft verwirklicht werden soll. Es sind also Gebiete, in denen ein Ausgleich zwischen den Bedürfnissen der Natur und denen der Menschen hergestellt und Ressourcen schonend genutzt werden sollen, sodass sie noch nachfolgenden Generationen zur Verfügung stehen. Im Mittelpunkt steht der Naturschutz mit und durch die Menschen.

© Anthea Schaap

Das Ökodorf Brodowin in der Schorfheide

Im Biosphärenreservat und unweit des ältesten Naturschutzgebiets Deutschlands, dem Plagefenn, befindet sich das Ökodorf Brodowin. Mit rund 1600 Hektar Land ist es einer der größten Demeter-Betriebe Deutschlands. Das Demeter-Siegel ist der höchste Bio-Standard in Deutschland, mit dem ein Betrieb ausgezeichnet werden kann. Für viele landwirtschaftliche Betriebe ist das Ökodorf mittlerweile ein Vorbild, weshalb ich mehr über ihren Ansatz der nachhaltigen Landwirtschaft erfahren wollte.

Vor Ort treffe ich mich mit Jessica Brune, die mich über den Hof führt und erklärt, dass das Ökodorf mittlerweile rund 4000 verschiedene Produkte anbietet: Milch, Käse, Eier, Fleisch, Getreide, Honig, Öl, Obst und Gemüse – das alles wird hier angebaut und hergestellt. Im Hofladen kann man alle Brodowin-Produkte kaufen, wer nicht nach Brandenburg fahren will, kann die Produkte sogar online bestellen und sich bis nach Berlin liefern lassen. 

© Anthea Schaap

Was beinhaltet nachhaltige Landwirtschaft?

Als ich mit Jessica die Milchkuh-Herde passiere, fällt mir sofort auf, dass alle Kühe Hörner haben. Als Stadtkind wusste ich nicht, dass weibliche Kühe, genau wie Bullen, eigentlich Hörner besitzen. Jessica erklärt, dass in konventionellen landwirtschaftlichen Betrieben den Tieren die Hörner fast immer abgebrannt werden, weshalb man kaum weibliche Kühe mit Hörnern zu Gesicht bekommt. In Brodowin dürfen die Kühe so sein, wie sie normalerweise sind.

Idyllisch stehen sie draußen auf einer riesigen Weide direkt am See. Nur wenige Meter weiter, in der Molkerei, werden sie täglich gemolken; daneben befindet sich die Meierei, in der die Milch direkt weiterverarbeitet wird. Hier werden Käse, Milch und Joghurt hergestellt und das alles ohne weite Lieferwege. Leider darf ich aus hygienischen Gründen die Molkerei und Meierei nur von außen anschauen. Aber dadurch, dass alles verglast ist, kann jede*r, der*die den Hof besucht, genau sehen, wie alles funktioniert. Deswegen ist der Ort hier auch als “Gläserne Molkerei” bekannt. Beim Anblick der großen Maschinen kommt mir direkt der Gedanke: Das muss doch unheimlich viel Energie verbrauchen? Aber Jessica erklärt, dass die auf den Dächern installierten Solaranlagen den gesamten Energiebedarf des Hofes decken. Dabei werden 140 Tonnen CO₂ pro Jahr eingespart. 

Auf Eiersuche im Hühnermobil

Nach dem Besuch bei den Kühen geht es weiter zu den Hühnern. Die Hühnerställe sind mobil, das heißt, anstatt der konventionellen Hühnerhallen, stehen alle Ställe auf Rädern. Damit haben die Tiere die Möglichkeit, regelmäßig auf wechselnden Flächen zu picken. Zuletzt geht es noch zu den Ziegen, deren Milch, genau wie die der Kühe, in der gläsernen Meierei weiterverarbeitet wird. Neugierig werden wir von den Vierbeinern beobachtet, aber nach anfänglicher Scheu lassen sich die Ziegen – zu meiner Freude – sogar streicheln.

Die Demeter-Landwirtschaft ist mit viel Arbeit und einem holistischen Denken verbunden, denn alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse des Hofes werden im Sinne der Kreislaufwirtschaft – dem Zusammenspiel aus Boden, Pflanzen, Tier und Mensch – produziert. Die Kreislaufwirtschaft strebt an, möglichst lang Produkte und Rohstoffe zu nutzen und Abfälle durch Wiederverwertung beziehungsweise der vollständigen Verwertung der Tiere zu vermeiden.

Die männlichen Brudertiere der Legehennen und Milchkühe werden mit aufgezogen, was in vielen anderen Betrieben traurigerweise nicht der Fall ist. Um Müll zu vermeiden, findest du im Lebensmittelsortiment beispielsweise viele Mehrweggläser mit Pfandsystem. Die Nahrung für die Ziegen und Kühe kommt von den eigenen Feldern und kurze Lieferwege sollen die nachhaltige Landwirtschaft unterstützen. Regionalität, kurze Lieferketten und nachhaltige Landwirtschaft sind essentiell für eine nachhaltigere Zukunft und fest im Konzept vom Ökodorf verankert.

AUSFLUG ZUM ÖKODORF BRODOWIN

Das Ökodorf liegt inmitten einer vielseitigen Tourismusregion, ist umgeben von sieben Seen und vielen Rad- und Wanderwegen. Falls du den Hof besichtigen möchtest, kannst du nachhaltig anreisen, denn von Berlin aus ist Brodowin mit Bus und Bahn gut angebunden.Vor Ort gibt es die Möglichkeit, ein Picknickrad zu mieten, um die Gegend ohne Auto zu erkunden. Die Räder werden von der Lobetaler Upcycle Werkstatt von Menschen mit Behinderung gebaut und mit Brodowiner Produkten ausgestattet.

Ein Besuch des Ökodorfs ist also perfekt für einen Kurzurlaub, denn lokale, kleine Abenteuer können auch spannend und erholsam sein. Weil die Landwirtschaft einen direkten Einfluss auf unsere Umwelt hat, ist es wichtig, dass wir mehr darüber lernen und im Urlaub bewusster mit unseren Ressourcen umgehen, denn der Tourismus ist stark abhängig von einer intakten Natur. Für mich war der Trip eine perfekte Erholung vom alltäglichen Stadtleben und vor allem konnte ich viel Neues über die Bedeutung von nachhaltiger Land- und Kreislaufwirtschaft erfahren.

Ökodorf Brodowin | Brodowiner Dorfstraße 89, 16230 Chorin OT Brodowin, Deutschland | täglich geöffnet: 9–18 Uhr | Zur Website

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