Zeig mir deine Welt – So schön kann Reisen mit Dating-Apps sein
Das Alleinereisen hat ja viel Gutes an sich. Niemand kommt dir bei der Tagesplanung in die Quere und wenn du lieber das fünfte Museum in Folge anschauen, anstatt in einem Café sitzen magst, kannst allein du das entscheiden. Aber es gibt eben auch Nachteile. Du wirst die Stadt immer nur so erleben wie du es dir mit deinen Reiseführern, deinem mühsam erstellten Pinterest-Board und Google Maps zusammengebaut hast. Ja, du hast diverse Blogeinträge gelesen zu Sehenswürdigkeiten, Cafés und Restaurants, die so gar nicht touristisch, aber besonders authentisch sein sollen. Aber sie stehen nun mal im Internet, also ist es eher wahrscheinlich, dass andere auch schon auf diese Idee kamen und du womöglich von gar verliebten Touristenpaaren umgeben bist.
Ein weiterer und vor allem der größte Nachteil des Alleinereisens: Gesprächspartner fehlen und was noch viel mehr fehlt ist die Person, mit der du all die kleinen Momente teilen kannst. Denn vielleicht hast du einfach nicht mehr Lust auf Hostel-Life und magst dich keiner Gruppe in der Unterkunft anschließen oder bist eben allein in deiner eigenen Unterkunft. Dann klebst du meist förmlich am Smartphone, um zumindest bildlich alles festzuhalten oder eben jene kleinen Momente via Nachricht an die in der Heimat verbliebenen Freunde zu schicken. Zudem ist es eben etwas anderes, hinterher den Freunden von der Reise zu berichten. Dann erzählt man sowieso nur das Bekannte, das Klischee. Längst vergessen der Moment, als du dich mit dem Busfahrer mit Händen und Füßen verständigt hast, um wirklich bei diesem einen Strandrestaurant an der portugiesischen Küste anzukommen.
Es muss ja nicht immer gleich die große Liebe sein
Deswegen haben ich und, wie ich in Gesprächen mitbekommen habe, auch eine ganze Menge meiner Freunde und Bekannte das Reisen mit Dating-Apps wie Tinder, Bumble und Co. entdeckt. Und das funktioniert in der eigenen, wie auch in der fremden Stadt. Dating-Apps sind ja nun vornehmlich, das impliziert der Name, fürs Dating gemacht. Wahrscheinlich hat nicht jeder Lust, deinen persönlichen Tourguide zu spielen, wenn sonst nichts weiter zu erwarten ist. Aber dann gibt es eben doch die, die flexibel sind, die selber nichts weiter vorhaben und dich gerne treffen möchten. Schwingt nicht schließlich auch immer etwas mit von der großen Hoffnung, da sei ja vielleicht doch diese eine Person, wegen der man dann in der Heimat alle Zelte abbrechen würde? Dass da durch ein Swipen die große Liebe in der Stadt, deren Landessprache du sowieso schon immer lernen wolltest, warten würde? Also trifft man sich. Und selbst wenn das Gegenüber nur eine Bar oder ein Restaurant vorschlägt, was dich in der Heimat nicht aus deinem Bezirk locken würde, so ist es hier in der fremden Stadt ja etwas, das du nicht kennst. Dessen Gegend du nicht kennst und was sehr wahrscheinlich auch nicht auf deiner Bucket-Liste steht.
Ich habe Menschen und ihre Geschichten kennengelernt. Erfahren wie sie in ihrer Heimat aufgewachsen sind. Es hat das gewählte Reiseziel zu etwas Besonderem gemacht.
Aber in den noch besseren Fällen triffst du auf Menschen, die richtig Lust haben, ihre eigene Stadt anderen zu zeigen oder gar selber neu zu entdecken. Ich habe beim Ping Pong spielen in einer Bar mit etwa 40 Tischtennisplatten haushoch gegen mein Tinderdate verloren, ich war versteckt im Keller eines Bürogebäudes japanisch essen, ich bin zu jemandem aufs Motorrad gestiegen und durch die heiße Sommernacht auf sandigen Wegen durch die Natur gerast, natürlich ohne Helm. Es sind Momente, in denen ich die Heimat und das Handy vergessen habe. Momente, in denen ich einfach eine großartige Zeit hatte. Und nein, die große Liebe war dann nicht dabei. Aber das ist ja ok. Ich habe Menschen und ihre Geschichten kennengelernt. Erfahren wie sie in ihrer Heimat aufgewachsen sind. Es hat das gewählte Reiseziel zu etwas Besonderem gemacht. Denn es wird nun immer mit diesen Personen und diesen Erlebnissen verknüpft sein. Daher würde ich bei jeder neuen Reise, die ich alleine antrete, immer wieder Tinder öffnen und schauen, wer da so ist. Bei Bumble gibt es einen BFF-Modus, der zwar nur gleichgeschlechtliche Personen, aber immerhin Personen anzeigt, die offen für neue Freunde oder Bekannte sind. Warum nicht also mal auf diese Art reisen?
Werde doch mal Tourguide in deiner eigenen Stadt
So dankbar ich war, auf meinen Reisen Menschen getroffen zu haben, die die Reise zu etwas Einmaligem gemacht haben, so oft habe ich mich auch in Berlin darauf eingelassen, selber der Tourguide zu sein. Vergangenen Sommer hatte ich ein Match mit jemandem, der in Australien lebt, aber ursprünglich aus Malaysia ist. Für einen Medizinerkongress war er nach Deutschland gekommen und wollte anschließend noch etwas durch Europa reisen. Geschrieben haben wir aber erst, als er schon in Dresden auf eben jenem Kongress saß und Berlin hinter sich gelassen hatte. Nach dem Kongress sollte es für ihn nach Prag gehen. Aber weil wir uns beim Schreiben so gut verstanden hatten, warf er seine Pläne über Bord, buchte ein Airbnb in Berlin und kam zurück.
Es war Mittsommernacht, perfektes Wetter. Zusammen haben wir Blumenkränze auf dem RAW-Gelände geflochten, jede Menge kitschige Erinnerungsfotos geschossen und sind dann natürlich sehr touristisch, aber immer wieder gerade für Besucher neu, zum Klunkerkranich geradelt. Ich mit meinem Rad, er auf einem Leihrad. Irgendwann, da war es schon Nacht, sind wir getrennt nach Hause gefahren. Er saß am nächsten Morgen im Zug nach Prag, aber wir beide hatten sicher wohl einen der schönsten Sommertage in diesem Jahr.
Er saß am nächsten Morgen im Zug nach Prag, aber wir beide hatten sicher wohl einen der schönsten Sommertage in diesem Jahr.
Reisen mit Tinder und Co. bietet einen weiteren Vorteil: Im besten Fall triffst du auf jemanden, der mal Fotos von dir macht, die dich anders als in deiner typischen Selfiepose zeigen, Personen, die dich anders wahrnehmen, und weil sie auf Reisen sind, auch möglichst viele Momente mit der Kamera festhalten wollen. Die Chance auf das nächste neue Profilbild ist groß. Und ja manchmal passiert es dann vielleicht doch, dass man beim Reisen mit Tinder – ob nun in der eigenen oder in fremden Stadt – auf die Person trifft, die alles ändert. Wegen der selbst der graue Berliner Herbst golden leuchtet, weil diese Person ihr Leben in der Heimat hinter sich gelassen und etwas Neues gewagt hat.