Taormina: Lohnt sich ein Besuch des Ortes aus der Serie "The White Lotus"
Taormina. Ein Name, der vor allem seit 2022 für Luxus seht. Bis vor einem Jahr hatte ich allerdings kein besonders großes Bedürfnis, ausgerechnet diesen Ort auf Sizilien zu besuchen. Dann kam die zweite Staffel der HBO-Serie The White Lotus raus und Taormina wurde zu dem Sehnsuchtsort schlechthin. In der Serie, die unter anderem auf Prime Video und Apple TV gezeigt wird, dreht sich alles um den ultimativ-dekadenten Urlaub reicher, amerikanischer Familien.
Als Zuschauer*in fällt es schwer, mit den Hauptfiguren zu sympathisieren. Während der einzelnen Folgen entspinnen sich zwischen den Protagonist*innen so viele Intrigen, werden Anschuldigungen gemacht und reagieren Charaktere unvorhergesehen, dass unterschwellig immer eine gewisse Spannung herrscht. Das einzige Wohlfühl-Element der Serie ist der Drehort, der in stimmungsvollen Szenen besonders in den Vordergrund gerückt wird. Auch in Noto und Palermo wurde gedreht, der Hauptteil der Staffel aber findet in Taormina statt. Hier residieren die Urlauber*innen im Four Seasons Hotel San Domenico Palace, das nicht nur mir beim Zusehen den Atem raubt. Also habe ich das Coolste gemacht, was ich mir als Reisejournalistin vorstellen kann, und bin einfach hingefahren.
Das Hotel aus The White Lotus
Das erste Gefühl, das ich beim Betreten des Hotels aus The White Lotus verspüre, ist Ernüchterung. Denn die Rezeption, die in der Serie Schauplatz so einiger unangenehmer Szenen mit Angestellten ist, sieht hier ganz anders und deutlich kleiner aus. Tatsächlich wurde das Four Seasons Hotel San Domenico Palace in einem alten Kloster erbaut. Während ich hier durch die Gänge laufe, spüre ich diese Vergangenheit an jeder Ecke. Ein Teil der Zimmer befindet sich in aufwändig renovierten Räumlichkeiten, in denen früher gebetet wurde. Hätten die Serien-Charaktere vielleicht auch probieren sollen.
Einen Wow-Moment habe ich im Garten. Hier stehen blau-weiße Sonnenschirme am Infinity Pool mit Blick auf den Ätna. Diese Aussicht kenne ich aus der Serie – und sie ist auch ohne Theo James im Vordergrund wunderschön. Auch den Frühstücksbereich des Hotels erkenne ich wieder: Hier befindet sich die Terrasse mit Blick aufs Meer, die in The White Lotus aber viel größer wirkt als in echt. Geht man weiter ins Hausinnere kommt man zum Barbereich, der nun wirklich unverkennbar ist. Besonders cool finde ich, dass, genau wie in The White Lotus, direkt hinter den Barhockern das Klavier steht, das Schauplatz einiger Streitigkeiten in der Serie ist.
Wie viel White-Lotus-Feeling gibt es hier wirklich?
Ganz ehrlich: Bei meinem Besuch im Hotel habe ich nicht das Gefühl, dass jederzeit „The Gays“ mich zu einer Party auf ihre Yacht einladen oder Prostituierte vorbeilaufen könnten. Denn in der Serie taucht nur ein ganz kleiner Teil des Hotels auf, das auf mich insgesamt überraschend ruhig und entspannt wirkt. Was ich vermisse: Die für Sizilien typischen Testa-di-Moro-Statuen, die in der Serie so gruselig anmuten. Dahinter verbirgt sich nämlich auch eine blutige Geschichte: Eine Frau aus Palermo soll ihren Liebhaber, der zu seiner Familie zurückkehrte, aus Rache geköpft und seinen Kopf als Vase benutzt haben. Den Sizilianer*innen hat es damals so gut gefallen, dass immer mehr Vasen in Form von Köpfen angefertigt wurden; auch heute noch kann man sie überall auf der Insel kaufen.
Auch den Beachclub aus The White Lotus sucht man hier vergeblich. Denn Taormina befindet sich gar nicht am Wasser, sondern schmiegt sich an eine Klippe. Wenn du, so wie ich, mit der Bahn ankommst, wird dir das spätestens dann schmerzlich bewusst, wenn du die Wanderung ins Stadtzentrum antrittst. Eine halbe Stunde geht es auf einem Schotterweg steil bergauf. Natürlich wird in The White Lotus nicht gezeigt, dass es auch Busse ins Stadtzentrum gibt, die fahren aber sehr unregelmäßig.
Der Hype um Taormina
Dass Taormina gerade richtig gehypt wird, sieht man in den Straßen. Zumindest bei meinem Besuch Ende Mai 2023 ist das Stadtzentrum voll. Die Tourist*innenmassen konzentrieren sich vor allem auf der Hauptstraße, in der man denken könnte, auf einem Festival gelandet zu sein. In den Nebenstraßen sieht das schon anders aus und ich kann das Flanieren tatsächlich genießen.
Die Gassen sind an sich aber typisch-sizilianisch charmant und immer wieder stoße ich auf Bemalungen und Verzierungen an den Wänden. So auch an der Bam Bar, deren Granita legendär ist. Die Schlange aber auch. Ich entscheide mich gegen stundenlange Wartezeit und probiere die sizilianische Spezialität stattdessen in der Bar E Snackbar Capriccio. Die eisige Erfrischung, die ich mit Zitronengeschmack bestelle, ist genau das, was ich an diesem warmen Tag brauche. Leider ist der Service im Café ruppig, ganz generell suche ich die zuvorkommenden und herzlichen Italiener*innen, die ich von meinen Reisen durch das Land sonst so kenne, in Taormina vergeblich.
Meine Highlights in Taormina
Klar, die vielen Besucher*innen sind genau wie ich hier, weil Taormina so einen guten Ruf hat. Ich will ihnen also keinen Vorwurf machen und mir die Laune nicht verderben lassen und finde tatsächlich eine Oase der Ruhe. Der für mich schönste Ort der Stadt ist der öffentliche Park Villa Comunale. Hier bekomme ich ein Konzert aus Vogelgezwitscher sowie einen herausragenden Blick auf das Four Seasons und den Ätna geboten. Mit dieser Aussicht und dem märchenhaften Ambiente ist die Villa Comunale selbst für einen Nicht-Pflanzen-Freak wie mich einer der besuchenswertesten Landschaftsgärten Europas – und dazu noch kostenlos. Ein absolutes Muss bei jedem Taormina-Besuch also.
Sehenswert ist auch die Isola Bella vor der Küste von Taormina. Vom Ortskern bringt dich eine Seilbahn zur Insel und wieder zurück. Die Isola Bella macht ihrem Namen alle Ehre: Sie ist zwar klein, aber atemberaubend schön – und taucht daher natürlich auch in The White Lotus auf. In der Serie befindet sich die Insel direkt neben dem Beachclub des Hotels. Als Will Daphne von seinem Verdacht erzählt, seine Freundin Harper könne ihn betrügen, lockt sie ihn auf die Insel, wohin er ihr verunsichert folgt. Um hier am Strand zu entspannen, muss man aber nicht Gast eines Luxushotels sein. Außerdem werden rund um die Insel und den Naturpark Kajaktouren angeboten und du kannst ein Museum über die Geschichte der Isola Bella besuchen.
Würde ich wiederkommen?
In The White Lotus wirkt Taormina romantisch und unentdeckt – nach meinem Besuch würde ich die Stadt nicht so beschreiben. Ich bin hin- und hergerissen: Insgesamt habe ich Taormina sehr touristisch wahrgenommen und glaube nicht, dass man hier einen authentischen Einblick in das Leben der Einwohner*innen bekommen kann. Trotzdem finde ich das Städtchen und die Gegend rundherum wunderschön und kann mir trotz meiner Erfahrung vorstellen, wiederzukommen. Dann aber im Winter oder zum Frühlingsauftakt.