11 Urlaubstypen, auf die du gerade in Deutschland triffst

© Marie Therese Freise

So, wer stand in letzter Zeit auch schon mal den Tränen nahe unter der Dusche und hat „I’m leaving on a jetplane, don’t know when I’ll be back agaaaain“ mit Herzschmerz und Nostalgie gesungen? Natürlich nicht, weil irgendjemand seine Liebsten demnächst verlassen muss, sondern weil wir uns von der Vorstellung verabschieden mussten, dieses Jahr nochmal mit dem Flugzeug davon zu fliegen. 2020 ist aufgrund von Corona alles ein bisschen anders, auch der Urlaub natürlich. Da werden ganz neue Entscheidungen getroffen, innere Spießer und Ökos gefunden und an uns früher unvorstellbaren Orten Urlaub gemacht: der Schwarzwald? Kurorte? Im Ernst? Ja so sieht’s aus. Erkennt ihr euch wieder?

1. Die neuen Spießer

© Marie Therese Freise

Bei der Urlaubsplanung bemerken die neuen Spießer dieses Jahr, dass sie gar nicht mehr so unangepasst und Anti-Spießertum sein wollen wie damals im Studium. Bei der Fullmoon Party auf Koh Phangan mit einer dicken Tüte in der Hand war das aber auch leichter gesagt! Jetzt weckt Paulina sie jeden Morgen mit vollen Windeln und vollgesabberten Schnullern. Der Urlaub soll vor allem eins sein, nämlich unkompliziert. Sie werfen also all ihre Jugendillusionen auf den Kompost und kaufen sich ein Wohnmobil inklusive festem Standplatz an einem deutschen See. Dauercamper, ahoi! Denn, wenn sie ganz ehrlich sind, ist Beständigkeit geil, Deutschlands Seen schön und Fliegen so 2019. 

Postkarte: Zum Standplatz gab’s ein fünfziger Pack Postkarten mit ein- und demselben Motiv vom Campingplatz dazu. „Wie praktisch ist das denn Laura?“, „Sooo praktisch Jan! Pragmatismus ist eh sooo geil. Komm, wir schreiben Laura deinen Spruch vom Grillen, wie war das nochmal?“ „Griller sucht Grille!“ „Ach ja, du bist einfach so witzig Schatz!“

Heimlich im Koffer: eine Tupperdose mit Spaß-Brownies (so spießig sind sie gar nicht, denken sie erleichtert).

2. Die neuen Naturverbundenen: Sektion Süden

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Die neuen Naturverbundenen dachten schon immer, dass sie tief in ihrem Herzen echte Abenteuer*innen sind. Jetzt packen sie die Gelegenheit beim Schopf, machen Urlaub in den Bergen mit Hüttenübernachtung und allem drum und dran. Beim Großeinkauf im Bergsteigerladen geben sie sich die aller größte Mühe ihren inneren Jack Wolfskin zu channeln. In voller Montur geht es dann in die Natur, wo sie in ihren Neon-farbenen Outfits als leuchtende Punkte über die Wege gen Gipfel marschieren. Stolz wird am ersten Nachmittag ein Radler bestellt, „weil es ist nämlich isotonisch, habe ich gelesen. Und das ist super für die Muskeln, oder so, egal: Prosiiit!“ Ob ihre Motivation die erste schlaflose Nacht zwischen schnarchenden Wanderern überlebt?

Postkarte: In den Bergen gibt’s keine Briefkästen, sorry!

Heimlich im Koffer: So viel Make-up, gar nicht so einfach den perfekten Look beim Wandern aufrechtzuerhalten!

3. Die Naturverbundenen: Sektion Norden

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Sie sind das Äquivalent der Naturverbundenen aus dem Süden, nur gibt es bei ihnen weit und breit keine Berge zu sehen. Also wird (etwas gemäßigter) die Naturverbundenheit bei Wattwanderungen und Vogelbeobachtungen gefeiert. In Vorbereitung auf den diesjährigen Urlaub an der Nordsee wird statt der Bergausrüstung das komplette Friesennerz gekauft. Und wenn sie sich selbst in gelber Jacke, gelben Gummistiefeln und gelbem Regenhut im Spiegel sehen, dann rutscht ihnen das „Moin, Moin“ so natürlich aus dem Mund, als hätten sie nie etwas anderes als Fischsemmeln hineingesteckt. Gechannelt werden muss hier niemand, das Foto von Käpt’n Iglo, das sie aus der Fischstäbchenpackung ausgeschnitten haben, vergraben sie zufrieden ganz tief in der Hosentasche.

Postkarte: Einsamer Strandkorb am Meer, „Moin, Moin! Du, es ist knorke hier. Unser Watt-Führer ist super witzig, der ruft immer 'Lüe, Lüe' – kann Lydias Namen wohl nicht richtig aussprechen. Der hat aber auch immer eine Pfeife im Mund. Naja! Heute sind wir am Strand, die Männer daddeln den ganzen Tag in der Unterbuxe rum und holen uns eine Buddel Wein nach der anderen! Merkst du’s? Wir lernen hier total den Dialekt! Tschüühüüs“

Heimlich im Koffer: „Sprechen Sie Hamburgisch? Allerlei Begriffe aus der Zeit als Großmutter 'n lütt Deern weer“ 

4. Die Heimkehrer*innen

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Zuhause bei Mama ist es doch eh am schönsten! Deshalb wird dieses Jahr einfach Urlaub in der alten Heimat gemacht: Super, Mama macht Frühstück und den Fahrservice zum Badesee. Da gibt’s dann Pommes und Capri-Sonne – alles wie damals mit 13. Sogar die alte Flamme spielt da drüben noch Volleyball (ob er jetzt endlich mal rüber schaut und heute Abend dann geknutscht wird? Aber vor sechs, dann kommt Mama nämlich zum Abholen vorbei).

Postkarte: Vom Kiosk am See, „Heeey Lisa, du glaubst nicht was passiert ist! Gestern Abend hat Tom Meier (!!) mich angequatscht, weißt du noch Tom aus der Klasse über uns und wir haben geknutscht (!!!!!!!) und dann wollte ich’s dir gleich erzählen, aber du warst nicht daaa :/ Miss you 4 eva! Lass mal telen, gibt so viele News!“

Heimlich im Koffer: Hoffentlich ihr Mitte-20-Jähriges-Ich, das sie dann auch irgendwann wieder auspacken.

5. Die Balkonier

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Büromaus bei Tag, Stubenhocker bei Nacht: Eigentlich haben die Balkonier wenig Bock auf Menschen und sind am glücklichsten mit sich alleine. Sowieso ein Vorteil in Zeiten von Corona, aber wenn es an die Urlaubsplanung geht besonders. Denn sie vermissen dieses Jahr eigentlich gar nichts – im Gegenteil: dieser ganze Ausnahmezustand ist die beste Ausrede dafür, sich dem jährlichen Urlaub mit Freunden aus der Schulzeit zu entziehen. Hätten sie doch nur aufmerksamer Game of Thrones geschaut, und sich in dem Bewusstsein, dass gesellschaftliche Unangepasstheit und Einzelgängertum à la Jon Schnee heute so was von angesagt ist, schon viel früher dem gesellschaftlichen Zwang des Gruppenurlaubes entzogen. Aber so bleiben sie dieses Jahr zum ersten Mal zuhause, zocken nachts, sonnen sich tagsüber auf dem Balkon, trinken dort ab 12 Uhr Iced Latte aus Glasstrohhalmen – Getränk und Umweltbewusstsein wären ihnen vor ihren Freund*innen gleichermaßen peinlich gewesen – und freuen sich ihres Lebens.

Postkarte: Muss dieses Jahr auch keine geschrieben werden, ein Hoch auf das Zuhause Bleiben!

Heimlich im Koffer: Kofferpacken fällt auch weg! Super!

6. Verballert auf Ballermann

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Corona kann sie mal, denn ihren Jahresurlaub auf Mallorca lassen sie doch nicht wegen einer weltweiten Pandemie ausfallen. Soweit kommt’s noch! Also wurden stoisch Flüge gebucht, an die 200 vorfreudige Nachrichten in die WhatsApp-Gruppe mit Namen „Die Drinkerbells“ geschickt und Badehosen gekauft. „Corona? Ist doch ein Bier! Und davon gibts viel in Spanien woop woop! Kofferpacken, auf nach Malle!! Geil, Sangria-Eimer für 10! Willst du zu meiner Infektionsgemeinschaft gehören Baby?“ 

Postkarte: Hochglanzpoliertes Mittelmeer, Menschen wie Ölsardinen unter Strohschirmen, „Alder, war geil! Corona? Ist hier ein Bier! höhö! Wärst besser mal mitgekommen! Nächstes Jahr geht’s gen Italien! Höhö gen Italien, checkst du? Höhö“

Heimlich im Koffer: Richtig viel Desinfektionsmittel – man weiß ja nie. Vielleicht ist Corona doch kein Bier.

7. Die Glamping-Gang

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Die Glamping-Gang hielt nie etwas von Campen, aber, weil der Urlaub auf Ibiza dieses Jahr ausfällt, haben sie beschlossen unter die Glamper zu gehen – so ein Insta-Shoot vorm Lichterketten geschmückten Luxuszelt bekommt doch bestimmt genau so viele Likes wie eins vor weißem Strand und Meer. „Oder was meinst du? Like for Like?“

Postkarte: „Hey Schaaadz, end nice hier!! Ich merk voll das nature girl in mir, so krass ey, mega gute Vibes hia! Stell schon ma den Prosecco kalt bis ich wiedakomm!! xoxo“

Heimlich im Koffer: mindestens drei Powerbanks – ohne Handy geht echt gar nichts. 

8. Die Ökos

© Marie Therese Freise

Urlaub? Wie kann man denn an Urlaub denken? Bei allem was gerade los ist. Ne, echt nicht. Statt sich an den Strand zu legen, fahren die Ökos auf einen Bauernhof. Kümmern sich ehrenamtlich und leidenschaftlich um Natur und Tiere. Abends lesen sie fleißig ihre Grundlagentexte zur Tierethik. Zuhause wollen sie ihrem Mitbewohner nämlich endlich ausreden Ja! Salami zu kaufen. Mit fundierten Argumenten klappt das bestimmt.

Postkarte: Verschicken sie nicht. Für sowas haben sie keine Zeit und Bäume abholzen für kitschige Bilder sollte man eh nicht, „hallo Klimawandel, geht’s noch?!“

Heimlich im Koffer: Eine 20er Packung Raw Bite Riegel (alle einzeln in Plastik verpackt – aber sorry, als Veganer*in lebt man halt ständig in der Angst hungrig ins Bett zu gehen).

9. Die mit den Radl-Wadln

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Sie machen schon seit einigen Monaten die Seen im Umland ihrer Großstädte unsicher. Weil in der Stadt nichts geht, haben sie nämlich ihre Rennräder und knallenge Radlhosen gepackt und sind zu richtigen Ausflugs-Radler*innen geworden (inklusive Radler trinken am Ziel ihrer Tour – ob das eine witzige Instagram-Überschrift gibt? Safe!). Für den Urlaub steht aber größeres an als der nächstbeste See: ein Langstrecken-Ausflug mit dem Fahrrad! Einmal um den Bodensee zum Beispiel oder kann man eigentlich von Berlin nach Köln radeln? 

Postkarte: Der Kölner Dom! Sie haben es also geschafft. „Grüße! Die Radl-Wadl Gang“ – ja, nach so einer Strecke darf man sich so nennen.

Heimlich im Koffer: „Im Rucksack meinst du wohl! Und da ist nichts heimlich drinnen, leicht packen ist wichtig!“ Ja okay, dafür sind heimlich richtig viele Fotos von den eigenen strammen Wadeln auf dem Handy. 

10. Die Workaholics

© Marie Therese Freise

Sie denken, sie sind am glücklichsten vor ihrem Laptop und wenn sie alle privaten Termine absagen können, wegen „so viel Stress in der Arbeit, sorry!“ Dass sie jetzt in Kurzarbeit sind, ist schlimm für sie, schlimmer ist aber noch, dass sie deshalb permanent Urlaub nehmen müssen. Wie ein Panther im Käfig schleichen sie in ihrer schwarzen Businesskleidung unruhig in der Wohnung herum und versuchen mit aller Willensstärke den Laptop nicht aufzuklappen. Vor lauter To-Do-Listen im Kopf können sie sich gar nicht daran erinnern, wie „nichts zu tun haben“ funktioniert – weite Klamotten zu tragen und das Gefühl vormittags ein Glas Prosecco in der Sonne zu trinken noch weniger.

Postkarte: haben sie zuletzt... puh 1998 geschrieben?! Und bekommen auch schon lange nicht mehr. Jetzt doch erstmal ein Prosecco auf dem Balkon, um wieder klar zu kommen!

Heimlich im Koffer: Nichts. Der liegt wie eh und je verstaubt im Keller. Urlaub ist was für Arbeitslose.

11. Die Wellness-Gang

© Marie Therese Freise

Im Urlaub der Wellness-Gang vor allem eines wichtig und das ist Entspannung. Ob sie das im All-Inklusive-Urlaub in Ägypten oder in Bad Heilbrunn bekommen ist ihnen eigentlich egal. Sagen sie zumindest vor ihren Freund*innen. Aber wenn sie ehrlich sind, kommt ihnen das Wort „Kurort“ extrem unsexy vor und sie vermissen die exotischen Cocktails am Strand. Ganz abgesehen von den kulturell völlig unangebrachten Shows am Abend. Schlangenbeschwörer, halb nackte Frauen, die in glitzernden Outfits tanzen – ach war doch ein Orientträumchen der letzte Urlaub. Naja, jetzt gibt es gleich eine Wildkräutermassage bei Bärbel und am Sonntag die bayrische Blaskapelle.

Postkarte: Sehen im Souvenirshop alle so spießig aus, dass sie ihr Fernweh erstmal in Kaffee und Torte ertränken müssen.

Heimlich im Koffer: Eine Schneekugel mit der Blaskapelle drinnen, die war nun wirklich süß!

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