Sieben Tage Fastenkur am Tannerhof – Halte ich das durch?

© Charlott Tornow

New year, new me, heißt es so herausfordernd gleich am ersten Tag nach Silvester, wenn man noch zerknautscht und verkatert im Bett liegt und lieber über die nächste fettige Mahlzeit als über gute Vorsätze und Selbstoptimierung nachdenkt. Aber für viele Menschen ist der Jahreswechsel ein symbolischer Start in einen neuen Lebensabschnitt und so gibt es den Veganuary und Dry January, man nimmt sich vor, mehr Sport zu machen, weniger am Handy zu hängen und noch gesünder zu essen. Uff.

Ein Ort, an dem du all das kombinieren kannst, ist der Tannerhof in Bayrischzell, ein kleines verschlafenes Dorf, das an der Grenze zu Österreich liegt. Den Tannerhof gibt es bereits seit 1905, damals hieß er "Kurheim Tannerhof“ und spezialisierte sich auf naturheilkundliche Anwendungen. Im Fokus stehen seit dem ersten Tag der Kontakt zu den Menschen, zur Natur, zu Naturheilverfahren und der medizinischen Betreuung der Gäste. Seit den 1960er Jahren kannst du hier auch ärztlich begleitet Fasten und zwar nach der Methode des deutschen Arztes Otto Buchinger.

Fasten wird definiert als der bewusste, zeitlich begrenzte Verzicht auf feste Nahrungs- und Genussmittel – etwas, das meinem Wesen wirklich nicht ferner sein könnte. Ich wollte trotzdem wissen, wie so einen Fastenkur im Tannerhof aussieht und habe deshalb für sieben Tage im Tannerhof eingecheckt. 

Anreise nach Bayrischzell

Auf der siebenstündigen Zugfahrt von Berlin nach Bayrischzell einmal quer durch die Republik überlege ich, warum genau ich jetzt eigentlich die nächsten sieben Tage nichts essen will. Am Körpergewicht mit knapp über 53 Kilogramm kann es nicht liegen. An meinem generellen Hunger auch nicht. Ich bin ein Fressschwein und einer jener Menschen, die wirklich wahnsinnig schnell hangry werden. Den Hinweis in der Mail vom Tannerhof, bereits zwei Tage vorab Fastentage mit Rohkost, Gemüse oder Obst einzulegen, ignoriere ich geflissentlich – ich gönne mir stattdessen nochmal eine Brezel, ein halbes Baguette, einen großen Americano und einen Schokoladenriegel.

Tannerhof, Bayrischzell, Fastenhotel
© Charlott Tornow

Nach dem Check-in in mein Zimmer – ein uriger Traum aus Holz in einem der vier Türme des Tannerhofs – gibt es abends einen letzten Gemüseteller. Da ich weiß, dass es mein letztes festes Essen für die nächsten Tage ist, kaue ich alles dreimal gut und langsam, genieße jeden Bissen und sehe schon auf den Nebentischen, was mich die nächsten Tage erwartet: Buttermilch oder Sojade (die vegane Variante) und ein Saft.

Tag 1: Suppe, Saft und Soja

Mein Tag beginnt um 8 Uhr mit einem Aufnahmegespräch mit Burgi von Mengershausen, die mit ihrem Mann Roger Brandes den Tannerhof schon in der 4. Generation führt. Mit von Mengershausen bespreche ich meine Ziele und Leiden – tatsächlich habe ich selbst immer wieder Reizdarmsymptome, die bisher aber kein Arzt nachweisen konnte oder wollte. Mit Fasten – so klärt mich von Mengershausen auf – kann man von innen heraus und selbstbestimmt etwas gegen bestimmte Krankheiten und Leiden tun. Durch den Nahrungsverzicht werden nicht nur Fette, sondern auch entzündliche Eiweiße abgebaut, man mobilisiert seine Energiereserven, unterstützt die körpereigene Entgiftung und räumt sozusagen im Körper auf – klingt vielversprechend. 

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© Charlott Tornow

Da ich nun zu den Faster*innen im Tannerhof gehöre (man kann hier auch ganz regulär Urlaub machen), besteht mein Frühstück für die nächsten fünf Tage aus Tee mit Orangen und Zitronen, an denen ich lediglich zutschen darf. Obwohl die Früchte Säure enthalten, wirken sie sich basisch auf den Körper auf. Zusätzlich gibt es zu jeder Mahlzeit Basentabletten, in denen unter anderem Magnesium und Kalzium enthalten sind. Da der Körper beim Fasten durch den Fettabbau sauer wird, können die Gelenke wehtun – die Tabletten und die Früchte helfen als Puffer. Überhaupt ist es erfreulich, dass das Buchinger-Fasten im Tannerhof weniger strikt ist als anderswo – wie mir immer wieder andere Faster*innen erzählen. Mittags gibt es Suppe und abends eine Kombination aus Milch und Saft, um dem Körper auch weiterhin wichtige Nährstoffe, Eiweiße und sekundäre Pflanzenstoffe zuzuführen.

Tag 2: Ein bisschen Wellness gegen die Erschöpfung

Da der erste Fasttag relativ entspannt war, starte ich frohen Mutes in den zweiten, merke aber schon fünf Minuten nach dem Aufwachen, dass ich wahnsinnigen Hunger habe. Ich zwinge mich zu meinem täglichen Sportprogramm, um dem Muskelverlust beim Fasten entgegenzuwirken, muss aber alles extra langsam machen. Seit wann sind 20 Minuten Pilates eigentlich so anstrengend? Immerhin folgt darauf ein entspannter Wellness-Morgen, der mit einer kalt-heißen Wechseldsuche startet, was die Durchblutung und den Kreislauf anregt – quasi der Kaffee der Faster*innen. Im Tannerhof werden zusätzlich zum normalen Fastenaufenthalt auch verschiedene Wellnessbehandlungen angeboten, sodass ich heute die erste von drei Massagen bekomme. Sinnvoll ist auch ein täglicher Heuwickel, der die Funktionen der Leber beim Entgiften unterstützt.

Bayrischzell, Bayern
© Charlott Tornow

Als am Nachmittag die Sonne rauskommt, mache ich einen Spaziergang zu einem nahegelegenen Wasserfall, der sich anfühlt, als würde ich einen 2000er erklimmen. Die fehlende Nahrungsaufnahme macht sich jetzt plötzlich bemerkbar, sodass ich froh bin, als ich in meinem Zimmer unter der Dusche stehe und den Schweiß von vermutlich gerade mal 100 Höhenmetern abdusche.

Tag 3: Darmreinigung und Kuchenrezepte

Wenn gestern ein schlechter Tag war, dann habe ich wohl heute meinen Tiefpunkt erreicht. Ich bin den ganzen Tag extrem schlapp. Interessanterweise macht mir gar nicht so der Nahrungsverzicht zu schaffen, sondern mehr die Kraftlosigkeit. Von welchen Reserven soll ich bei 53 Kilogramm auch zehren? Das denkt vielleicht auch meine Ärztin von Mengershausen, mit der ich am Morgen ein Gespräch habe. Sie schlägt vor, dass ich auch schon am fünften Tag mit dem Fasten brechen könne, immerhin sei ich ja nicht hier, um Gewicht zu verlieren. Meine Hunger- und Schwächegefühle sind überwältigend – keine Seltenheit am dritten Tag des Fastens –, weshalb mit die Ärztin einen Einlauf vorschlägt, mit dem der Darm gereinigt und dem Körper suggeriert wird, dass da nun wirklich nichts mehr wäre, mit dem er arbeiten kann.

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© Charlott Tornow

Der Einlauf selbst dauert nur ein paar Sekunden, danach laufe ich drei Runden durchs Zimmer und schon muss ich aufs Klo. Danach geht’s mir aber nur noch schlechter, weshalb ich zwei kleine Päckchen Honig esse, um meinen Kreislauf anzukurbeln – eine Methode, die im Tannerhof erlaubt ist. Abends kreisen die Gespräche um Kuchenrezepte und Schokolade. Ich schaue mir auf Tiktok mindestens zwei Stunden lang Rezeptvideos an und bin danach erstaunlicherweise satt. Was man dem Kopf nicht alles vorgaukeln kann.

Tag 4: Bin ich ein bisschen masochistisch?

Vielleicht ist es die Aussicht auf das Fatsenbrechen am fünften Tag, aber ich fühle mich im Vergleich zu gestern erstaunlich fit. Mein ganzes Fasten-Erlebnis dokumentiere ich übrigens auf dem Reisevergnügen-Instagram-Kanal, auf dem mich einige Follower*innen fragen, warum ich mir das „antue“ und ob ich masochistisch sei. Das Gegenteil ist der Fall: Mir war klar, dass Fasten nicht leicht wird, aber mich stört es auch nicht. Für viele Gäste ist Fasten ein toller Weg, um abzunehmen oder zu schauen, ob sie damit bestimmte Krankheiten in den Griff bekommen. Otto Buchinger hat mit Fasten selbst seine schwere rheumatische Erkrankung geheilt und mein Mitfaster Robert erzählt mir, dass er die Taubheit in seinen Fingerspitzen und Füßen damit behandeln konnte. Ich selbst finde es spannend, zu sehen, wie sich mein Körper verändert, wie ich für Lebensmittel und Portionsgrößen sensibilisiert werde – mittlerweile bin ich nämlich schon von meinem abendlichen Soja-Drink pappsatt.

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© Charlott Tornow

Tag 5: Tausche 1 Kilo Fett gegen 100 Gramm Muskeln

Endlich stellt sich die Fasteneuphorie ein, ich fühle mich fit und munter und starte mit einem 30-minütigen Bein-Workout in den Tag, das sich direkt rächt: Treppensteigen wird zur Herausforderung. Vielleicht war es doch ein bisschen zu viel, aber ich fühle mich wirklich gut und die Bioimpedanzanalyse danach macht mich glücklich. Bei der Analyse wird die Zusammensetzung des Körpers aus Fett, Muskeln und Wasser gemessen – einmal am ersten Fastentag, dann wieder am letzten. Der Vergleich ergibt: Ich habe ein Kilo Fett, aber keine Muskeln verloren, sondern sogar noch 100 Gramm dazu gewonnen. Der Sport hat sich also ausgezahlt. Ein Kilo Fett weniger bedeutet aber auch ein Kilogramm auf der Wage generell weniger. Das muss schnellstens wieder rauf, aber erstmal breche ich das Fasten wie alle anderen auch mit einem Apfel. 

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© Charlott Tornow

Der Fastenbrechertag ist immer noch ein Fasttag, nur dass man langsam an feste Kost heran geführt wird, damit der Körper nicht überfordert wird. Der Apfel ist ein Buchinger-Klassiker, aber auch perfekt, weil er viele Vitamine enthält und zum langsamen Kauen auffordert, das dem Darm Arbeit beim Verdauen abnimmt. Und natürlich ist er nach drei Tagen Suppe und Soja eine absolute Geschmacksexplosion.

Tag 6: I'll take you to the coffee shop

Ich merke, wie die Kraft in meinen Körper zurück kommt und wage mich im Fitnessstudio des Tannerhofs nach vier Tagen Pause wieder an die Hanteln, mit denen ich sonst morgens immer trainiere. Die Aussicht auf ein Frühstück beflügelt mich regelrecht, denn im Anschluss gibt es Jogurt mit Backpflaumen. Die erste kleine Portion Gemüse am Mittag genieße ich doppelt so lange wie sonst zuhause, aber als meine Mitfasterin Christine einen Kaffee trinkt, werde ich kurz vor Schluss nochmal richtig getriggert. Komischerweise haben mich die leckeren Gerichte, das Frühstück und die Kuchenauslage im Hotel fast kalt gelassen. Aber auf einen Kaffee hätte ich jetzt schon wirklich Lust. Übrigens ist Kaffee als Genussmittel beim Fasten eigentlich auch verboten, aber da der Tannerhof generell ein etwas entspannteres Verhältnis zum Fasten an sich hat, darf man sich hier auch mal einen Kaffee bestellen, sollten die Entzugskopfscherzen zu schlimm werden. Und das Naturprodukt Kaffee ist immer noch besser als eine Tablette mit viel Chemie. 

Tannerhof, Frühstück
© Charlott Tornow

Tag 7: Achtsamkeit lernen

Heute ist Sonntag, und die meisten Faster*innen reisen wie ich heute ab. Da ich eine Spätfrühstückerin bin, sitze ich allein im Frühstücksraum und lasse die letzten sieben Tage Revue passieren. Aus dem Aufenthalt im Tannerhof nehme ich vor allem ein Learning mit, an das ich vorher gar nicht gedachte habe: In den letzten Tagen habe ich wirklich jeden „Bissen“ Suppe, Saft und Soja genossen. Ich habe mir beim Essen Zeit genommen, den Löffel auch mal zur Seite gelegt und dabei gemerkt, wann ich wirklich satt war. Ich schlinge zwar auch sonst beim Essen nicht, bin aber auch nicht wirklich aufmerksam. Dafür, dass ich gern koche und esse, widme ich meinen Mahlzeiten erstaunlich wenig Beachtung. Etwas, das ich in Zukunft ändern möchte. Und wer nicht zum Fasten in den Tannerhof kommt, kann hier also zur Ruhe kommen und wieder ein bisschen mehr Achtsamkeit lernen. 

Die wichtigsten Infos zum Fasten

Der Tannerhof

Tannerhof | Tannerhofstraße 32, 83735 Bayrischzell, Deutschland | empfohlene Mindestaufenthaltsdauer für Fastenkuren: 7 Tage | Übernachtung ab 150 Euro pro Nacht, zusätzlich buchbar sind verschiedene Fastenpakete, die Massagen, Heuwickeln, Wechselgüsse, ärztliche Amnanese etc. enthalten (ab 725 Euro) | Zur Website

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