Das Glück zwischen Gaskocher, Klappstuhl und Zelt – Eine Ode an den Campingurlaub
Seitdem ich denken kann, habe ich Campingurlaub gemacht. Wenn ich in Erinnerungen schwelge oder anderen davon erzähle, packt mich sofort das Fernweh. Camping ist für mich Abenteuer, maximale Naturverbundenheit, Rückbesinnung auf das Wesentliche und Entschleunigung zugleich. Ein Zelt oder ein Bulli, ein Klappstuhl und ein Gaskocher – mehr braucht es nicht zum Glücklichsein. Und trotzdem ist es für mich der größte Luxus.
"In einem vollgepackten Auto verreisen, auf einer Luftmatratze schlafen und dann auch noch selbst das Geschirr spülen", das sei vielleicht aufregend, aber doch kein Urlaub, sondern irgendwie würdelos, sagen die einen. Für die anderen ist es die Königsdisziplin des Verreisens. Ich zähle mich selbstredend zur zweiten Fraktion und erkläre euch gerne, warum das so ist.
Für die einen würdelos, für mich der größte Luxus
Ich habe praktisch bis zum meinem sechszehnten Lebensjahr nichts anderes als Urlaub im Wohnmobil oder im Zelt kennengelernt. Pauschalreisen in Clubhotels oder etwas dergleichen wäre für meine Familie niemals in Frage gekommen. Erstens, weil es schlichtweg zu teuer war und zweitens, weil meine Eltern diese Art von Tourismus verabscheuten. Heut verstehe ich noch besser, was sie damit meinten.
Sich an überfüllten Stränden wie Sardinen in der Dose wenden, Shoppingtouren entlang asphaltierter Strandpromenaden oder den abendlichen Spießroutenlauf zum "All you can eat"-Buffet zum Beispiel. Nein, das hatte für meine Eltern wirklich absolut nichts mit ihrer Voerstellung von Urlaub zu tun. Land und Leute lerne man so nämlich nicht kennen, predigten sie mir und meinem Bruder immer.
Ein Zelt oder ein Bulli, ein Klappstuhl und ein Gaskocher – mehr braucht es nicht zum Glücklichsein.
Stattdessen haben wir jedes Jahr wieder unsere sieben Sachen zusammengepackt: ein großes Zelt, Luftmatratzen, ein Campingkocher, Klappstühle, ein paar Töpfe, Fahrräder und das Surfbrett auf dem Wohnmobildach. Die goldene Regel habe ich immer Hinterkopf: "Nur das mitnehmen, was ihr wirklich braucht!" Dann wurde 'ne Kanne Kaffee gekocht und es hieß "Abfahrt!". Unser Reiseziel: meistens unklar. Egal, Hauptsache erstmal los. Ich weiß noch, sobald wir nach etwas mehr als einer Stunde die Autobahn erreicht hatten, setzte schlagartig so ein herrliches, unbefangenes Urlaubsgefühl ein. Unbeschreiblich.
Camping, das ist Urlaub vom ersten Moment an
Wir sind eins mit der Straße geworden, haben alle Butterbrote längst vor dem ersten Rast aufgegessen, Autokennzeichen geraten, Dire Straits legendären Song "Brothers In Arms" gehört. Hach. Das Tolle, wenn man mit dem Auto oder dem Van verreist, ist, dass der Urlaub eigentlich ab Minute 1 beginnt. Kaum sitzt man im Wagen, hat die Zündschlüssel umgedreht und ist vom Hof gefahren, ist man in einer anderen Welt. Eine, in der nicht mehr alles so selbstverständlich, aber gerade deshalb so reizvoll ist.
Campingurlaub, das ist für mich auch, wenn ich nicht weiß, wo ich am nächsten Tag aufwachen werde.
Was ich schon immer besonders gern (und ich finde auch gut!) gemacht habe, ist navigieren. Ich liebe es mit dem Finger auf der Landkarte Route zu planen, mich zu orientieren und zu entdecken, was sich in der Nähe befindet. Vielleicht ein schöner See, ein spannendes Museum oder eine Stadt, die man schon immer besuchen wollte. Mit dem Auto, noch besser im Camper, ist man flexibel und autark, hat ohnehin alles dabei, was man braucht. Warum also nicht einen Abstecher wagen?
Der Weg ist das Ziel
Ich habe vor allem in den vergangenen Jahren gelernt: Wenn es mir an einem Ort gefällt – aus welchen Gründen auch immer –, dann bleibe ich einfach dort. Für ein paar Stunden, einen ganzen Tag, vielleicht auch zwei. Stell- oder Zeltplätze gibt es überall. Warum immer dieser Stress? Warum immer direkt ans Ziel kommen? Es ist schließlich Urlaub. Ein Ziel vor Augen haben, das ist okay, und es hilft, den Urlaub zu strukturieren, aber der Weg dahin darf meiner Meinung nach gerne über Umwege führen. So sieht man ja viel mehr von der Welt. Campingurlaub, das ist für mich auch, wenn ich nicht weiß, wo ich am nächsten Tag aufwachen werde. Wenn ich mich aus festen Strukturen befreien kann, die sonst meinen Alltag bestimmen. Das richtige Stichwort hier: Treiben lassen.
Auch wenn ich inzwischen seit über 13 Jahren in Großstädten lebe, bin ich ein sehr naturverbundener Mensch. Das musste ich erst einmal begreifen. Auszeiten auf dem Land und regelmäßige Stippvisiten ans Meer oder auch in die Berge helfen mir enorm dabei, wieder in Verbindung mit der Natur und vor allem mit mir selbst zu treten. Man übt sich in Entschleunigung und Müßiggang. In der Stadt gar nicht mal so leicht. Ich bin fest davon überzeugt, dass viele von uns das verlernt haben, obwohl es eigentlich in uns Menschen veranlagt ist. Am besten gelingt es mir wieder in Beziehung zu mir selbst zu treten, wenn ich von morgens bis abends draußen bin. Wer gern zeltet, der weiß vermutlich, wovon ich spreche. Man ist 24/7 an der frischen Luft und in der Natur – vom ersten Kaffee am Morgen übers Kochen und Essen bis hin zur Gute-Nacht-Lektüre, bevor man im warmen Schlafsack unter fast freiem Himmel einschläft.
Ein Ziel vor Augen haben, das ist okay, und es hilft, den Urlaub zu strukturieren, aber der Weg dahin darf meiner Meinung nach gerne über Umwege führen.
Innere Ruhe in der Natur finden
Beim Campen lernt man (wieder) wahrzunehmen, was um einen herum passiert, denn draußen lebt man ohne Raum und Zeit einfach so in den Tag hinein. Das tun wir im Alltag viel zu selten. Geräusche, Gerüche, Pflanzen, gutes Wetter, schlechtes Wetter. You name it. Bei mir führt das relativ schnell dazu, dass ich einerseits ruhiger, andererseits aber auch aktiver werde, wieder Lust an Bewegung habe. Laufen, Wandern, Radfahren, Kajakfahren oder Surfen, das sind alles Sportarten, die ganz eng mit dem Outdoor-Leben zusammenhängen, denn sie finden draußen statt. Campingurlaub bedeutet Verbindung mit der Natur. Und in der Natur findet man am ehesten Ruhe und Ausgeglichenheit.
Aber die wichtigste Erkenntnis, die ich am Ende eines jedes Campingurlaubs wieder mit nach Hause nehme, ist: "Du brauchst nicht viel, um zufrieden zu sein". Camping ist im Prinzip die reinste Form von Minimalismus, ein Begriff, der zwar seit einigen Jahren inflationär häufig eingesetzt, aber oft gar nicht seiner ursprünglichen Bedeutung gerecht wird. Ja, Minimalismus steht für Reduktion, für weniger Materielles, aber auch dafür, Dinge nicht mehr als selbstverständlich hinzunehmen, sondern wieder wertzuschätzen. Eine Dose Ravioli, eine warme Dusche oder Elektrizität zum Beispiel.
Beim Campen lernt man (wieder) wahrzunehmen, was um einen herum passiert, denn draußen lebt man ohne Raum und Zeit einfach so in den Tag hinein. Das tun wir im Alltag viel zu selten.
Camping ist Wellness für die Seele
Im Campingurlaub passiert genau das. Man besinnt sich auf das Wesentliche zurück, erfreut sich wieder an den kleinen Dingen und Zeit wird ein dehnbarerer Begriff. Und noch eine Sache, die ich festgestellt habe: Beim Campen ist es egal, wer du bist und wo du herkommst, auf dem Platz sind alle gleich. Man ist sozusagen verbunden in der Verbundenheit zur Natur. Camping ist Wellness für die Seele und damit der größte Luxus, den wir uns gönnen können. Überzeugt euch selbst.
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