Reisestopp – Wie beeinflusst die Corona-Krise die Tourismusbranche?
Ich verfolge die Entwicklung des Corona-Virus seit dem ersten Auftreten in China im Dezember 2019. Damals schien eine weltweite Krise noch weit weg. Klar, mir war bewusst, dass das Virus keine Ländergrenzen kennt und sich ausbreiten würde, aber ich hatte die Hoffnung, dass einer Pandemie Einhalt geboten werden könne. Ich fuhr auf Recherche-Reise nach Innsbruck und Südtirol und war mit meinem Freund in Jordanien im Urlaub. Am 30. Januar 2020 rief die WHO einen internationalen Gesundheitsnotstand aus. Als sich langsam immer mehr Menschen in Europa infizierten und die ersten großen Messen abgesagt wurden, darunter die weltweit größte Reisemesse ITB, merkten wir kollektiv zum ersten Mal, dass das Virus wirtschaftliche Auswirkungen – auf unsere Arbeit hier beim Reisevergnügen – hat. Als wir alle immer noch nach Italien schauten – das Land mit den meisten Infizierten außerhalb von China – erkrankten immer mehr Menschen in Deutschland. Mittlerweile wird von einer Pandemie, also einer weltweiten Epidemie, gesprochen.
Nur drei Monate nach dem Ausbruch in China werden auch hierzulande Schulen, Clubs, Bars, Restaurants und weitere öffentliche und private Einrichtungen geschlossen sowie alle Veranstaltungen abgesagt. Immer mehr Länder schränken das öffentliche Leben ein und schließen ihre Grenzen komplett für Ausländer. Noch Anfang März war ich in Österreich in Bad Gastein Ski fahren. Während meiner Zeit dort gab es den ersten Infizierten in dem kleinen Ort, ein Hotel musste komplett schließen. Ich entschied mich, vorzeitig abzureisen und mich selbstständig in Quarantäne zu begeben, wie es das Gesundheitsministerium empfohlen hat. In dieser Zeit zu verreisen ist nicht nur fast unmöglich, sondern auch extrem verantwortungslos. Wir haben uns beim Reisevergnügen dazu entschieden, in den nächsten Wochen nicht mehr zu verreisen und ausschließlich von zu Hause aus arbeiten, um die Gefahr einer Ansteckung für uns und Andere nicht zu erhöhen.
Jetzt zu verreisen ist nicht nur fast unmöglich, sondern auch extrem verantwortungslos.
Die Corona-Krise ist für die Tourismusbranche existenzgefährdend
Die Krise trifft uns alle auf unterschiedliche Weise. Vor allem auch die Tourismusbranche und ihre Protagonisten müssen mit wirtschaftlichen Konsequenzen rechnen, die wir noch nicht abschätzen können, denn die Menschen verschieben ihren Urlaub oder stornieren ihn gleich komplett. Viele Unternehmen erleben daher jetzt schon extreme Umsatzeinbußen, die existenzgefährdend sind. Die Reisebeschränkungen führen dazu, dass Airlines und andere Beförderungsunternehmen Flüge canceln, Reiseveranstalter keine Buchungen erhalten, Touristenattraktionen die Besucher ausbleiben und (freischaffende) Reisejournalisten und Blogger Aufträge verlieren, weil Tourismusorganisationen Kampagnen nicht mehr umsetzen können. Aber es geht nicht nur darum, ob wir fliegen oder nicht, sondern dass viele Regionen vom Tourismus abhängig sind. Wenn Restaurants, Hotels und Touristenattraktionen schließen müssen und die Besucher ausbleiben, dann haben auch sie keine Einnahmen und müssen unter Umständen komplett dicht machen.
Um besser verstehen zu können, wie die Corona-Krise die Tourismusbranche beeinflusst, habe ich daher verschiedene Unternehmen und Akteure um ihr Statement gebeten.
Sebastian Canaves von Off the Path
"Bei uns fällt gerade ein Auftrag nach dem anderen weg... sehr schwere Zeiten! Besonders, weil wir gerade den Relaunch [der Website; Anm. d. Red.] gemacht haben und er teurer als geplant war und hierdurch alle Rücklagen weg sind. Wir haben das nicht vorhergesehen. Im Gegenteil, eigentlich war die Auftragslage echt gut."
Sebastian Canaves ist freischaffender Autor und bloggt auf Off the Path über Abenteuer.
Elisaveta Schadrin-Esse von The Fernweh Collective
"Die Auswirkungen der Corona-Krise sind für uns zwar deutlich geringer als für Reiseunternehmen, die auf Besucher und Gäste angewiesen sind oder nicht online arbeiten könnten. Dennoch haben auch wir hohe Ausgaben und fixe Kosten, die weiterlaufen, auch wenn Bestellungen ausbleiben. Da in den vergangenen Wochen alle Reise- und Literaturevents abgesagt wurden, fehlt außerdem ein wichtiger Baustein in der Vermarktung. Und ja, wir spüren an der Stimmung der Leser, dass Corona zur Zeit alles überlagert, auch und gerade das Fernweh - was absolut verständlich ist.
Wir sind trotzdem optimistisch. Nach einer Instagram-Umfrage, die wir gerade durchgeführt haben, will ein Großteil unserer Fans die freie Zeit zum Lesen nutzen. Das freut uns auch deshalb, weil in Kürze unser erstes Buch zum nachhaltigen Reisen erscheinen soll. Daran halten wir fest – denn das Thema ist einfach zu wichtig. Und irgendwann kehrt auch die Reise-Normalität wieder zurück!"
Elisaveta Schadrin-Esse ist Herausgeberin des Reisemagazin The Fernweh Collective.
Frauke Schmidt von Unplanned
"Auch uns hat der Coronavirus fest im Griff – die Welt scheint den Atem anzuhalten. Das spüren wir als kleiner Reiseveranstalter natürlich in hohem Maße. Wie auch die Musikbranche bereits dazu aufrief, die Konzertkarten für einen späteren Ausweichtermin zu behalten, so können wir auch nur daran appellieren, den geplanten Urlaub umzubuchen statt zu stornieren. Denn sonst stehen viele kleine Veranstalter, Unterkünfte und Guides bald vor dem Aus. Wir selbst arbeiten aus dem Homeoffice auf Hochtouren daran, gute Lösungen für uns und unsere Abenteurer zu finden und hoffen darauf, abenteuerlustige Reisende in nicht zu ferner Zukunft wieder ins Unbekannte schicken zu dürfen."
Frauke Schmidt ist Gründerin von unplanned, einer Buchungsplattform für außergewöhnliche Reisen.
Julia Lassner von Globusliebe
"Heute habe ich mir mein Home Office spartanisch auf der Dachterrasse aufgebaut, um in der Sonne arbeiten zu können. Eigentlich nichts Ungewöhnliches für mich. Dass heute Montag ist und mein Postfach stillsteht ist jedoch sehr ungewöhnlich. Die Coronakrise trifft die Reisebranche mit voller Wucht. Nach und nach werden Projekte gecancelt, Aufträge zurückgezogen und Reisen storniert. Fast 10.000 Euro habe ich für die kommenden Monate bereits von meiner Einnahmenliste gestrichen und das scheint erst der Anfang zu sein. Da niemand abschätzen kann, wie sich die Lage entwickeln wird, wächst der Druck von Tag zu Tag. Noch bin ich nicht am Existenzminimum, aber ich habe Angst davor, dass dieses Jahr für mich als Selbstständige böse enden wird."
Julia Lassner ist freischaffende Autorin und bloggt auf Globusliebe übers Reisen.
Karolina Rosina-Meisen von Take Me to the Lakes
"Unsere Bücher sind regionale Guide und für viele eine Inspiration für etwas, für das sie in kein Flugzeug steigen müssen. Obwohl unsere Bücher (in Zeiten von Corona) auch ein Wegweiser für Ausflüge in die Natur sein können – fernab von Menschenmengen – merken wir die Krise mittlerweile auch. Um das gesamte Ausmaß zu sehen, muss man, was die Verkaufszahlen angeht, den März/April abwarten."
Karolina Rosina-Meisen ist Mitherausgeberin der Reiseführer von Take me to the Lakes.
Judith Hehl und Franziska Diallo von Good Travel
"Natürlich spüren wir einen enormen Rückgang von Traffic auf unserer Seite – momentan will einfach niemand seinen nächsten Urlaub planen. Wir machen uns aber viel mehr Sorgen um unsere Partner, also die Hotels und Vermieter. Sie spüren die Krise jetzt schon in ihrer vollen Wucht. Mit Ostern fängt bei vielen die Saison so richtig an, das fällt jetzt komplett aus. Größtenteils verzichten die Unterkunftsbetreiber auch auf Stornierungsgebühren, in der Hoffnung, die Gäste verschieben ihren Urlaub. So dass sie sich nach der Krise wieder auffangen können. Das hoffen wir auch! Mittelfristig wird es auch uns treffen. Wir hoffen sehr, dass der Branche mit Finanzmitteln geholfen wird."
Judith Hehl und Franziska Diallo haben die Buchungsplattform für nachhaltige Unterkünfte Good Travel gegründet.
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