Sonja Koller Drei-Gänge-Menü durch: den Schwarzwald
In unserer Reihe "Drei-Gänge-Menü" nehmen wir dich mit auf eine Food-Tour der besonderen Art. Wir stellen dir Gerichte, kulinarische Highlights und Must-Trys einer Stadt, einer Region oder eines Landes vor und führen dich zu den Orten, wo sie am besten schmecken. Diesmal: der Schwarzwald.
Auf den ersten Blick ist der Schwarzwald keine der kulinarischen Größen Europas. Wenn man die Region im Südwesten Deutschlands aber genauer unter die Lupe nimmt, stößt man auf viele Spezialitäten, die teilweise sogar über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt sind. Was wäre der Schwarzwald und die Welt ohne Kirschtorte? Die Badische Küche, die aus dem westlichen Teil von Baden-Württemberg stammt, hat einige Publikumslieblinge wie Käsespätzle und Maultaschen hervorgebracht oder zumindest weiterentwickelt. Ich nehme dich mit auf einen kulinarischen Streifzug durch den Schwarzwald, stelle dir die kulinarischen Highlights vor und verrate, wo du sie am besten probierst.
1. Gang: Lange Rote
Als ich Freund*innen und Familie nach kulinarischen Tipps in und um Freiburg frage, sind sich alle einig: Ich muss eine Lange Rote probieren. Was als Freiburgs knackigstes Wahrzeichen vermarktet wird, ist wahrlich eine Institution in der Stadt. Hinter dem Namen versteckt sich eine rote Rostbratwurst, deren Besonderheit ist, dass sie ohne Darm daherkommt. In die Stadt gebracht wurde die Wurst 1949, als ein Bäcker neben Brötchen und Co. auch Würstchen aus dem Wasserkessel anbot. Zwei Jahre später wurden sie zum Anbraten auf den Grill am Marktplatz verlegt und fand so ihren Weg in die Herzen der Freiburger*innen.
Um die Lange Rote zu genießen, gibt es in Freiburg einen Ort: den Münstermarkt, der von Montag bis Samstag vor dem Freiburger Münster stattfindet. Während auf anderen Wochenmärkten meist Früchte- und Gemüsestände überwiegen, gibt es auf dem Münstermarkt eine klare Vorherrschaft der Würstelbuden. Vor der Kirche reihen sich gleich sieben davon nebeneinander. Leider suche ich die online angepriesene vegane Variante der Spezialität vergeblich. Es heißt also durchbeißen: Ich bestelle die Lange Rote, wie hier typisch, mit Zwiebel im Brötchen und toppe sie mit Senf und Curry-Ketchup. Weil das namensgebende Feature der Langen Roten nicht so praktisch ist, teilt sie der Verkäufer im Brötchen einmal und macht sie somit wieder – man traut es sich kaum zu sagen – zu einer auf mich relativ durchschnittlich wirkenden Wurst. Das Fazit einer Veganerin auf Umwegen: Schmeckt gut, aber warum ganz Freiburg verrückt nach ausgerechnet dieser Wurst ist, kann ich (noch) nicht nachvollziehen.
Münstermarkt | Münsterplatz, 79098 Freiburg im Breisgau | Montag bis Samstag: 7.30–13.30 Uhr | Zur Webseite
2. GANG: BRÄGELE MIT BIBILISKÄS
Hätte man mir die Karte des Schwabentörle vor ein paar Tagen vorgelegt, ich hätte keine Ahnung, was sich hinter „Brägele mit Bibiliskäs“ versteckt. Süß? Pikant? Vorspeise oder Dessert? Es sind die zwei vegetarischen Bestandteile des Badischen Dreierlei, das traditionell zusätzlich mit einem Wurstsalat daherkommt: Hinter dem Namen Brägerle verstecken sich Bratkartoffeln und der Biblikäs ist eine Art Frischkäse, der seinen Namen vermutlich daher hat, dass Bäuer*innen früher Küken, also Bibbeli, damit nach der Geburt gefüttert haben. Häufig wird Biblikäs mit Kräutern serviert und schmeckt für mich sehr mild und angenehm.
Je südlicher du im Schwarzwald unterwegs bist, desto mehr verschmelzen die Bratkartoffeln übrigens zu einer Masse. Während über der Grenze in Basel Rösti beliebt sind, gibt es auf der deutschen Seite auch noch den Brägel als kartoffelige Zwischenstation zwischen Brägele und Rösti. Dabei werden gekochte und abgekühlte Kartoffeln gerieben und als Masse knusprig gebraten. Um Brägele mit Biblikäse und andere badische Klassiker zu probieren, empfehle ich das Schwabentörle. Im traditionellen Restaurant werden neben Fleisch auch einige vegetarische Alternativen und regionale Weine serviert. Mitten in der Altstadt herrscht in der kleinen Gaststube eine gemütliche Atmosphäre, in der ich mich gleich wie bei Oma zu Hause fühle. Das wissen aber auch die Freiburger*innen, weshalb sich eine Reservierung lohnt.
Schwabentörle | Oberlinden 23, 79098 Freiburg im Breisgau | Dienstag: 17.30–23 Uhr, Mittwoch bis Samstag: 11.30–14.30 & 17.30–23 Uhr | Zur Webseite
3. Gang: Schwarzwälder Kirschtorte
Den Schwarzwald erkunden, ohne die heimische Kirschtorte gegessen zu haben? Für mich keine Option. Natürlich will ich die beste Torte der Region kosten. Dafür gibt es sogar einen offiziellen Wettbewerb auf dem jährlichen Schwarzwälder Kirschtortenfestival. 2018 ging der Preis an die Konditorin von Zum Gscheiten Beck. Hier kannst du eine solche Gewinnertorte nicht nur schmecken, sondern beim Schaubacken jeden Donnerstag um 11 Uhr auch zusehen, wie sie hergestellt wird. Für mich ist die Schwarzwälder Kirschtorte, die ich im Schwarzwald probiere, tatsächlich die beste Version bisher. Vielleicht liegt es daran, dass das Kirschwasser, das darin verwendet wird, traditionell in der Region hergestellt und daher lokal ist. Für mich neu: Beim Servieren wird aus einem vergoldeten Sprüher noch etwas davon auf mein Stück geträufelt. Vielleicht bin ich nach dem Aufessen also einfach ein bisschen beschwipster als sonst.
Die Schwarzwälder Kirschtorte wurde wahrscheinlich gar nicht im Schwarzwald erfunden. Zumindest aus Baden-Württemberg stammt sie aber trotzdem. Es soll ein junger Schwabe aus Riedlingen gewesen sein, der die Torte 1915 bei einem Bäcker in Bonn erstmals im Zuge seiner Meisterprüfung zubereitete. Als er diese dann bestand und ein eigenes Café eröffnete, zog die Schwarzwälder Kirschtorte mit ihm ins badische Radolfzell am Bodensee. Eine große Innovation war die Torte aber nicht: Das Rezept ist inspiriert von Kuchen, die es in kirschenreichen Jahren im Schwarzwald sowieso schon oft gab. Während in Radolfzell ein Rezept der Version aus 1915 aufbewahrt ist, ist diese Version der Entstehungsgeschichte aber zumindest umstritten und immer wieder kursieren auch andere Mythen rund um die Sahnetorte.
Zum Gscheiten Beck | Bahnhofstraße 3, 79868 Feldberg (Schwarzwald) | Dienstag bis Samstag: 10–18 Uhr, in der Nebensaison teilweise abweichende Öffnungszeiten nur am Wochenende | Zur Website
