Kann kostenloser Nahverkehr unser Reiseverhalten verändern?
In unserer Reihe "Future Travel" beantworten wir spannende Fragen zum Thema Nachhaltigkeit im Tourismus und wie wir in Zukunft reisen werden. Kann Massentourismus nachhaltig sein? Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf unser Reiseverhalten? Worauf sollte ich bei der Kompensation meiner Reise achten? Welche alternativen Reisemodelle gibt es? Diesen und vielen weiteren Fragen gehen wir mit diesem Format auf den Grund. Hast du selbst eine interessante Frage zum Thema? Dann schreib uns an kontakt@reisevergnuegen.com.
Subventionen für das klimaschädlichste aller Verkehrsmittel
Wir vom Reisevergnügen sind große Nachtzug-Fans, denn mittlerweile gibt es in Europa tolle Langstreckenverbindungen, mit denen du Hunderte von Kilometern auf Gleisen erkunden kannst. Leider sind Bahnreisen oftmals relativ teuer, besonders im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln. Selbst innerhalb Deutschlands ist es erschreckend, dass es Flugverbindungen gibt, die günstiger sind als ein Bahnticket. Wie kann das überhaupt sein? Noch immer wird das klimaschädlichste aller Verkehrsmittel, das Flugzeug, jährlich mit 12 Milliarden Euro subventioniert. Das ist ganz schön verrückt, denn der Klimawandel ist das wichtigste Thema unserer Zukunft.
Aber es gibt auch gute Nachrichten: Seit 2022 gibt es in Deutschland das erste Mal die Möglichkeit, wirklich günstig mit der Bahn zu reisen. Damals wurde im Sommer das 9-Euro-Ticket eingeführt, mit dem wir für jeweils neun Euro im Monat deutschlandweit den Regionalverkehr nutzen konnten. 2023 folgte dann das 49-Euro-Ticket, das dem gleichen Prinzip folgt, nur eben für 40 Euro mehr. Dabei habe ich mich gefragt: Wie würde eine Zukunft mit kostenlosem ÖPNV eigentlich aussehen und würden wir dann auch anders reisen?
Kostenloser Nahverkehr von Tallinn bis Pfaffenhofen
Als erste europäische Stadt überhaupt hat Tallinn schon 2013 kostenlosen Nahverkehr eingeführt. Mittlerweile gilt das sogar in vielen Teilen Estlands, sodass die Einwohner*innen für die Nutzung von Bus und Bahn nichts zahlen müssen. In den ersten Jahren hat das nicht nur dazu geführt, dass der Nahverkehr insgesamt um zehn Prozent mehr genutzt wurde als vor dem Einführen des Tickets, es wurden auch deutlich weniger Autos angemeldet. Als erstes Land weltweit hat Luxemburg im März 2020 den kostenlosen öffentlichen Nah- und Fernverkehr eingeführt. Egal ob 2. Klasse im Zug, in der Straßenbahn oder im Bus, Luxemburger*innen und Touristen müssen keine Fahrscheine mehr lösen, um die Öffis nutzen zu können.
Auch in der französischen Student*innenstadt Montpellier kannst du seit Dezember 2023 kostenlos mit den öffentlichen Nahverkehrsmitteln fahren. Und im Kampf gegen den Klimawandel hat die bayerische Kreisstadt Pfaffenhofen 2018 einen kostenlosen Stadtbus eingeführt. Anfänglich nutzten rund 1000 Fahrgäste das Angebot, mittlerweile hat sich diese Zahl verdreifacht. Das ist für eine Gemeinde, die zwischen den Zentralen von Audi und BMW liegt, auf jeden Fall eine positive Veränderung in Hinblick auf den Klimaschutz.
Wenn man sich Gedanken ums Geld machen muss, dann ist der ökologische Aspekt leider oft zweitrangig und auch ich habe mich leider in der Vergangenheit schon für die kostengünstigere Option entschieden
Sicherlich kann günstiger Nahverkehr eine Anregung sein, dass mehr Menschen auf Bus und Bahn umsteigen, doch dafür muss auch die Infrastruktur vorhanden sein und die Kapazitäten der Verkehrsbetriebe müssen weiter ausgebaut werden. Wie können also Autofahrer*innen zu Bahnfahrer*innen werden?
Wie kann kostenloser Nahverkehr finanziert werden?
Für mich als Studierende ist die Antwort auf die Frage, wie ich reise, zunächst auf jeden Fall simpel zu beantworten. Wenn man sich Gedanken ums Geld machen muss, dann ist der ökologische Aspekt leider oft zweitrangig und auch ich habe mich leider in der Vergangenheit schon für die kostengünstigere Option entschieden – unabhängig von der Klimawirksamkeit. Ich habe dann immer versucht, sehr früh nach günstigen Bahntickets zu schauen und hatte dabei meistens Glück. Einmal bin ich sogar 38 Stunden mit dem Bus nach Sardinien gefahren. Doch kurzfristig an erschwingliche Bahntickets zu kommen, ist noch immer ein Ding der Unmöglichkeit – das muss sich auf jeden Fall ändern!
Sicher, ganz so einfach ist es mit dem kostenlosen Nahverkehr nicht, denn die Gelder, die dann fehlen, müssen an anderer Stelle durch die Steuerzahler*innen wieder eingenommen werden. Wenn man aber bedenkt, dass 12 Milliarden Euro an Subventionsgeldern in den Flugverkehr fließen, ist es doch nicht allzu utopisch anzunehmen, dass diese Gelder auch in eine energiefreundlichere Zukunft investiert werden könnten?
Wenn man aber bedenkt, dass 12 Milliarden Euro an Subventionsgeldern in den Flugverkehr fließen, ist es doch nicht allzu utopisch anzunehmen, dass diese Gelder auch in eine energiefreundlichere Zukunft investiert werden könnten?
Insgesamt wurde das 9-Euro-Ticket übrigens 52 Millionen Mal verkauft, was nicht nur die große Nachfrage nach günstigen Bahntickets zeigt, sondern auch, dass die Menschen auch auf den Zug als Transportmittel umsteigen wollen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass der Fokus in Zukunft auf bezahlbaren Tickets für alle und eine gute Anbindung liegt. Mit der Bahn reisen bedeutet auch, dass du neue Abenteuer außerhalb deiner Komfortzone erleben kannst.