Hüttenwanderung im Montafon – Drei Tage im hochalpinen Westen Österreichs

© Charlott Tornow

Ich komme aus dem flachen Osten Deutschlands, weshalb einer meiner absoluten Sehnsuchtsorte die Berge sind. Ich muss wenigstens einmal im Jahr nach Österreich oder in die Schweiz reisen und wandern gehen, bis meine Beine brennen und mir die Puste ausgeht. Eventuell hat mich die Höhenluft ja süchtig gemacht oder laufen ist meine Art der Meditation, aber irgendwann hab ich festgestellt, dass eintägige Touren nicht mehr reichen, um die Sehnsucht zu stillen. Next level also: eine mehrtägige Hüttenwanderung. Und die sollte ins Montafon gehen, eine Region im Österreichischen Bundesland Vorarlberg. Das Montafon besteht aus vier verschiedenen Naturlandschaften, von der die Silvretta die hochalpine ist – schroffe Berge, riesige Gletscher und ein paar abgelegene Hütten. Klingt das auch nach genau deinem Ding? Dann folge mir in diesem Artikel auf meiner dreitägigen Tour…

Tag 1: Vom Silvretta-Stausee zur Wiesbadener Hütte

Von Garschun, wo ich am Vortag abends ankomme, geht es mit dem Bus hoch zum Silvretta-Stausee. Ich versuche, einen guten Moment abzuwarten, an dem es nicht regnet, aber der ganze Tag ist von Schauern durchzogen. Tatsächlich weiß ich irgendwann nicht mehr, ob ich vom Regen oder von Schweiß nass bin, denn es geht die ersten drei Stunden stetig bergauf: über steile Geröllfelder, entlang kleiner Wasserfälle und mehr oder weniger trittsicheren Abhängen.

Die erste Etappe hat es in sich und stellt meine körperliche Verfassung – immerhin war ich ein Jahr nicht mehr wandern – direkt auf die Probe. Gerne würde ich mich wie die Murmeltiere, denen ich immer wieder begegne, in einem Bau verstecken, aber ich will ja meine erste Hütte für die Nacht erreichen. Also beiße ich die Zähne zusammen, genieße die wolkenverhangene Aussicht auf die grün bewachsenen Berge, die wenigen Momente Sonnenschein und die Steinbockherde, die ich von Weitem auf einem Plateau grasen sehe.

Silvretta Stausee, Montafon
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Hüttenwanderung Montafon
© Charlott Tornow

Nach fünf Stunden komme ich an der Wiesbadener Hütte an. Die Hütte des Deutschen Alpenvereins liegt seit Ende des 19. Jahrhunderts spektakulär am Fuße des Ochsentaler Gletschers und wird seit jeher von Alpinist*innen als Basis für die Besteigung des Gletschers und des höchsten Berges des Montafon, dem Piz Buin, genutzt. Hier schläft man in Mehrbettzimmern und -lagern, einen leichten Leinenschlafsack sollte man generell bei Hüttenübernachtungen dabei haben, denn auf den Betten stehen nur dicke Wolldecken und Kissen bereit. Auch Hausschuhe sind unersetzlich, denn oberstes Gebot auf der Hütte ist: Schuhe aus!

Ich hatte mich auf Jugendherbergsfeeling eingestellt und bin überrascht, dass ich ein Vierbettzimmer für mich allein habe. Aber es ist auch, jetzt Anfang Juli, der Beginn der Wandersaison. Die Oropax können heute Nacht also im Rucksack bleiben. Punkt 18 Uhr gibt es für alle Abendessen, das unprätentiös ist, aber nach dem langen Tag satt macht. Zunächst ärgerlich, dann aber ziemlich entschleunigend ist, dass es hier oben gar keinen Empfang gibt und ich auch ansonsten nichts zur Unterhaltung dabei habe. Also liege ich im Bett und tippe auf meinem Handy die ersten Erlebnisse des Tages nieder.

Hüttenwanderung Montafon, Steinbock
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Wiesbadener Hütte, Montafon
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Etappe 1: 7,7km, Gehzeit: 3:35 Stunden, bergauf: 704m, bergab 291m | Mehr Infos zur Etappe

Tag 2: Von der Wiesbadener Hütte zur Saarbrücker Hütte

Der zweite Tag beginnt wunderbar sonnig, sodass ich das Panorama hier endlich wirklich wahrnehmen kann. Der Ochsentaler Gletscher ragt vor der Hütte imposant in die Höhe, wobei ich nicht umhin komme, mir vorzustellen, wie der Gletscher noch vor 100 Jahren ausgesehen haben muss. Eine Ausstellung in der Hütte klärt über die Auswirkungen des Klimawandels auf und hier in den Alpen wird schmerzhaft sichtbar, wie wenig von den einst mächtigen Eismassen übrig geblieben ist. Nach dem Frühstück starte ich gegen 8 Uhr. Zunächst wandere ich bergab entlang des Flusses Ill, der sich aus dem Schmelzwasser der noch mit Schnee bedeckten Berge speist, Richtung Silvretta-Stausee. Diese Route zwischen Wiesbadener Hütte und Stausee ist übrigens eine Alternative zu dem Weg, den ich gestern gelaufen bin, ich wollte aber nicht zweimal den gleichen Weg nehmen. 

Hüttenwanderung Montafon, ochsentaler gletscher
© Charlott Tornow
Hüttenwanderung Montafon
© Charlott Tornow

Am Stausee angekommen, biege ich links Richtung Klostertal ab und folge einer grünen Auenlandschaft entlang des Klostertaler Baches. Nach knapp zwei Stunden entspannten Laufens wird es sportlich: Der Weg hoch zum Verhupftäli ist eine steile, schweißtreibende Kletterpartie – während ich aber gestern bei der kleinsten Anstrengung innerlich fluchte, genieße ich heute die Herausforderung. Zwei Stunden geht es stetig bergauf, am Anfang über bewachsene Hänge, später über das zerklüftete Geröllfeld des Litzner Sattels.

Hüttenwanderung Montafon
© Charlott Tornow

Kurz bevor es dann final bergab zur Saarbrücker Hütte geht, gibt ein kleiner Bergsee auf 2700 Metern noch mit seinem türkisfarbenen Wasser an und lässt mich kurz verschnaufen. Obwohl ich mich auf den Abstieg gefreut habe, werden meine Beine nochmal ordentlich beansprucht – eine Schlitterpartie durch Geröll und matschige Schneemassen kann es auch in sich haben. Aber der Blick auf die Saarbrücker Hütte spornt mich an, denn die liegt ähnlich spektakulär an einem mächtigen Felsen.

Das Holzhäuschen ist klein und fein, gerade mal 60 Personen können hier übernachten. Ich gönne mir nach zwei Tagen Wanderung eine warme Dusche und stärke mich vor dem Abendessen mit einem überdimsenionalen Krapfen mit Apfelmus und Preiselbeeren. Zum Abendessen gibt es wieder eine Vor-, Haupt- und Nachspeise, das Essen hier schmeckt aber wesentlich besser als gestern. Übrigens: Wer vorher Bescheid sagt, bekommt auf den Hütten sogar vegetarisches oder veganes Essen.

Saarbrücker Hütte, Montafon
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Saarbrücker Hütte, Montafon
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Saarbrücker Hütte, Montafon
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Etappe 2: 10,7km, Gehzeit: 4:45 Stunden, bergauf: 798m, bergab: 706m | Mehr Infos zur Etappe

Tag 3: Von der Saarbrücker Hütte nach Gargellen

Am dritten Tag muss ich ordentlich Strecke zurücklegen, denn ich will zurück ins Tal, muss dafür aber zwei ganze Etappen laufen. Deswegen wache ich schon früh auf und erlebe einen wahnsinnigen Sonnenaufgang. Unter der Hütte, auf knapp 2500 Höhenmetern, schwebt ein dichter Nebelteppich, der langsam nach oben zieht und sich quasi vor mir auflöst. Ich kann kaum den Blick davon abwenden, breche ich aber nach dem Frühstück 7.30 Uhr auf. Die erste Etappe führt mich vorbei an einem alten Zollhaus auf die Schweizer Seite zum Plattenjoch.

Die Aussicht von hier ist wieder phänomenal. Ich befinde mich auf einem Hochplateau und bin umgeben von hoch aufragenden, gezackten Bergen. Ich fühle mich nicht nur on top of the world, sondern auch am Ende ebenjener – kein Zeichen jeglicher Zivilisation, nur die nackten Berge und ein paar bunte Alpenblumen. Genau deshalb wollte ich eine Hüttentour machen: Um an Orte zu wandern, die man nicht mit dem Zubringerbus oder der Gondel und einem kurzen Spaziergang erreicht. Es war Arbeit, hier hin zu gelangen, und die zahlt sich jetzt aus.

Saarbrücker Hütte, Sonnenaufgang
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hüttenwanderung montafon
© Charlott Tornow
Hüttenwanderung Montafon, Verhuptäli
© Charlott Tornow

Mein erster Stop ist die Tübinger Hütte auf der anderen Seite des Hochplateaus. Ich überquere die Seelücke und finde mich in einer unglaublich grünen Landschaft wider. Ich habe das Gefühl, bei der Überquerung durch ein Portal in eine andere Welt geschlüpft zu sein und staune einmal mehr, wie vielfältig die Landschaft des Montafon ist. Wer mehr Zeit hat, dem empfehle ich, einen geruhsamen Tag auf der Tübinger Hütte einzulegen und den Ausblick auf die umliegenden Berge zu legen. Die Hütte ist ähnlich klein und fein wie die Saarbrücker und auch das Essen ist richtig gut.

Da vor mir noch eine weitere Etappe von knapp 12 Kilometern liegt, stärke ich mich mit einem veganen Curry und breche danach auf. Eigentlich hatte ich mich am Ende auf den Abstieg gefreut, aber der zieht sich fast drei Stunden durch das Vergaldnertal. Mittlerweile schon ziemlich erschöpft gibt mir ein Apfelstrudel auf der Alpe Vergalden eine Stunde vor Ankunft den letzten Energieschub. Wer Urlaub in Gargellen macht, sollte der Alpe unbedingt einen Besuch abstatten, denn die ist bekannt für ihren Sura Kees, einem Käse, der typisch fürs Montafon ist.

hüttenwanderung montafon
© Charlott Tornow
alpenhotel heimspitze
© Charlott Tornow

In Gargellen ankommen, schaue ich nochmal taleinwärts bis ans Ende zu den mächtigen Bergen, die ich noch vor ein paar Stunden überquert habe. Früher habe ich mich immer gefragt, was sich hinter den Bergspitzen befindet und ob man da wohl hinkommt. Jetzt weiß ich, dass es möglich ist und plane schon die nächste Hüttenwanderung. Bevor ich zurück nach Hause fahre, checke ich für meine letzte Nacht im Montafon in das Alpenhotel Heimspitze ein. Das 4-Sterne-Hotel ist ein krasser Gegensatz zu den Hütten auf dem Berg, verwöhnt mich aber mit einer Sauna und einem 8-Gänge-Dinner, das es immer donnerstags gibt. Wenn du dir nach einer dreitägigen Hüttenwanderung richtig was gönnen willst, solltest du hier definitiv einkehren.

Etappe 3: 4,7km, Gehzeit: 2:45 Stunden, bergauf: 397m, bergab: 746m  | Mehr Infos zur Etappe

Etappe 4: 12,1km, Gehzeit: 5:00 Stunden, bergauf: 322m, bergab: 1113m  | Mehr Infos zur Etappe

Die Tour im Überblick

Hüttenwanderung Montafon

Wichtig zu wissen bei einer Hüttenwanderung

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