Destination Winterwunderland: Von Helsinki mit dem Nachtzug nach Lappland
Als ich noch verschlafen die Fensterblende in meinem Zimmer nach oben schiebe, kann ich meinen Augen kaum glauben: An mir rauscht eine weiße Winterlandschaft aus dem Bilderbuch vorbei, Reihen von Tannen hängen schwer beladen mit Schnee nach unten, das Firmament leuchtet in Orange- und Pinktönen. Natürlich habe ich mir schon vor meiner Fahrt mit dem Nachtzug nach Lappland genau diese Aussicht gewünscht, aber sie jetzt in echt zu sehen, übersteigt einfach alle Erwartungen.
Ich klebe wie hypnotisiert am Fenster, bis ich nach ein paar Minuten auf die Idee komme, meinen Freund zu wecken und ein paar verwackelte Fotos und Videos zu machen. Wir putzen uns im Zimmer am Waschbecken gemächlich die Zähne, ziehen uns an und schauen im Zimmer nebenan nach unseren Freunden, die uns gegen 9 Uhr ins Restaurantabteil begleiten. Hier vergessen wir fast zu frühstücken, weil die Landschaft durch die großen Panoramafenster einfach noch atemberaubender ist.
Entspannt und unerwartet luxuriös
Ich bin nicht nur von der Aussicht, sondern auch von meiner allerersten Nachtzugfahrt überhaupt ziemlich begeistert. Ich habe schon jede Menge Storys von schlecht ausgestatteten Zügen und grenzwertigen Hygienesituationen gehört und mich quasi auf das Schlimmste gefasst gemacht. Aber der Santa Claus Express, wie der Nachtzug von Helsinki nach Lappland auch genannt wird, ist modern, komfortabel und sauber.
Wir sind zu viert unterwegs und haben als Pärchen jeweils ein Zimmer mit einem Doppelstockbett gebucht, das pro Person rund 100 Euro gekostet hat. Unsere Zimmer haben genügend Stauraum, um Koffer und sogar großes Wintersportquipment zu verstauen. Hinter einer kleinen Tür verbirgt sich ein Waschbecken mit Spiegel, die Betten sind bezogen und sogar ein Handtuch liegt bereit. Auf kleinstem Raum ist es hier richtig gemütlich. Fast luxuriös finde ich die Dusche auf dem Gang, mit der ich nicht gerechnet habe: Alle Passagier*innen, die ein Zimmer gebucht haben, können eine kleine Duschkabine nutzen, die sich in jedem Waggon des Nachtzugs befindet.
-19 Grad und das schönste Licht der Welt
In der Mitte, zwischen den alten und neuen Waggons des Zuges, befindet sich das Bordrestaurant, das für die Länge des Zuges und die entsprechende Anzahl der Passagier*innen etwas klein geraten ist. Meine kleine Reisegruppe hat sich vor der Abfahrt in Helsinki noch mit ein paar Lebensmittel eingedeckt. Im Restaurant gibt es aber eine große Auswahl an Speisen, sowohl zum Frühstück als auch zum Abendessen und sogar vegane Alternativen. Als der Zug in Helsinki pünktlich um 20.29 Uhr am 1. Januar losruckelt, belegen wir eine Vierersitzgruppe, kaufen uns Cider und Bier und spielen bis Mitternacht vergnügt Karten.
Der Zug hält nachts übrigens mehrere Male für längere Zeit an verschiedenen Haltestellen, sodass ich immer wieder hochschrecke und mich frage, ob wir zu spät ankommen und den Anschlussbus in unseren Zielort verpassen. Aber diese Sorge stellt sich als unbegründet heraus. Pünktlich erreicht der Zug nach 14,5 Stunden die Endstation Kolari im Norden Finnlands. Beim Aussteigen werde ich von -19 Grad begrüßt, eine Temperatur, die die Härchen in meiner Nase bei jedem Einatmen gefrieren lässt. Aber die Kälte ist beim Anblick des Schnees, der klaren und frischen Luft und dem warmen Licht, das uns noch den ganzen Tag begleiten wird, schnell vergessen.
Nach Ankunft in Kolari warten zwei große Busse auf die Passagier*innen, die weiter in die Region Ylläs fahren wollen. Wir nehmen den Bus in den winzigen Ort Äkäslompolo, machen es uns für die nächsten 45 Minuten ganz vorn hinter dem Fahrer bequem und staunen einmal mehr über die unglaubliche Landschaft, die sich vor uns auftut und die für die nächsten sechs Tage unsere Heimat in der Ferne ist.