Eure 11 schönsten Geschichten über das Reisen mit dem Zug
"Was ist deine schönste Erinnerung an eine Zugreise?" Diese Frage haben wir unseren Leser*innen im Zuge unserer Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn gestellt. Die Kooperation hat mich nicht nur auf einer wunderschönen Reise mit dem Interrail Global-Pass von Berlin nach Porto geführt, ich habe auch in diesem Artikel zahlreiche Tipps gegeben, was du bei der Planung deiner eigenen Interrail-Reise beachten kannst.
Über 200 Nachrichten haben wir auf die Frage erhalten, in denen ihr uns mal kurz und knapp, mal ausführlich und ausschweifend davon erzählt, wie einzelne Bahnfahrten euer Leben bereichert und verändert oder euch eine neue Perspektive gegeben haben, wie ihr neue Freundschaften geschlossen oder die Liebe eures Lebens gefunden habt. Vielen Dank an alle, die ihre Erinnerungen mit uns geteilt haben – die Lektüre war bewegend, erheiternd und auch für uns eine kleine emotionale Reise. Wir haben aus den vielen Geschichten 11 ausgewählt, die vor allem eines zeigen: Reisen im Allgemeinen und Zugfahren im Besonderen verbindet. Und weil das weiterhin so sein soll, erhalten die Personen, deren Geschichten wir ausgewählt haben, einen Interrail Global-Pass für einen Monat.
von Friedrike A: Heute hat Europa Spaß gemacht
Habt ihr schonmal eine wilde UNO-Runde nachts um 1 Uhr mit ungarischen, syrischen und deutschen Mitreisenden gezockt? Verlierer schläft auf der Gepäckablage! Ich habe diese wunderbar wilde Fahrt im Herbst 2015 erlebt. Ich lebte zu dem Zeitpunkt in Budapest und war auf dem Weg nach Deutschland für einen Familienbesuch. Die politische Situation in Ungarn war 2015 mehr als angespannt. Im Sommer saßen viele Geflüchtete am Ostbahnhof fest und dominierten das Stadtbild, während Viktor Orban gezielt rechte Erzählungen im Parlament und in den immer mehr unter Staatskontrolle gebrachten Medien verbreitete. Auch liberale Ungar*innen waren verunsichert von der Situation, vielleicht ja doch Grenzen schließen? Mauern wurden geplant, Stacheldraht aufgestellt, Hetze verbreitet. Der alte, klapprige Zug Richtung Dresden wurde mehrfach an verschiedenen Grenzen aufgehalten, miesgelaunte Grenzbeamte kontrollierten Pässe, ohne sich auch nur einen Milimeter Mühe zu geben, ihre rassistische Kontrollpraxis zu verbergen. In unserem bunten Sechserabteil entwickelte sich gegenläufig eine immer ausgelassenere Runde. Das ungarische Ehepaar teilte ihr üppiges Abendessen, die zwei sichtlich überforderten syrischen Jungs lernten die Unterschiede verschiedener Salamisorten kennen, ich übersetzte so gut es ging. Ein Spiel, das keine Übersetzung brauchte, rettete dann die späten Abendstunden. Wir erfanden Extraregeln, Strafen bei Fehlern und erfreuten uns an der Überforderung der ungarischen Mittfünfzigerin in den "Speedrunden". Nachdem sie einen wenig überzeugten Blick auf die Gepäckablage warf, bot dann doch einer der Jungs an, dort zu schlafen. In Dresden angekommen verabschieden wir uns und die Jungs zeigen auf ihrem Handy den Abschiedsgruß übersetzt von Google Translate: "Heute hat Europa Spaß gemacht“. Europa sollte ein Ort sein, der allen Menschen Spaß macht! Unser Privileg, fast schon unbemerkt Grenzen passieren zu können, wird an der Aussage der beiden Jungs brutal sichtbar. Ihnen hat Europa bis dahin (und leider vermutlich auch danach häufig) keinen Spaß gemacht. Rassismus, Schikane, Ausgrenzung. Reisen ist immer politisch – Reisen ist auch immer die Chance, Privilegien zu erkennen, zu teilen und mit Mitmenschen solidarisch umzugehen. Lasst uns Zugabteile zu grenzenlosen Räumen machen!
von Ann-Kathrin L: Therapie
Beruflich stand eine Reise nach Italien an. Der Flug gebucht und ich morgens um 4 am Flughafen. Der Flug wurde gecancelt und die 70-jährige Marianne und ich fanden uns. Beide teilten wir das Leid, von Köln nach Italien zu müssen, da aufgrund der Stürme in NRW nichts mehr flog. Wir fanden uns schnell zusammen und teilten nicht nur den Ärger über den verpassten Flug samt der Sorgen, wie wir nun nach Italien kommen (ich beruflich, sie um ihre Freundin zu sehen), sondern auch viel schlimmer: Liebeskummer. Mein Freund hatte sich zwei Tage zuvor von mir getrennt und Marianne hatte ein halbes Jahr zuvor ihren Ehemann verloren. Wir organisierten gemeinsam unsere lange Reise mit dem Zug nach Bologna – die für Marianne sehr aufregend war, immerhin war es ihre erste Zugreise in 25 Jahren – und führten tolle Gespräche. Marianne und ich therapierten und gegenseitig auf der Fahrt. Tauschten Anekdoten und schöne Geschichten aus und weinten gemeinsam. Um nichts würde ich diese Zugfahrt missen wollen.
von Luisa S: Ich empfehle eine Sitzplatzreservierung
Nachdem mein Freund und ich drei aufregende Tage in Serbiens Hauptstadt Belgrad verbracht hatten, nahmen wir zum ersten Mal auf unserer Interrail-Reise den Nachtzug. Damit konnten wir uns eine Übernachtung sparen und so die Zeit optimal nutzen. Unser Ziel war die Küstenstadt Bar in Montenegro, die Fahrt dorthin sollte um die zwölf Stunden dauern. Da wir mit die ersten waren, die in den Zug einstiegen, hatten wir kein Problem damit, einen Platz in einem Abteil mit sechs Sitzplätzen zu finden. Jeder setzte sich natürlich ans Fenster, um ja nichts von der Aussicht zu verpassen. Ein paar Stationen später kam eine ältere Serbin in unser Abteil. Mit Händen und Füßen zeigte sie uns, wer wo am besten sitzen sollte. Uns war nicht klar, was diese Frau von uns wollte, jedoch gehorchten wir brav. Letzten Endes die beste Entscheidung, es stellte sich nämlich heraus, dass man die drei Sitze auf der linken Seite ausklappen konnte, sodass nun aus sechs Sitzplätzen drei recht bequeme Schlafmöglichkeiten entstanden. Mittlerweile war es 22 Uhr und wir bereiteten unser Lager für die Nacht vor. Gegen 1 Uhr nachts wurde plötzlich die Tür von unserem Zugabteil aufgerissen und eine Frau mit zwei Kindern stand dort. Sie hatten die Plätze reserviert. So mussten wir leider unser Abteil wieder in die ursprüngliche Position mit sechs Sitzplätzen umwandeln, damit die Familie Platz hatte. Schnell nahmen mein Freund und ich wieder jeweils die Fensterplätze in Anspruch. Und dann geschah es… der Sitz von meinem Freund ging – weiß der Geier wie – kaputt. Er war nach unten geklappt und alles andere als stabil. Ich musste ihm zuschauen, wie er verzweifelt versuchte, eine Sitzposition zu finden, bei der er keine Schmerzen hatte – vergeblich. Also verbrachte er die weitere Fahrt im Flur bei offenem Fenster im Gespräch mit einem Serben, während ich, den Kopf ans Fenster lehnend und den Kindern immer wieder aufmunternd zulächelnd, einigermaßen schlummern konnte. Ein Gutes hatte die Sache doch noch: Mein Freund konnte im Zug die beste Toilette für mich ausfindig machen! Trotz dessen, dass es sich um eine Nachtfahrt gehandelt und ich mehr oder weniger geschlafen hatte: Diese Route ist die schönste, die ich jemals mit dem Zug gefahren bin. Da können Bulgarien, Österreich, Ungarn, Italien und Slowenien nicht mithalten. Über die Berge und durch die Täler Serbiens bis hin zum Mittelmeer in Montenegro mitsamt eines Sonnenaufgangs, diese Strecke sollte jeder Interrail-Fan einmal gefahren sein! PS: Ich empfehle eine Sitzplatzreservierung.
von Toni K: Karma
Wir schreiben das Jahr 2016. In Deutschland ist die „Flüchtlingswelle“ gerade am abebben, als ich mit der Regionalbahn nach München fahre. Im Sitz gegenüber des Ganges sitzt eine junge Frau mit langen schwarzen Haaren und dunklem Teint. Auf dem Gang kommt eine Gruppe junger Männer entgegen, bei denen es sich um Flüchtlinge handeln könnte. Einer aus der Gruppe grüßt die junge Frau im Vorbeigehen und lächelt sie an. Sie lächelt zurück. Vielleicht haben sie sich schon mal gesehen? Nach einiger Zeit kommt der junge Mann zurück und setzt sich zu ihr. Sie unterhalten sich in gebrochenem Deutsch über ihre Herkunft und reden in normaler Lautstärke miteinander. Da dreht sich der vor ihnen sitzende Fahrgast um und bittet die beiden um mehr Ruhe. Sie lassen sich davon aber nicht stören und flirten munter weiter. Plötzlich dreht sich der Einheimische nochmals um und erklärt lautstark, dass er gerade von der Nachtschicht nach Hause fahre und deshalb seine Ruhe möchte. Sie sollten sich doch an die geltenden Regeln halten, weil es schließlich in Deutschland Brauch sei, sich im Zug leise zu unterhalten. Um den alten Nörgler nicht weiter zu stören, wechseln sie schließlich die Plätze. An der nächsten Station steigt eine Studentin zu und nimmt den Sitz des Pärchens ein. Kaum am Platz angekommen, holt sie ihr Handy raus und macht sich circa eine halbe Stunde lang bis zur Ankunft in München – für das gesamte Abteil laut hörbar – auf die Suche nach einer neuen Studentenwohnung. Der Vordermann murmelte nur noch leise grantelnd vor sich hin. Karma?
von Katharina H: Amore in Rom
Ich hatte mich soooo auf den Urlaub gefreut! Corona-Blues, wochenlange Recherche, Planung, Vorfreude. Mit meiner besten Freundin sollte es drei Wochen lang im letzten Sommer mit dem Zug durch Italien gehen. Und was passierte: Meine Freundin bekam drei Tage, bevor wir durchstarten wollten, Symptome und hielt dann auch bald ein positives Covid-Testergebnis in der Hand. Wir waren beide echt frustriert! Der Plan drohte zu scheitern. Zumal es ihr auch echt nicht gut ging, hohes Fieber. Sie tat mir sehr leid, dennoch stand natürlich die Option im Raum, dass ich alleine fahre. Ich war noch nie so lange allein im Urlaub. Und obwohl ich auch ein bisschen Angst hatte – und ein schlechtes Gewissen gegenüber der Freundin – spürte ich auch Lust auf dieses Abenteuer. Ich weihte meine Freundin behutsam ein in meine Gedanken – und sie fand die Idee super. Falls es ihr schnell besser geht, würde sie einfach nachkommen. Das fühlte sich auf einmal alles doch wieder stimmig an, sodass die Reise startete. Man, war ich aufgeregt! Aber allles lief gut. Der Zug fuhr pünktlich ab, es ging los. Nach einer guten Weile verspürte ich ein "natürliches Bedürfnis" – und hatte plötzlich ein Problem, an das ich vorher nicht gedacht hatte: Kann ich mein ganzes Gepäck unbeaufsichtigt stehen lassen? Irgendwie musste ich ja.... Ich sah mich im Zug um und bemerkte einen freundlich aussehenden Mann in meinem Alter. Ich fragte, ob er kurz ein Auge auf mein Gepäck haben könnte. Er nickte. Wegen der Maske sah man nicht so viel seines Gesichts. Aber: er hatte wunderschöne Augen. Als ich nach der Toilette wieder auf meinem Platz war, bedankte ich mich und wir kamen ins Gespräch. Die Zeit verflog und ich musste umsteigen. Um in der Hektik auch nichts zu vergessen, hab ich nicht mal nach seinem ganzen Namen gefragt. Ich wusste nur, dass er beruflich nach Rom wollte.
Als ich nun in Bozen, meinem ersten Stop, ausstieg und mich in Richtung meiner Unterkunft machte, hing ich in Gedanken diesem Mann nach. Kann man sich so schnell verlieben?! Ich verwarf den Gedanken. Ich war Single und schon länger auf der Suche. Aber nein, er war einfach nur freundlich zu mir, redete ich mir ein. Ich fand die Unterkunft, spazierte durch das hübsche Bozen, fühlte mich wohl – und konnte abends nicht schlafen, weil ER mir einfach nicht aus dem Kopf ging. Rom lag eigentlich nicht auf meiner Route, da ich da schon war. Aber sollte ich umplanen? Diesen Gedanken spielte ich hoch und runter. Wie wahrscheinlich war es, dass wir uns tatsächlich in Rom begegnen sollten? Verrückt alles. Ich versuchte, zu verdrängen. Meine Reise ging weiter, ich gewöhnte mich tatsächlich ans alleine reisen, schickte meiner Freundin Fotos, die sich langsam erholte, aber immer noch in Quarantäne war. Ich erzählte ihr von ihm. Sie war Feuer und Flamme und ermutigte mich, zumindest einen Tagesstop in Rom einzulegen. Als ich in Rom ein paar Tage später ankam und mich am Bahnhof orientierte, wurde mir erst wieder bewusst, wie verrückt mein Ansinnen war. Aber gut, nun war ich schon mal hier. Ich plante, mich einfach ein bisschen durch die Stadt treiben zu lassen. Er wollte ja beruflich nach Rom, wahrscheinlich saß er den ganzen Tag in irgendwelchen Meetings. Ein paar Mal kam es vor, dass ich jemanden sah, der ihm ähnelte – aber natürlich war er es nie. Ich hatte trotzdem einen schönen Tag und suchte gerade noch nach Proviant für die Weiterreise im Nachtzug, als er plötzlich dastand! Ich musste echt zweimal hinschauen. Aber nein, er musste es sein. Ich bewegte mich gefühlt in Zeitlupe auf ihn zu. Die Gefühle fuhren Achterbahn. Als er sich dann umdrehte, konnte ich gar nix sagen. Vielleicht erinnerte er sich gar nicht mehr an mich? Aber meine Angst war unbegründet. Er lächelte mich an und erinnerte sich sogar an meinen Namen. Er freute sich, mich zu sehen. Und ich spürte, dass er sich wirklich freute! Mein Herz sprang. Es klingt kitschig, ich weiß, aber es sprang tatsächlich. Wir unterhielten uns und mir war klar, dass ich heute ganz sicher nicht in den Zug steigen will. Er fragte mich, ob ich Lust hätte, mit ihm etwas essen zu gehen. Ich bejahte, die Stunden verflogen. Ich wusste noch nicht mal, wo ich schlafen sollte, aber zur Not wollte ich durchmachen. Die Nacht war so schön lau, sommerlich. Es war herrlich. Wir verstanden uns blendend. Irgendwann gestand ich ihm meine Situation und er bat mir tatsächlich an, mit in sein Hotel zu gehen. Früher hätte ich gesagt, dass ich sowas NIE machen würde. Aber es fühlte sich alles so gut an mit ihm. Also sagte ich zu. Es war ein schöne Nacht und ein schöner nächster Morgen. Wir tauschten Nummern aus, ich schwebte. Ich blieb noch drei Tage länger in Rom, bis er eigentlich wieder zurück nach Deutschland musste. Wir waren beide wirklich sehr verliebt und hatten Glück, weil sein Arbeitgeber ganz spontan zustimmte, dass er eine Woche Urlaub dran hängen konnte. Wir fuhren zusammen ans Meer, wo ich eh eine Unterkunft für mich und meine Freundin gebucht hatte, und hatten ein wunderschöne Zeit. In der dritten Urlaubswoche kam meine Freundin dann noch nach, mein Freund (und ja, wir sind jetzt seit einem knappen Jahr zusammen) fuhr zurück nach Deutschland und holte mich am Bahnhof ab, als wir eine Woche später wieder in München ankamen. Was soll ich sagen – manchmal hat das Leben einfach etwas ganz Tolles vor mit einem und selbst aus misslichen Lagen kann etwas ganz wunderbar Neues entstehen.
von Katrin R: Starlight Express auf Indisch
Ich saß im Zug von Hamburg nach Köln, ich war auf dem Weg, mal wieder meine Familie zu besuchen. Damals war ich erst frisch nach Hamburg gezogen und bin noch nicht so oft Zug gefahren und saß lieber zurückgezogen in einem kleinen Abteil, weil mich viele Menschen schnell verunsichert haben. Ich saß also in meinem Abteil und hab gelesen, als sich die Tür öffnete und eine Familie mit indischen Wurzeln hereinkam. Vater, Mutter und die beiden Kinder. Sobald der Zug wieder losfuhr, packte die Frau den Proviantkorb aus und stellte den kompletten Tisch voll mit Plastikdosen und Naan. Wir alle wissen, was passiert, wenn man den Deckel von Plastikdosen öffnet. Korrekt, das gesamte Abteil roch schlagartig nach indischem Essen. Ich für meinen Teil LIEBE indisches Essen und habe entsprechend sehr neidisch das Geschehen beobachtet. Das blieb natürlich nicht unbemerkt, also wurde ich von dem Vater eingeladen, an der Essensschlacht zu partizipieren und er drückte mir ein Naan in die Hand. Es hat sooooooo gut geschmeckt! Ich kam mit der Familie ins Gespräch und sie erzählte, dass sie absoluter Musical-Fan sei und auf dem Weg nach Oberhausen, um zum 18. Mal das Musical "Starlight Express" anzuschauen. Das nenn ich mal Hingabe! Den Rest der Fahrt habe ich mit den Kindern gemalt und Karten gespielt und mich nett unterhalten und ich muss sagen, diese Zugfahrt hat mir als Dorfkind, das frisch in die große Stadt gezogen war, viel Angst genommen. Seitdem fällt mir Zugfahren sehr leicht und ich genieße es sogar richtig.
von Britta H: Zeitreise
Meine schönste Erinnerung an eine Zugreise ist die an eine Heimreise aus Spanien vor fast 40 Jahren – also fast schon eine Zeitreise. Ich war mit einer großen Freundesgruppe vier Wochen ohne Eltern in der Nähe von Alicante in den Ferien gewesen. Keine Idee, wie ich damals meine Eltern davon überzeugt habe, dass das mit 16 schon in Ordnung geht. Aber es hat sich dann auch bestätigt, alles lief gut und es waren einfach tolle Ferien, in denen wir sehr viel Spaß hatten und auch in vielerlei Hinsicht selbstständig wurden. Auf der Rückreise von Alicante hatte der Zug irgendwo in the "middle of nowhere" eine Panne: Er hielt einfach an und stand über drei Stunden irgendwo auf einer relativ kleinen Nebenstrecke in der Mittagshitze herum. Keiner wusste etwas, wir stiegen aus und standen lange in der glühenden Sonne herum. Irgendwann war der Zug wohl fahrtüchtig gemacht worden und wir sind dann bis zum nächsten Bahnhof gefahren; dort in einen anderen Zug umgestiegen und über die spanisch-französische Grenze gefahren. 1983 war noch die „vor-Euro-vor-Handy-Zeit“ und wir haben uns von unseren letzten spanischen Peseten im Zug gerade nur noch etwas zu trinken kaufen können. Dann war wirklich alles Geld alle und wir waren ja noch ein Stück von zu Hause entfernt! Weiter ging es dann im Schlafwagen durch Frankreich: Wir hatten natürlich alle geplanten Anschlüsse verpasst und waren blank, hatten keine französischen Francs dabei – das hätte ja bedeutet, mega vorausschauend bei Banken zu Öffnungszeiten Geld zu wechseln. Aber egal: Im Zug haben wir sofort viele nette Leute kennengelernt, die mit uns geteilt haben, was sie zu essen und zu trinken dabei hatten und es war dann wirklich eine tolle Fahrt. Ich habe wirklich immer noch den „Hüttenschlafsack“ mit dem lila SNCF-Logo als Souvenir von der Übernachtung im Schlafwagen. Irgendwie haben wir dann aber doch sehr daraufhin gefiebert, endlich über die deutsche Grenze zu fahren. Denn ab da konnten wir uns wieder mit dem bisschen deutschen Geld, das wir auch noch dabei hatten, im Zug etwas zu essen kaufen. Kurz hinter Basel war es dann so weit: Wir haben alle zusammengelegt und uns ein Luxus-Wiener-Schnitzel mit Pommes gegönnt – so richtig im Speisewagen. Haben all unser Geld bis auf den letzten Pfennig auf den Kopf gehauen… und sind dann irgendwann glücklich, satt und voller toller Reiseeindrücke zurück nach Wiesbaden gekommen.
von Sarah P: Eddy
Meine schönste Reise ging von Berlin aus nach Meran in Südtirol vergangenen Sommer. Einmal quer durch Deutschland, vorbei an historischen Städten in Sachsen-Anhalt und grünen Wäldern in Thüringen (und einer Unmenge an Tunneln) freut man sich schon kurz vor München auf die Berge. Im Zug nach Bozen habe ich in meinem Abteil dann einen älteren Mann (Eddy) kennengelernt, wir sind über die Maskenpflicht ins Gespräch gekommen. Er erzählte mir, wie er gerade zu einem Konzert fährt, eine Freundin von ihm ist auf Tour und er sollte Fotos machen. Eddy war zuvor Polizist in den Niederlanden, dann Kriminologe und hat zuletzt als Forensiker gearbeitet, bevor er mit 50 Jahren beschlossen hat, jetzt doch lieber seiner großen Leidenschaft nachzugehen und Fotograf zu werden. Er erzählte mir von all den schönen Reisen, den Orten, die er besuchte und dass er jetzt das Gefühl hat, angekommen zu sein. Ich war super fasziniert, vor allem von Eddys Entscheidung in diesem Alter einen Neuanfang zu wagen. Und ja, warum auch nicht, wenn es einen glücklich macht. Sich trauen und vor allem dem nachgehen, was einem Freude bereitet. Die Fahrt verging wie im Flug, vorbei Bergen und durch Täler, bis sich unsere Wege trennten. Ich glaube, Reisen ist erst richtig Reisen, wenn man Menschen trifft und Geschichten mit nach Hause bringt und sie lange in Erinnerung behält.
von Janina S: mutig sein
Ich war mit meiner Freundin auf dem Weg zu unserem Mädelsurlaub. Als (endlich) die Bahn ankam, flitzten wir los, um unseren Sitzplatz zu ergattern. Vorbei an den Toiletten bemerkte ich jedoch, dass dort eine Frau auf dem Boden saß und es ihr wohl nicht gut ging. Viele Leute gingen vorbei und ich war mir selbst zuerst nicht sicher, ob die Person Hilfe benötigt. Weitergehen wäre für mich jedoch nicht in Frage gekommen. Schnell verschafften meine Freundin und ich uns einen Überblick über den aktuellen Gesundheitszustand, forderten einen Notarzt mit Hilfe des Schaffners an und so konnte die Frau direkt in das nächstliegende Krankenhaus gebracht werden. Nach 20 Minuten Einsatz konnte der Zug nun starten. Leicht mitgenommen jedoch auch erleichtert gingen wir durch die Gänge zu unseren gebuchten Plätzen. Was dann geschah, werde ich nie vergessen: Das Abteil, in dem der Notfalleinsatz stattgefunden hatte, applaudierte uns für die Bereitschaft, der Frau zu helfen. Es ist also eine Story, die einerseits nicht super schön ist, mir jedoch gezeigt hat, wie wichtig es ist, nach anderen zu schauen und sich zu trauen, mutig zu sein.
von Christine E: Über die Grenzen Bayerns
Ich bin dieses Jahr mit meiner Mama mit dem ICE nach Berlin gefahren. Sie ist noch nie ICE gefahren und ist auch grundsätzlich nicht so am Reisen interessiert (Sie kommt aus einem kleinen bayerischen Dorf und sehr jung Mutter geworden). Es hat einiges an Überzeugung gedauert, aber sie hat tatsächlich das Auto stehen lassen und ist mit mir in den Zug von München nach Berlin gehüpft – unglaublich! Nicht nur war die Reise für sie absolut horizonterweiternd, auf der Fahrt nach Hause war sie die ganze Zeit auf Google Maps und hat sich angeschaut, was noch alles in der Nähe ist. In Leipzig mussten wir natürlich kurz aus dem ICE hüpfen, um einen kurzen Blick auf den Hauptbahnhof zu werfen. "Den kenn ich aus dem Fernsehen!", rief sie. Sie hat mir auch viele emotionale Geschichten aus ihrem Leben erzählt, die sie mit den einzelnen Orten, durch die wir gefahren sind, verbindet – von alten Freunden aus Bamberg, über einen spektakulären Ausflug mit einem ausgeliehen Auto in Ingolstadt. Es war von allem etwas dabei. Als nächstes Reiseziel hat sie ihre Schwester nun dazu überredet, mit ihr mal mit dem Zug nach Dresden zu fahren. Es war so schön, sie dabei zu beobachten, wie sie die Welt über die Grenzen Bayern hinaus kennenlernt. Mit Abstand mein schönstes Zugerlebnis.
von Jessi F: 50 Euro
Mein lustigstes Erlebnis im Zug hatte ich auf der Strecke Hannover – Amsterdam. Voll bepackt mit Rucksack und Koffer bin ich in einen überfüllten Zug eingestiegen. Ich hatte eine Sitzplatzreservierung gebucht und musste nun meinen Platz finden. Leider saß auf meinem Platz bereits ein junger Mann. Ich bat ihn aufzustehen, aber anstatt sich einen anderen Platz zu suchen, gab er mir 50 Euro. Da habe ich nicht Nein gesagt und setzte mich anschließend in ein anderes Abteil auf den Boden. Nicht bequem, aber die 4 Euro für die Sitzplatzreservierung waren gut investiert.