Abenteuer Interrail-Reise – So ist es, von Berlin nach Porto mit dem Zug zu fahren
Ein großer Traum von mir war schon immer, mit dem Zug quer durch Europa zu reisen. Zwar fahre ich mittlerweile ziemlich häufig mit der Bahn von Berlin aus in die Nachbarländer Deutschlands, aber ein richtiges Abenteuer habe ich daraus noch nie gemacht. Als die Deutsche Bahn auf mich zukam und fragte, ob ich mit einem Interrail-Pass durch Europa reisen will, war die Antwort natürlich sofort klar. Gemeinsam entschieden wir uns für eine Destination im Süden Europas und das Motto #vielewegeführennachportugal.
Der Nachtzug nach Lissabon beispielsweise fuhr auf einer der ikonischsten und beliebtesten Bahnstrecken in Europa, sogar ein Buch wurde ihm gewidmet. Das Problem: Der Zug wurde mit Beginn der Corona-Pandemie 2020 eingestellt, wer nachhaltig mit der Bahn nach Portugal reisen möchte, kann das nicht mehr nonstop tun. Aber wie dann? Genau das wollte ich herausfinden! Von Berlin geht es über Paris, San Sebastián und Vigo bis nach Porto, von wo aus man weiter nach Lissabon fahren könnte. Ich habe mir für die Strecke, die mich durch vier Länder führt, sieben Tage Zeit genommen und beschreibe in diesem Artikel die Route und gebe jede Menge Tipps für Sehenswürdigkeiten entlang der Strecke.
Es geht los: von Berlin nach Paris
Von Berlin geht es am ersten Tag über Köln und Brüssel nach Paris, da in Brüssel stündlich Züge nach Paris abfahren – falls etwas schief geht, zum Beispiel ein Zug ausfällt, komme ich immer noch ohne große Verspätungen an. Das Beste ist, dass die Fahrtzeit genauso lang ist, wie wenn ich einen der Direktzüge ab Köln oder Frankfurt/Main nach Paris nehmen würde. Diese werden von der belgischen Eisenbahngesellschaft Thalys betrieben und sausen rasant durch die Landschaft.
Ich verbringe zwei Nächte und einen vollen Tag in Paris und habe mich schon vorab entschieden, keine Sightseeing-Tour durch die ganze Stadt zu machen, sondern mich auf das Viertel zu konzentrieren, in dem sich auch mein Hostel – The People – befindet: Belleville und den daran angrenzenden Canal Saint-Martin. So hetze ich nicht gestresst von einem Highlight zum nächsten, wie ich es sonst mache, sondern entdecke ein Viertel ganz besonders intensiv. Von meinem Hostel aus mache ich quasi eine Rundtour und flaniere zunächst entlang des knapp fünf Kilometer langen Kanals, wo Pariser*innen mit Kaffee, Buch oder Zeichenblock in der Hand in den Tag starten und die Stille unter großen Bäumen genießen. Bei meiner Tour merke ich, dass ich mir eine besonders schöne und ruhige Nachbarschaft ausgesucht habe, die ganz anders ist als das sonst sehr laute und überfüllte Paris an den touristischen Hotspots.
Der Kanal endet an der Metro-Station Jaurès, wo das Bassin de la Villette beginnt. Am Ende des Bassins ist es besonders idyllisch: Freund*innengruppen spielen Boule, auf dem Wasser fahren Boote und Kajaks und ganz am Ende befinden sich gleich drei tolle Lokale: das französische Café Le Pavillon des Canaux, die Brauerei Paname Brewing Company und KIEZ Kanal, das sich die deutsche Biergartenkultur zum Vorbild genommen hat und deutsche Biere und Essen serviert. Von hier aus ist es nicht weit zum größten und schönsten Park von Paris: dem Parc des Buttes-Chaumont. Wer am Wochenende kommt, sollte hier auch dem Parkcafé Rosa Bonheur einen Besuch abstatten und sich unter die Pariser*innen mischen. Da ich an einem Dienstag in Paris bin, ziehe ich weiter zum Parc de Belleville, der zwar wesentlich kleiner ist, aber den schöneren Ausblick auf Paris bietet. Hier lasse ich den Tag in dem veganen Restaurant Les bols d'Antoine ausklingen und beobachte den Sonnenuntergang mit Eiffelturm-Blick.
Der zweite Stopp: in wenigen Stunden nach San Sebastián
Mein nächster Stopp auf der Tour ist San Sebastián im Baskenland. Ich kämpfe mich um 5.30 Uhr aus dem Bett, um zunächst den Zug um 7 Uhr nach Hendaye zu bekommen. Der TGV fährt über Bordeaux und Biarritz. Wer mehr Zeit hat, kann auf einer Interrail-Tour hier einen Stopp einlegen, was ich sehr empfehlen kann. Bordeaux ist die französische Weinstadt schlechthin und perfekt geeignet für Gourmets und Feinschmecker*innen. In Biarritz hingegen trifft sich die lokale und internationale Surfszene. Während die Bahnfahrt nach Paris landschaftlich noch recht unspektakulär war, kann ich vor allem im Süden Frankreichs meine Augen nicht vom Fenster lassen. Hier erhasche ich erste Blicke aufs Meer, wir kommen vorbei an idyllischen Städten mit weiß gestrichenen Häusern und von Palmen gesäumten Straßenzügen. Ich lasse mich im Café des Zuges nieder, lausche dem Geschnatter der Passagier*innen und trinke Kaffee.
Um nach San Sebastián zu gelangen, muss man in Hendaye in die Baskische Bahn umsteigen, die nicht Teil des Interrail-Netzes ist. Der Bahnsteig befindet sich aber gleich hinter dem TGV-Bahnhof von Hendaye und das Ticket kostet nur 2,75 Euro. Als ich nach 40 Minuten in San Sebastián aussteige, habe ich das Gefühl, wirklich im Urlaub angekommen zu sein. Es ist wunderbar warm, die Luft feucht, aber klar. Ich stelle meine Sachen in meinem Hostel – dem A Room in The City – ab, laufe nur ein paar Minuten zum Stadtstrand La Concha und werde zunächst vom Strand wortwörtlich geblendet. Dieser zieht sich in Hufeisenform 1,3 Kilometer entlang hübscher Belle-Époque-Gebäude und ist mit seinen 40 Metern Breite nicht nur absolut beeindruckend, der feine, weiße Sand reflektiert auch ordentlich in der Sonne. Ich bereue es jetzt schon, nur einen halben Tag in San Sebastián eingeplant zu haben, mache aber das Beste daraus.
Zum Mittag kehre ich in das vegane Café OhBaba ein, in dem es ausgefallene Toasts, Salate und Kuchen gibt – alles selbst gemacht und sehr lecker. Danach laufe ich zum anderen Ende des Strandes und nehme die Standseilbahn hoch zum Monte Igueldo (Hin- und Rückfahrt 4 Euro), um den beeindruckenden Ausblick auf die Bucht mit der Insel Isla de Santa Clara zu genießen. Abends flaniere ich durch das alte Stadtzentrum und esse Pinxtos (die baskische Variante der spanischen Tapas) bei La Cuchara de San Telmo, das mir von zwei Leser*innen empfohlen wurde.
Mein Highlight der Reise: die Illas Cies vor Vigo
In Spanien gibt es noch unglaublich viele tolle Ziele, die man auf einem Trip nach Porto ansteuern könnte. In der Nähe von San Sebastián liegt beispielsweise Bilbao. An der Nordküste befindet sich auch der beeindruckende Playa de las Catedrales mit seinen atemberaubenden Felsformationen, die an das Gewölbe einer Kathedrale erinnern. Ich aber habe Vigo als nächsten Stopp auserkoren, das quasi auf der gegenüberliegenden Atlantikseite Spaniens liegt. Um dorthin zu gelangen, fahre ich über Madrid – auch hier könnte man auf einem Interrail-Trip noch eine Weile bleiben. Der Zug der spanischen Eisenbahngesellschaft Renfe tuckert etwas langsamer als ein ICE durch die Landschaft. Ich stelle mich auf einen langen Arbeitstag am Computer im Zug ein, nur um dann doch die ganze Zeit am Fenster zu kleben. Ich hätte nicht erwartet, dass die Aussicht hier so schön ist und filme und fotografiere fortlaufend die Burgen und kleinen Städte, grünen Hügellandschaften und zerklüfteten Felsformationen, die an mir vorbeiziehen, lasse meinen Computer im Rucksack und entspanne mal wieder im Bordrestaurant, wo die Panoramafenster am größten sind.
Vigo ist ein wichtiger Wirtschaftsstandort in Spanien, verfügt über den größten natürlichen Hafen des Landes und hat weltweite Bedeutung für die Versorgung mit Fischereiprodukten. Aber ich habe die Stadt nicht deswegen ausgewählt, sondern weil ich bei meiner Recherche auf die Illas Cíes gestoßen bin. Der Archipel besteht aus den drei unbewohnten, hügeligen Inseln Monteagudo, Do Faro und San Martiño und ist nur mit der Fähre zu erreichen. Die Überfahrt von Vigo dauert eine halbe Stunde und als ich hier morgens ankomme, frage ich mich, ob ich plötzlich in der Karibik gelandet bin.
Vor dem absurd weißen Strand Praia de Rodas glitzert türkisfarbenes Wasser in der Sonne, dahinter bedeckt ein dichter Wald die Hügelkette der beiden Inseln Monteagudo und Do Faro. Der Praia de Rodas wurde von der Zeitung The Guardian schon zum schönsten Strand der Welt gewählt und tatsächlich fühle ich mich hier wie im Paradies. Das Beste: Die Inselgruppe steht unter Naturschutz und die Anzahl der Menschen, die sie täglich besuchen dürfen, ist begrenzt – es wird hier also nie voll. Man muss für den Besuch nicht nur ein Ticket für die Fähre kaufen – entweder bei Mar de Ons oder Nabia –, sondern sich auch für den Besuch registrieren. Abgesehen von (sonnen-)baden, kann man hier auch wandern, zum Beispiel zum Leuchtturm Faro de Cies. Die Aussicht von dort oben auf die dritte Insel San Martiño ist einfach Wahnsinn. Die einzige Übernachtungsmöglichkeit ist übrigens ein Zeltplatz, in den man sich einbuchen kann und sollte, wenn man diese wundervolle Insel ein bisschen länger genießen will.
Für mich geht es aber mit der letzten Fähre um 19.30 Uhr zurück nach Vigo. Den Tag lasse ich mit einem Spaziergang durch die Stadt, einem Abendessen in der kleinen Bar und einer Übernachtung in dem sehr zentral gelegenen und privat geführten Hotel Puerta Gamboa ausklingen.
Endlich da: Porto
Von Vigo fährt man nur noch 2,5 Stunden nach Porto. Zweimal täglich verbindet ein Intercity die beiden Städte, auch diese Strecke ist landschaftlich wieder ungemein eindrucksvoll, geht es doch entlang des Meeres und vorbei durch grüne Wälder und kleine Dörfer. Am sechsten Tag meiner Reise und nach 2741 Kilometern im Zug komme ich in Porto an. Nachdem ich die Stille und Idylle auf den Cies-Inseln genossen habe, bin ich etwas erschlagen von dem Trubel in der portugiesischen Stadt, in der sich Mitte Mai schon ziemlich viele Tourist*innen aufhalten und sich durch die steilen, engen Gassen schieben. Die Stadt ist mit ihren bunten Häusern, idyllischen Plätzen und der Fülle an Bars und Restaurants natürlich trotzdem absolut sehenswert.
Die Stadt am Douro ist Namensgeberin für den berühmten Portwein, der im Douro-Tal produziert wird und seit jeher von Porto aus verschifft wurde. Portwein kann man überall in der Stadt trinken, besonders schön ist es aber, sich in einem der Restaurants auf der linken Flussseite niederzulassen, wo sich die meistens Weinkellereien befinden und ihren süßen Alkohol servieren. Mit einem Glas in der Hand kann man hier das schöne Panorama über die bunten Häuser besonders gut genießen.
Das Tolle an Porto ist, dass man sich hier perfekt treiben lassen kann und immer wieder etwas Schönes und Spannendes entdeckt – zum Beispiel zahlreiche Murals, die Porto zu einer Art Open-Air-Galerie machen. Ein paar absolute Highlights dürfen natürlich trotzdem nicht fehlen: der alte Bahnhof São Bento, die vielleicht schönste Bibliothek der Welt, Livraria Lello, oder ein Spaziergang über die berühmte Brücke Ponte Luís I. Ich übernachte in dem Hostel Selina: Alle Zimmer blicken zu einem großen Hinterhof und lassen so ein ganz besonderes Gemeinschaftsgefühl aufkommen. Das Hostel liegt zudem in der Nähe des mittelalterlichen Uferviertels Ribeira, etwas oberhalb des Flusses. Hier ist man nicht direkt im Zentrum, aber umgeben von einigen der besten Frühstückscafés, Bars und Plätzen der Stadt. In unserem Artikel für Porto findest du jede Menge Tipps für deinen eigenen Trip in die Stadt.
Ich bin zwei volle Tage in Porto und habe das Gefühl, in dieser Zeit einen guten Überblick über die Stadt bekommen zu haben, auch wenn es natürlich immer noch wesentlich mehr zu entdecken gibt. Von Porto ist es übrigens auch nicht mehr weit mit dem Zug bis nach Lissabon. Wer mag, kann also die Reise fortsetzen, in die portugiesische Hauptstadt und noch weiter bis an die Algarve fahren. Für mich endet der Trip in Porto – vielleicht einer der schönsten, die ich je gemacht habe. Obwohl ich in sieben Tagen "nur" vier Orte in drei Ländern gesehen habe, habe ich diese Länder besonders intensiv wahrgenommen, vor allem, weil ich auf den Zugfahrten immer den Blick auf die Landschaft gerichtet hatte und so wesentlich mehr von den Ländern gesehen habe, als wenn ich mit dem Flugzeug geflogen wäre. Dieses Abenteuer werde ich so schnell nicht vergessen...