Unseren Meeren geht es miserabel – So kannst du sie schützen

© sergeitokmakov | Pixabay

Das Meer ist ziemlich beeindruckend, oder? Es bedeckt 71 Prozent der Erdoberfläche, hat das Leben, wie wir es heute kennen, hervorgebracht und ist Lebensraum für eine unglaubliche Menge an Spezies, von denen wir den Großteil noch nicht mal kennen. Ich bin nicht unbedingt eine Wasserratte, aber wenn ich an einem Strand sitze und aufs Meer schaue, auf diese schier unendliche Masse an Wasser, die in den schönsten Farben in der Sonne glitzert und sich sanft vor- und zurück schiebt, dann bin ich jedes Mal überwältiget.

Tatsächlich aber sollten wir nicht vom schönen Anblick der Meere überwältigt sein, sondern von dem, was sich unter der Oberfläche abspielt. Kaum ein Ökosystem auf der Welt ist so bedroht. Durch den immer weiter steigenden Konsumbedarf der wachsenden Weltbevölkerung werden die Ozeane leergefischt, seltene Arten werden trotz bestehender Artenschutzabkommen gejagt und als Delikatesse verkauft. Durch den Klimawandel versauert das Wasser nicht nur, es wird auch wärmer, was einerseits zum Artensterben und andererseits dazu führt, dass die CO2-Speicherkraft der Ozeane beständig abnimmt. Und von dem, was an Müll alles in den Ozeane schwimmt, wollen wir gar nicht erst anfangen.

Sea Shepherd kämpft für den Erhalt der Meere ein

Sea Shepherd, Meereschutzorganisation
© Hugo Morales, Sea Shepherd

Mittlerweile sollte wirklich jedem*r bewusst sein, dass wir die Meere mit allen Mitteln schützen müssen. Eine Organisation, die das bereits seit Jahrzehnten macht, ist Sea Shepherd. Das Unternehmen kämpft mit der Hilfe von Freiwilligen und mit staatlicher Unterstützung gegen illegale Fischerei, das Töten von besonders bedrohten Tierarten wie Walen, Schildkröten und Haien sowie gegen die Verschmutzung der Meere. Dabei erhält Sea Shepherd immer wieder Unterstützung von verschiedenen Staaten, die oft nicht genügend Ressourcen haben, um Wilderer und illegale Fischerei zu verfolgen. Aktuell ist Sea Shepherd mit der "Baltic Sea Campaign" in der deutschen Ostsee unterwegs. Denn auch das Lieblingssommerziel vieler Deutscher ist massiv bedroht, wie mir Flo Stadler, Leiter der Aktion, im Interview erzählt.

Wenn du jemandem erklären müsstest, wie schlecht es um die Meere steht: Welche drei Fakten sollte man kennen?

Flo Stadler: "Den Meeren geht es gelinde gesagt miserabel. Bedingt durch den Klimawandel sind diese Ökosysteme massiv unter Druck geraten. Steigende Temperaturen und zunehmende Versauerung machen es vielen Arten zukünftig schwer, darin zu überleben. Zudem behandeln wir unsere Ozeane wie eine kostengünstige Alternative zur Mülldeponie. Von Plastik und Öl über Schwermetalle und Nitrate bis hin zu radioaktiven Stoffen kippen wir seit Jahrzehnten alles, was die Menschheit gerne nie mehr sehen würde, ins Meer. Als wären die Meere ein schwarzes Loch, entsorgen wir darin unseren Müll und gleichzeitig beuten wir die Meere hinsichtlich ihrer Ressourcen aus. Die Fischerei hat mittlerweile Ausmaße erreicht, die weit jenseits der Tragfähigkeit liegen. 90 Prozent der Fischgründe gelten heute als überfischt beziehungsweise bis an die Grenze des Kollapses befischt. So befeuern wir ein Artensterben, dessen Ausmaß noch gar nicht abzuschätzen ist."

Wir behandeln unsere Ozeane wie eine kostengünstige Alternative zur Mülldeponie. Von Plastik und Öl über Schwermetalle und Nitrate bis hin zu radioaktiven Stoffen kippen wir seit Jahrzehnten alles, was die Menschheit gerne nie mehr sehen würde, ins Meer.
Flo Stadler

Welches Ereignis hat dich persönlich dazu bewogen, dich für den Schutz der Meere einzusetzen?

"Die Meere haben mich schon immer auf das Tiefste fasziniert. Allein die Vorstellung, wie wenig wir davon erforscht haben und wie fremd uns die allermeisten Lebewesen darin sind, haben mich gefesselt. Doch mein Schlüsselerlebnis waren Aufnahmen von Sea Shepherd aus der Antarktis, als sie das Harpunieren eines Minkwals dokumentiert haben. Mich haben diese Szene und das schier endlose Leiden dieses Giganten so getroffen, dass sich eine immense Wut breitgemacht hat. Als ich dann gelernt habe, dass es mit Sea Shepherd eine Organisation gibt, die sich aktiv diesen Wilderern entgegenstellt und nicht nur redet, habe ich mich sofort darin wiedergefunden und wusste, ich möchte Teil dieser Bewegung sein."

Von Juni bis September ist Sea Shepherd Deutschland in der Ostsee unterwegs. Wie steht es ganz konkret um die Ostsee?

"Die Ostsee ist eines der bedrohtesten Gewässer überhaupt. Dadurch, dass sie kaum Wasser mit dem Atlantik austauschen kann und gleichzeitig viele Zuflüsse von Land hat, bleiben Substanzen wie Nitrate schier endlos erhalten. Dadurch breiten sich tote Zonen aus, die den ohnehin begrenzten Lebensraum für die Ostseebewohner weiter eingrenzen. Gleichzeitig wird die Ostsee massiv von der Fischereiwirtschaft genutzt, sodass hochprioritäre Arten wie der Dorsch stark gefährdet sind. In Folge der Fischerei sind auch Schweinswalpopulationen stark vom Aussterben bedroht. Das möchten wir verhindern."

Die Ostsee ist eines der bedrohtesten Gewässer überhaupt.
Flo Stadler
Sea Shepherd, Meereschutzorganisation
© Katie Mähler, Sea Shepherd
Sea Shepherd, Meereschutzorganisation
© Hugo Morales, Sea Shepherd

Für die aktuelle Kampagne patrouilliert ihr in der Ostsee und meldet Verstöße, zum Beispiel gegen das Rückwurfverbot. Das ist theoretisch super, aber ändert sich dadurch auch praktisch etwas? Wo meldet ihr diese Verstöße und gibt es Konsequenzen für die Fischer*innen, die illegal Netze auswerfen?

"Wir wissen, dass ein Großteil der Fischer das europaweite Rückwurfverbot umgeht. Doch die Fischer und Genossenschaften beharren darauf, dass so etwas nicht passiert, um zu verhindern, dass zusätzliche Vorgaben eingeführt werden. Wir wollen also Druck aufbauen und Belege dafür liefern, dass die Regeln nicht eingehalten werden. Zusätzlich hoffen wir darauf, dass sukzessive neue Regeln eingeführt werden, die Licht auf die derzeitigen Grauzonen werfen. Wenn wir illegale Aktivitäten beobachten und dokumentieren, leiten wir unsere Belege an die zuständigen Stellen der Wasserschutzpolizei und Fischereiaufsichtsbehörden weiter. Zudem prüfen wir rechtliche Schritte gegen die Verursachenden."

Warum müsst ihr als private Organisation Verstöße melden, warum gibt es keine staatlichen Kontrollmechanismen?

"Weil die Agrar- und Fischereilobby mächtiger ist denn je. Es ist schlichtweg nicht gewollt, dass Umwelt-, Meeres- und Artenschutz vor wirtschaftlichen Interessen stehen. Leider bedarf es großen Druck von außen, um Verbesserungen durchzusetzen."

Für die aktuelle Kampagne dokumentiert ihre auch die Folgen von Stellnetzfischerei. Welche sind das?

"Die Stellnetzfischerei gehört wohl zu den destruktivsten Fischereimethoden. Die dünnmaschigen Netze stehen oft in Naturschutzgebieten und an Stellen, in denen sich mit Vorliebe Schweinswale aufhalten. Diese können die Netze nicht wahrnehmen, bevor sie sich darin verfangen und letztendlich darin ertrinken. Ähnlich geht es Seevögeln. Die Beifangquote ist immens hoch. Zudem werden solche Netze auch oft verloren. Sie treiben ab, verhaken sich an Steinen und Wracks und töten dort als Geisternetz über Jahrhunderte weiter. Darum spüren wir solche Netze auf und entfernen sie."

Die Agrar- und Fischereilobby ist mächtiger denn je. Es ist schlichtweg nicht gewollt, dass Umwelt-, Meeres- und Artenschutz vor wirtschaftlichen Interessen stehen.
Flo Stadler
Sea Shepherd, Meereschutzorganisation
© Katie Mahler, Sea Shepherd

Was sind deine drei Top-Tipps, wie ich als Privatperson die Meere schützen kann?

"In erster Linie muss man bei sich selbst anfangen. Je mehr man über die Bedrohungslagen lernt, die unsere Ozeane betreffen, desto effizienter kann man sich für deren Schutz einsetzen. Es gibt eine Vielzahl interessanter Dokus, die dieses Thema beleuchten. Ganz aktuell findet man mit "Seaspiracy" auf Netflix einen guten Einstieg in die Thematik. Wissen ist der Schlüssel.

Wer die Meere wirklich schützen will, muss meiner Meinung nach auch aufhören, sie auszubeuten, indem man den industriellen Fischfang unterstützt. Die systematische Ausbeutung und Zerstörung unserer Meere hat Ausmaße angenommen, die durch irreversible Kettenreaktionen das weltweite Artensterben befeuern. Es gibt viele an der Küste lebende Menschen, die keine Alternativen zum Fischfang haben. Überlassen wir ihnen den Fisch und lasst uns auf gesunde Alternativen zurückgreifen.

Und zu guter Letzt kannst du Organisationen wie Sea Shepherd unterstützen. Je mehr Rückendeckung und finanzielle Unterstützung es gibt, desto mehr Präsenz können wir auf den Meeren aufwarten. Nur in der Breite ist Meeresschutz effektiv."

Mal angenommen, ich möchte trotz der Verschmutzung der Meere und den zurück gehenden Fischbeständen nicht auf Fisch als Nahrungsmittel verzichten. Auf was sollten Konsument*innen dann beim Kauf achten?

"Ich bin der Überzeugung, dass Fischfang heutzutage nicht nachhaltig praktiziert werden kann – zumindest nicht auf eine Art, die für die Verbrauchende nachvollziehbar ist. Kein Siegel hat sich als vertrauenswürdig herausgestellt und niemand kann garantieren, ob der Fisch in der Kühltheke legal gefangen wurde. Auch Aquakulturen stellen da keine tragfähigen Alternativen dar. Diese Art der Massentierhaltung verursacht massive Umweltschäden und verbraucht zudem enorme Mengen an Fischmehl. Meine Alternativen sind rein vegan: Aus pflanzlichen Zutaten lassen sich Geschmack und Konsistenz leicht nachbilden – ganz ohne Giftstoffe und Ausbeutung."

Ihr veranstaltet im Sommer auch Beach-Cleanups an vielen Ostseestränden. Warum sind die so wichtig?

"Die Meere sind bekanntermaßen äußerst vermüllt. Der Großteil dieses Mülls kommt von Land und genau dort müssen wir ansetzen, um mehr Bewusstsein für diese Thematik zu schaffen. Seien wir ehrlich: Niemand liegt gern am Strand zwischen Plastiktüten, Strohhalmen und Fetzen von Fischernetzen. Darum kehren wir sprichwörtlich vor unserer eigenen Haustüre."

Sea Shepherd, Meereschutzorganisation
© Marcel Beloqui Evardone, Sea Shepherd
Ich bin der Überzeugung, dass Fischfang heutzutage nicht nachhaltig praktiziert werden kann. Kein Siegel hat sich als vertrauenswürdig herausgestellt und niemand kann garantieren, ob der Fisch in der Kühltheke legal gefangen wurde.
Flo Stadler

Ihr stellt aus dem gesammelten Plastik und den alten Fischernetzen Accessoires in Zusammenarbeit mit Bracenet her. Plastik und Fischernetze wiederzuverwenden ist ja prinzipiell erstmal erstrebenswert. Aber landet am Ende nicht wieder einiges davon im Meer? Wie kann man das generell verhindern?

"Im Endeffekt ist jede einzelne Person dafür verantwortlich, dass nichts davon in der Umwelt landet. Dazu braucht es natürlich auch Anreize, eine gutes Abfallmanagement und leider auch empfindliche Strafen."

Zu guter Letzt, ich will mich für den Schutz der Meere einsetzen. Wo fange ich an? Und wie kann man bei Sea Shepherd mithelfen?

"Sea Shepherd ist eine Bewegung und alle können ihren Beitrag dazu leisten. Die Reise beginnt immer damit, dass man sich informiert, Probleme erkennt und gegensteuert. In Deutschland gibt es zehn Ortsgruppen, in denen unsere Volunteers organisiert werden. Dort findet man nicht nur Gleichgesinnte, sondern auch eine Gemeinschaft, die aktiv an Lösungen arbeitet. Wenn das nicht reicht, kann man sich auch für die Teilnahme an einer unserer weltweiten Kampagnen auf See bewerben. Unsere Flotte umfasst rund ein Dutzend Schiffe und wir suchen immer engagierte Crews. Interessierte können uns auf unserer Homepage ihre Bewerbung über das Bewerbungsformular schicken."

Vielen Dank, Flo!

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