Die Swimwear-Marke OY will beweisen, dass Surfen auch nachhaltig sein kann
Vom Surfen geht eine ganz besondere Faszination aus, die wohl am besten mit "Freiheit" und "Nähe zur Natur" umschrieben werden kann. Surfer-Boys und -Girls, das sind die mit den sonnengebleichten Haaren, den muskulösen gebräunten Körpern und einem unfassbar entspannten Leben zwischen der nächsten Welle und einem Barbecue am Strand. Surfen wird zu gleichen Teilen gehypt und idealisiert, weshalb sich die meisten kaum mit den Problemen auseinandersetzen, die der Sport mit sich bringt: Als Surfer*in ist man in ständigem Kontakt mit dem Wasser und erlebt die massive Verschmutzung der Meere noch intensiver. Dazu kommt, dass Surfen an sich oft nicht nachhaltig ist: Wer nicht gerade am Strand wohnt, muss weite Strecken mit dem Flieger zurücklegen, um die besten Wellen zu erwischen. Und dann wäre da noch das Problem mit dem Neopren: Die Wesuites, in denen bei kalten Temperaturen gesurft wird, sind synthetische Produkte, basieren wie andere Kunststoffe auf Erdöl und sind dementsprechend nur begrenzt recycelbar. Bademode generell besteht noch immer häufig aus Polyester – wer surft, springt also als kleines Plastikpaket ins Wasser und ist so auch maßgeblich für die Verschmutzung der Meere verantwortlich.
Aber es gibt mittlerweile immer mehr Unternehmen, die das ändern wollen. Eines davon ist OY. Die nachhaltige Surfmarke wurde 2012 von der heute 29-jährigen Zelia Zadra gegründet. Zadra stammt aus Zürich, ist eigentlich gelernte Grafikerin und war einerseits frustriert von der schlecht sitzenden Surfmode dieser Tage, andererseits fiel ihr immer mehr auf, dass unbedingt nachhaltige Alternativen her müssen. Die Surfmode von OY ist nicht nur maximal komfortabel, die Designs sind auch so klassisch und zeitlos, dass man die Bikinis und Badeanzüge unabhängig von Trends jedes Jahr aufs Neue anziehen möchte. Dazu besteht die Kleidung aus recyceltem Polyamid aus Fischernetzen, Industrieabfällen und Plastikflaschen (mehr dazu hier).
Ich wollte von Zelia wissen, wie sie als Schweizerin das Surfen lieben gelernt hat und wie Surfen und Nachhaltigkeit zusammenpassen.
Zelia, du bist in den Bergen der Schweiz Zuhause: Wann und wie hast du deine Liebe zu den Wellen gefunden?
"Mit 13 Jahren bei einem Familienurlaub in Portugal hieß es: So Kids, jetzt dürft ihr in den Surfunterricht. Und seitdem habe ich mich dem Surfen verschrieben. Mich packte das Reisefieber und jeder Urlaub ging fürs Surfen drauf. Möglichst weit weg und möglichst oft!"
Was macht denn die Faszination Surfen für dich aus?
"Surfen ist auf jeden Fall eine Auseinandersetzung mit sich selbst, seinen Grenzen und Geduld. Das Faszinierendste ist wohl, dass man ständig dazu lernen kann und sich komplett der Naturkraft hingeben muss. Eine Symbiose – Mensch und Natur."
Du hast es gerade schon gesagt: Fürs Surfen muss man möglichst weit weg reisen. Wie passen Surfen, ein Sport, für den man von Deutschland oder der Schweiz aus weit reisen muss, und Nachhaltigkeit zusammen?
"Wir haben ja das Glück vom Standort Europa aus nach wie vor wahnsinnig viele und sehr gute Surf-Spots relativ schnell erreichen zu können. Hier muss sich aber jede Surferin und jeder Surfer Gedanken darüber machen, ob es immer das Flugzeug sein muss, mit dem man sich fortbewegt. Es gibt schon tolle Angebote und Möglichkeiten, mit dem Zug oder auch Bus zu fahren, doch leider werden diese viel zu wenig genutzt, sicherlich auch, weil sie preislich leider immer noch um einiges höher sind als zu fliegen. Ein anderes Problem sind auch Surfbretter, da diese zumeist aus extrem schädlichen Polyester- oder Epoxydharz-getränktem Glasfasergewebe hergestellt werden. Es gibt zum Glück schon umweltschonende Alternativen aus Holz, aber auch Neoprenanzüge oder Sonnencreme sind oftmals nicht gerade nachhaltig. Es passiert ganz viel, doch es braucht noch viel Engagement und Bereitschaft in der Szene, damit ein Umdenken stattfindet und sich die Liebe und Faszination für die Meere und Wellen auch noch abseits des Surfurlaubs positiv auf das Handeln auswirkt."
Wie kann der Surfsport ganz konkret nachhaltiger werden?
"Wie schon erwähnt, gibt es in vielen Bereichen nachhaltige und umweltschonende Alternativen, doch diese sind zumeist hochpreisig – aber eine nachhaltige und faire Produktion und Produkt haben eben ihren Preis. Daher muss bei der Equipmentwahl ganz klar auf Qualität statt Quantität gesetzt werden und die Bereitschaft muss steigen, diesbezüglich mehr zu investieren. Darüber hinaus gibt es viele tolle Organisationen, wie zum Beispiel die Surfrider Foundation, die sich dem Schutz der Küsten und Gewässer verschrieben hat. Und was spricht dagegen, beim nächsten Strandspaziergang selber einfach mal den Müll aufzuheben und zu entsorgen?"
Du achtest also selbst stark auf Nachhaltigkeit und hast deshalb die Marke OY gegründet. Was unterscheidet OY von anderen Surf-Brands?
"OY steht für Funktionalität, Qualität und Nachhaltigkeit ohne Kompromisse beim Design. Uns ist es ein hohes Anliegen, ein Top-Produkt auf den Markt zu bringen, das in erster Linie der Surferin alle Sorgen nimmt, ob der Bikini sitzt oder hält, und sie sich somit voll und ganz auf das Surfen konzentrieren kann. Unsere Produkte sprechen zwar in erster Linie Surferinnen an, können aber aufgrund der Bewegungsfreiheit bei gleichzeitig maximalen Komfort aber genauso für alle anderen sportlichen Freizeitaktivitäten genutzt werden. Dabei spielt für uns die Qualität eine essenzielle Rolle, denn unsere Produkte sollen mehr als nur eine Saison halten. Dieser Anspruch beginnt somit also schon bei der Auswahl der Materialien und setzt sich auch in unserer gesamten Philosophie fort: Wir versuchen so gut es geht nach den von uns erstellten 3R-Prinzipien zu handeln, so dass Reduce, Reuse, Recycle unsere komplette Entwicklung und Arbeit leiten. Derzeit können wir noch nicht als geschlossene Kreislaufwirtschaft agieren, das ist aber unser großes Ziel für die Zukunft und daher investieren wir auch in die Forschung und Weiterentwicklung zum Thema Nachhaltigkeit."
Wie genau soll die Kreislaufwirtschaft bei euch aussehen?
"Das Ziel der Kreislaufwirtschaft ist es, unser eigenes Produkt wieder zu recyceln und weiterzuverarbeiten, das heißt, ohne Abfall zu wirtschaften und das ist bisher chemisch beziehungsweise auch mechanisch leider noch nicht ganz möglich."
Okay. Erzähl uns mal bitte von dem Design- und Produktionsprozess eurer Bikinis und Badeanzüge.
"Bei der derzeitigen Entwicklung von neuen Produkten wurden wir wieder daran erinnert, wie aufwendig und herausfordernd Swimwear, die einem hohen Anspruch gerecht werden soll, eigentlich ist. So kann es schon mal vorkommen, dass wir an die neun Prototypen brauchen, bis wir ein Produkt fertig konzipiert haben. Die Prototypen entstehen in Zusammenarbeit mit einer Schneiderin und sind das Ergebnis unzähliger Fitting- und Optimierungsrunden. Steht der finale Schnitt dann endlich, geht er in die Produktion, wird also zunächst digitalisiert und die ersten Samples werden hergestellt. Parallel dazu läuft die Kollektionskreation. Das ist immer der schönste Teil, denn er beinhaltet die Sichtung und Auswahl von neuen Farben, neuen Stoffen und Optionen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass man diese neuen Materialien zunächst einmal finden muss, sprich, das Sourcing ist genauso wichtig. Ist dann die Kollektion in Produktion, geht's hauptsächlich um die Überwachung der Details. Wir produzieren in einem kleinen Familienunternehmen im Norden Portugals und stehen vor, nach und während dem Produktionsprozess in engem Austausch mit den Arbeiter*innen vor Ort."
Ihr habt euren Sitz in Zürich und in Berlin, zwei Städte, die nicht unbedingt für ihre Wellen bekannt sind. Wo kann man in beiden Städten trotzdem das Surfgefühl erleben, was sind deine ultimativen Tipps?
"In Zürich gibt es die City Wave und zahlreiche Flüsse bieten Wellen, die gesurft werden können. Flusssurfen ist so angesagt wie noch nie, denn die konstante Welle bietet ideale Surfbedingungen, für die man eben nicht weit reisen muss. Auch Bungee Surfen sieht man praktisch an jeder Brücke. In Berlin gibt es mit dem Wellenwerk nun seit Kurzem auch den ersten Wave-Pool in der Hauptstadt. Ein Shop, Bar, Gastronomie sowie zahlreiche Events laden hier zum Verweilen ein. Darüber hinaus haben sich auch zahlreiche Initiativen in den sozialen Netzwerken gebildet, um sich zum Beispiel in der Gruppe gemeinsam sportlich für den nächsten Trip fit zu halten. Einmal im Jahr gibt es einen Charity-Paddel-Wettbewerb und über das Jahr verteilt kann man seine Surfakkus auch bei zahlreichen Surf Movie Nights wieder aufladen."
Wo surfst du selbst am allerliebsten?
"Zur Zeit zieht es mich immer mal wieder auf die Kanaren. Ich mag das Inselklima und es ist nicht ganz so weit weg und weil ich meinen Surfurlaub jeweils mit dem Shooting [der Produktfotos; Anm. d. Red.] verbinde, gefällt es mir da besonders gut. Auch die europäischen Strände und das kalte Wasser habe ich angefangen zu schätzen, wobei ich lauwarmes Bikinisurfen schon auch vermisse."
Zu guter Letzt: Was ist dein absoluter Tipp für Surfanfänger*innen?
"Geduld! Erfreue dich an den allerkleinsten Fortschritten und häng dich an jemanden, der schon weiter ist als du."
Charlott Tornow