Trampen in Europa – 11 Tipps für deine Reise per Anhalter

© Björn Wisnewski

Es muss ja nicht gleich das Weltall sein, aber wer die bekannte Buchreihe „Per Anhalter durch die Galaxis“ gelesen oder die Filme gesehen hat, weiß, dass Hitchhiken eine durchaus praktikable Form des Reisens ist. Natürlich eine, die in den meisten Fällen mehr Zeit in Anspruch nimmt als die Fahrt mit dem eigenen Auto oder dem Zug, durch die man aber definitiv mehr erlebt. Beim Trampen gibt es keinen Fahrplan, keine feste Route und der Gedanke, einfach so in das Auto einer fremden Person zu steigen, hat definitiv etwas Bedrohliches – ist es doch genau das, wovor uns unsere Eltern immer gewarnt haben. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass diese Dinge häufig die spannendsten sind.

Raus aus der Komfortzone, rein in die rollende Ungewissheit

Wenn du deinen Urlaub gerne durchtaktest und schon im Vorhinein wissen willst, was dich erwartet, ist Trampen ziemlich sicher nicht die richtige Wahl. Du kannst nicht im Vorhinein das Instagram-Profil des Fahrers oder der Fahrerin anschauen und die Google-Bewertungen von Autobahnraststätten geben selten Auskunft darüber, wie gut es sich dort Hitchhiken lässt. Diese Art des Reisens holt dich mit Schwung aus der Anonymität, die wir uns gerne mit dem Kauf eines Zug- oder Flug-Tickets direkt dazu buchen. Klar, Autostopp ist nicht für jede*n, aber das gilt auch für das Wellness-Wochenende. Während in den Geschichten von Douglas Adams in erster Linie ein Handtuch als unverzichtbares Reiseutensil empfohlen wird („Nass ist es eine ausgezeichnete Nahkampfwaffe“), habe ich hier meine Erfahrungen in Form von 11 Tipps gesammelt, die dich in die (gar nicht so hohe) Kunst des Hitchhikings einführen.

1. Sag Nein

Ursprünglich stand dieser Punkt ganz am Schluss, aber eigentlich ist er einer der wichtigsten überhaupt. Denn beim Hitchhiken – und auch überall sonst im Leben – ist Nein sagen ein essentieller Skill, den du wirklich jederzeit einsetzen kannst und darfst. Ein*e Fahrer*in hält für dich an, aber macht keinen vertrauenswürdigen Eindruck? Sag Nein! Du wartest schon eine Weile an einer Raststätte, jemand will dir die Mitfahrt geradezu aufdrängen, aber du fühlst dich nicht wohl dabei? Sag Nein. Trampen soll Spaß machen, es soll ein Abenteuer sein, das dich aus deiner Komfortzone holt, aber spannend und aufregend heißt in diesem Fall nicht unsicher, bedrohlich oder gefährlich.

2. Seid zu zweit unterwegs

Passend zum Thema Sicherheit ist dieser Tipp geradezu banal. Ich selbst bin bisher ausschließlich zu zweit unterwegs gewesen und empfehle dies aus verschiedenen Gründen. Natürlich ist es gefühlt sicherer. Gleichzeitig aber auch viel lustiger und weniger anstrengend – vor allem, wenn du lange Strecken im gleichen Fahrzeug zurücklegst und ausgiebige Gespräche führst oder eine halbe Ewigkeit auf das nächste Auto warten musst.

© Charlott Tornow

3. Suche dir die richtigen Warteplätze

Ob du wirklich richtig stehst, siehst du wenn…

…die Autos genügend Zeit und Platz haben, für dich anzuhalten, um dich sicher einsteigen zu lassen. Die größte Gefahr beim Trampen ist nämlich der Verkehr. Der viel befahrene Kreisverkehr kurz vor der Autobahnauffahrt klingt sinnvoll, kann aber absolut unpraktisch sein. Achte also auf einen Standplatz, an dem nicht nur viele Autos in die richtige Richtung fahren, sondern der auch sinnvolle Haltemöglichkeiten bietet. Das gilt nicht nur für den ersten Stopp, sondern auch für alle weiteren Stellen, an denen du rausgelassen wirst. Nimm gegebenenfalls auch kürzere Fahrten oder Laufstrecken in Kauf, um deinen Ausgangspunkt zu optimieren.

4. Hab die Route im Blick

Wir alle kennen die Bilder von Anhalter*innen mit Schildern in der Hand. Du willst von Hamburg nach Madrid? Dann schreibe nicht Spanien auf dein Schild, sondern die nächstgrößeren Städte, die auf deiner Strecke liegen. Im Idealfall stehst du schon in der Nähe der richtigen Autobahn oder Landstraße, sodass die Fahrer*innen einschätzen können, ob sie dir eine geeignete Mitfahrt anbieten können. Der scheinbar direkte Weg muss nicht immer der besten Tramper-Route entsprechen. Ob ein Umweg sinnvoll ist, musst du individuell entscheiden. Tausche dich auch mit den Fahrer*innen aus, denn diese kennen sich womöglich in der Region besser aus. Ansonsten ist es in Zeiten von Google Maps vermutlich so einfach wie nie zuvor, seine Route spontan umzuplanen. Heißer Tipp hierbei: Offline-Karten, die du vor deiner Reise runterladen kannst.

Trampen Europa, Reisen per Anhalter
© Nina Vogl

5. Sei früh dran, denn Timing ist alles

Wichtigste Erkenntnis, die du am besten schon vor Abreise hast: Trampen dauert und Fahrpläne gibt es sowieso keine. Ich habe es einst zwar mit einer Freundin in 36 Stunden von München nach Salamanca in Spanien geschafft, aber dementsprechend kräftezehrend war die Reise auch. Starte deine Tage möglichst früh, denn einerseits hast du so mehr Tageslicht, andererseits kannst du die Rushhour und Pendelverkehr nutzen, um die Chancen auf eine Mitfahrt zu erhöhen. Je nachdem, ob du eine ein- oder mehrtägige Reise planst, solltest du die Fahrtziele nicht zu ambitioniert stecken und immer im Blick haben, dass du eine Übernachtungsmöglichkeit brauchen könntest.

6. Pack die richtige Ausrüstung ein

Ich kann dir nicht sagen, wie viele Unterhosen du auf deine Reise mitnehmen musst, aber es gibt doch so ein paar Dinge, die man beim Hitchhiken dabei haben sollte. Erste Regel: Nicht zu viel Gepäck, denn das ist nicht nur maximal unpraktisch, wenn man mal längere Strecken zu Fuß zurücklegen muss, sondern schreckt auch potentielle Mitfahrgelegenheiten ab. In Sachen technischer Ausstattung dürfen Smartphone, Ladekabel und eine volle Powerbank nicht fehlen, denn Navigations-Apps verbrauchen recht viel Akku, auch wenn du Offline-Karten nutzt. Hitchhiking-Klassiker wie Pappschilder und Edding sollten ebenso im Gepäck verstaut werden wie Regenjacke, eine Kappe, Taschenmesser und der Alleskönner Gaffa-Tape. Trampen bedeutet zwar nicht unbedingt auch campen, aber ein Schlafsack kann zur Not auch einfach Wärme spenden. Essentials wie Ausweis, Versicherungs- und Bankkarte sowie Bargeld sollten natürlich auch am Start sein.

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© Charlott Tornow

7. Trau dich, Menschen anzusprechen

Ja, das Schild am Straßenrand ist so klassisch wie effektiv, doch vor allem auf langen Strecken sind es oft Tankstellen oder Rastplätze, an denen du auf der Suche nach der nächsten Mitfahrt bist. Schau dich um und vertraue bei der ersten Ansprache deinem Bauchgefühl. Die junge Familie im VW-Bus schaut nett aus oder das Ehepaar mit der A-Klasse macht einen offenen Eindruck? Dann trau dich und frage nach, ob sie dich ein Stück mitnehmen würden. Ein freundliches Gespräch gibt sowohl dir als auch den potentiellen Fahrer*innen einen guten ersten Eindruck. Und niemals Punkt 1 vergessen, denn Nein sagen geht immer!

8. Be nice!

Wie wir alle wissen, ist lieb sein immer und überall das Gebot der Stunde. Als Anhalter*in kannst du die Sache aber definitiv gezielt angehen, denn Freundlichkeit und Offenheit öffnet so manche (Auto-)Tür. Vor allem für längere Strecken ist es ratsam, ein bisschen Gesprächsstoff im Gepäck zu haben. Erzähle von dir, deiner Reise, aber sei ebenso ein*e gute*r Zuhöher*in und respektiere, wenn der*die Fahrer*in nicht so gesprächig ist. Für mich ist es auch immer klar, anzubieten, mich an den Tankkosten zu beteiligen oder den*die Fahrer*in zumindest auf einen Kaffee einzuladen. 

9. Bleib spontan

Direkt nach Freundlichkeit steht Spontaneität ganz oben auf der Liste der Eigenschaften, die man als Anhalter*in kultivieren sollte. Reisepläne ändern sich vermutlich nirgends schneller als beim Trampen. Da kann es schon mal passieren, dass man außerplanmäßig ins beste Fischrestaurant von Biarritz eingeladen wird oder sich plötzlich in einem riesigen Bus voller Hilfsgüter Richtung Senegal wiederfindet – und das habe ich mir nicht ausgedacht, sondern selbst erlebt!

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© Björn Wisnewski

10. Stay safe

Ich verstehe vollkommen, wenn dir trotz vieler Tipps und positiver Erfahrungen etwas mulmig beim Thema Hitchhiking wird. Völlige Unbedarftheit ist aber sowieso nie eine gute Reisebegleiterin. Daher kannst du natürlich noch weitere Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Teile deinen Standort mit Freund*innen oder Familie, notiere die Kennzeichen und schicke sie weiter, trage deine Wertsachen am Körper, meide die Abend- oder Nachtstunden und nimm im Zweifel lieber längere Wartezeiten in Kauf, bevor du vor lauter Ungeduld bei jemandem einsteigst, obwohl du dich nicht wohlfühlst. 

11. Übe dich in Geduld

Vergiss das Achtsamkeits-Retreat und die Meditations-App: Wahre Entschleunigung findest du definitiv beim Trampen. Wenn du nicht mal weißt, wann und ob es überhaupt weiter geht, bekommt das Warten eine ganz neue Dimension. Davon kannst du dich nervös machen lassen oder du lernst, es anzunehmen und einzusehen, dass du einfach nicht immer alles durchtakten kannst. Hätte-wäre-Gedanken und die Angst, etwas zu verpassen, sind beim Hitchhiken auf jeden Fall mehr als fehl am Platz. Was zählt, sind das Hier und Jetzt sowie die Kunst des Loslassens. Lektionen, die du als Tramper*in ganz von allein und vor allem kostenlos lernst!

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