Charlott Tornow Ausflug nach Tschechien – Ein Wochenende in der Böhmischen Schweiz
Tschechien war für mich – Schande auf mein Haupt! – lange ein blinder Fleck auf der europäischen Landkarte, obwohl das Land direkt an Deutschland grenzt und mit der Route Berlin-Prag sogar eine perfekte und noch dazu schnelle Zugverbindung hat. Noch schlimmer: Das Elbsandsteingebirge, das zu gleichen Teilen in Deutschland und Tschechien liegt, gehört zu einen liebsten Naturorten – nur, dass ich eben noch nie die tschechische Seite besucht habe. Zeit, das zu ändern! Vor Kurzem bin ich mal wieder in Berlin in den Zug nach Prag gehüpft, mit dem kleinen Unterschied, dass ich nicht in Sachsen ausgestiegen, sondern weiter über die Grenze in die Böhmische Schweiz gefahren bin.
Tag 1: Von Berlin nach Děčín
Der erste Ort nach der Grenze auf der tschechischen Seite ist Děčín. Alle, die schon mal nach Prag mit dem Zug gefahren sind, haben definitiv auch hier gehalten. Vermutlich sind die wenigsten aber ausgestiegen, denn der Bahnhof gibt nicht wirklich die Schönheit der Stadt preis. Děčín liegt direkt an der Elbe in einem Talkessel und ist der perfekte Start für meine Rundtour durch die Böhmische Schweiz. Vom Bahnhof sind es ins Stadtzentrum nur knapp 20 Minuten zu Fuß, auf dem Weg läuft man am Fluss entlang und an den bunten Häuserreihen vorbei, die sich am Fuße des Felsmassiv Schäferwand aneinander reihen.
Adrenalinjunkies und Outdoor-Begeisterte sollten an der Schäferwand Halt machen, denn hier befindet sich ein ziemlich cooler, steiler Klettersteig. Die Schäferwand ist 200 Meter hoch und kann auf verschiedenen Routen erklommen werden. Ausrüstung kann man im Outdoor-Laden Active Point ausleihen und allen, die noch nie an einem Klettersteig unterwegs waren, empfehle ich, einen Tour-Guide zu buchen. Mich hat die Kletterführerin Yael Myrthe begleitet, die ihr über das Kemp Decin buchen könnt. Sie hat mir nicht nur die wichtigsten Techniken beim Klettern gezeigt, sondern auch die Angst vor schwierigen Passagen genommen.
Der Aufstieg dauert, je nach Können und Schwierigkeitsgrad der Route, zwei Stunden. Der Abstieg erfolgt über einen kleinen Wanderweg durch den angrenzenden Wald. Wer mag, probiert sich danach an einer weiteren Route aus oder stärkt sich in der Stadt. Wenn du kulinarisch an Tschechien denkst, hast du vermutlich als erstes Deftiges wie Knödel und Gulasch im Kopf. Zu meiner Überraschung kann man in Děčín aber richtig gut vegan essen und zwar im Bistro Les. Hier gibt es zwar auch Deftiges wie Suppe und Knödelgerichte, aber eben in einer pflanzenbasierten Ausführung und richtig lecker. Das Mittagsmenü besteht aus einem frisch gepressten Saft, einer Suppe und einem Hauptgericht, wer es weniger schwer mag, kann aber auch Wraps, Kuchen und Granola essen. Für richtig guten Kaffee sollte man in die OKR Espresso Bar einkehren, die sich ein paar Meter weiter befindet. In dem stylischen Café, in dem man verschiedenste Kaffee-Kreationen trinken kann, fühle ich mich, als hätte ich Berlin gar nicht verlassen.
Gut gestärkt geht es hoch zum Schloss. Bereits im 10. Jahrhundert wurde auf dem Felsen, auf dem das Schloss steht, eine erste Befestigung zur Kontrolle der Elbschifffahrt gebaut. Der steinerne Bau selbst wurde schon im 13. Jahrhundert errichtet. Heute kann man hier entspannt über die Anlage und die angrenzenden Gärten flanieren und freilaufende Pfauen bei der Brunft beobachten. Wer noch Kraft in den Beinen hat, läuft weiter durch die Stadt, vorbei am schönen Rathausplatz, bis zum Lesopark und hoch zur Elbwarte, von wo aus man einen wunderbaren Blick auf den Sonnenuntergang hat.
Tag 2: Mit dem Fahrrad von Jedlova nach Krasna Lipa
Am zweiten Tag steige ich in Děčín wieder in den Zug, nehme aber diesmal die U8 Nationalparkbahn nach Jedlova. Hier startet eine schöne Wander- oder Fahrrad-Tour – je nachdem, wie man unterwegs ist – nach Krasna Lipa durch die liebliche Seite der Böhmischen Schweiz: Es geht vorbei an Seen, grünen Wiesen, sanften Erhebungen, alten Kirchen und verlassenen Holzhäusern. Highlights auf dem Weg sind die Burgruine Tolštejn – von der aus man den Blick über die Landschaft schweifen lassen kann – sowie der Kreuzberg Křížová hora. Die 15 Kilometer lange Tour eignet sich perfekt für einen Fahrradausflug – wenn du also kannst, nimm am besten dein Fahrrad mit, so wie es in der Gegend viele machen.
In Krasna Lipa angekommen, erwartet dich in der Pivovar Falkenstejn ein frisches Bier. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde in Krasna Lipa Bier gebraut, das aktuelle Brauhaus wurde 2013 neu eröffnet. Hier kannst du nicht nur beim Bierbrauen zuschauen, sondern das frisch gezapfte Bier auch direkt kosten. Wie es sich für ein Brauhaus gehört, gibt es zu Stärkung deftige Speisen wie Gulasch, Schnitzel und Rippchen, aber auch an Veganer*innen und Vegetarier*innen wurde gedacht. Das Bierbrauen hat übrigens in Tschechien mindestens so lange Tradition wie in Deutschland. Nicht nur wurde das Pils, wie wir es heute kennen, in Tschechien erfunden, der Bierkonsum pro Kopf ist in unserem Nachbarland sogar noch höher und mit 145 Liter pro Kopf jährlich weltweit am höchsten.
Wer ein bisschen zu tief ins Glas geschaut hat oder einfach nur etwas länger bleiben will, kann in der Pension nebenan übernachten und die Reise am nächsten Tag fortsetzen.
Tag 3: Hoch hinaus auf die drei Gipfel der Böhmischen Schweiz
Den besten Blick hat man noch immer von oben, deswegen geht es am dritten Tag meiner Reise durch die Böhmische Schweiz tiefer hinein in das Gebirge und dann hoch hinaus. Ich mache eine märchenhafte Wanderung zu den Dittersbacher Wänden: In der Nähe von Jetřichovice kannst du eine einzigartige Fels- und Waldlandschaft erkunden, die typisch für das Elbsandsteingebirge ist. Die zehn Kilometer lange Rundwanderung startet an der St. Nepomukkirche in Jetřichovice und führt durch grüne, verwunschene Wälder hoch zu drei Gipfeln.
Zunächst erklimmt man den Marienfelsen mit seinem ikonischen Holzpavillon. Weiter geht es zur Wilhelminenwand, die bereits Mitte des 19. Jahrhunderts zugänglich gemacht wurde – von hier aus hast du den vielleicht schönsten Blick auf die Böhmische Schweiz und den vorher bestiegenen Marienfelsen. Das letzte Highlight auf der Tour ist der Rudolfstein, die höchste Erhebung auf der Tour.
Die Wanderung ist mit vier bis fünf Stunden angesetzt und neben Ausdauer benötigst du vor allem festen Schuhwerk, denn es geht über wirklich steile Holztreppen und Steinstufen auf die drei Gipfel. Die Wanderung ist trotzdem für alle machbar, die nicht unter Höhenangst leiden. Obwohl das Wandergebiet hier übrigens schon seit dem 19. Jahrhundert besteht, ist man hier fast allein unterwegs und kann die sagenhafte Natur ganz in Ruhe aufsaugen.
Tag 4: Ein letzter Kaffee im Bohemien Coffee House
Am letzten Tag meiner Reise fahre ich mit der Nationalparkbahn von Krasna Lipa nach Rumburk. Wenn du mit dem Fahrrad unterwegs bist, empfehle ich dir, wieder eine etwas längere Tour zu machen und auf dem Weg nach Rumburk der Wiesenbar und Nobilis Tilia einen Besuch abzustatten. Nobilis Tilia stellt bereits seit 1994 in der Böhmischen Schweiz hochwertige Naturkosmetikprodukte her und vereint dabei neue Erkenntnisse über die Wirkung von Heilpflanzen mit traditionellen Herstellungsverfahren. Das Unternehmen hat daran mitgewirkt, die tschechischen Bio-Zertifikate CPK zu entwickeln und unterliegt natürlich selbst höchsten Standards.
In Rumburk wartet mein persönliches kulinarisches Highlight der Reise: das Bohemian Coffee House. Das Kaffeehaus wurde 2020 von Jiří Dužár und seiner Frau Jiřina in einer damals recht unscheinbaren Straße von Rumburk eröffnet. Jiří selbst ist passionierter Kaffeetrinker und -röster: Er bezieht seinen Kaffee nicht nur aus Direktvertrieb von Bauern unter anderem aus Mexiko, er notiert sich auch bei jeder Röstung die verschiedenen Parameter, um den besten Geschmack aus der Bohne zu erhalten. Versteht sich von selbst, dass er und sein Team die Kund*innen im Café zur Röststufe des Kaffees und der dazu passenden Milch beraten. Dazu gibt es leckere Kuchen und Frühstückskreationen, die Jiří Frau in der Küche liebevoll zubereitet.
Am liebsten würde ich für den Rest des Tages hier sitzen bleiben und Kaffee trinken, aber ich muss den Zug nach Berlin erwischen. Das Tolle ist, dass sich ein Trip in die Böhmische Schweiz perfekt als Rundtrip anbietet, denn von Rumburk aus fährt die U28 Nationalparkbahn weiter nach Bad Schandau auf der deutschen Seite. Hier springe ich wieder in den aus Prag kommenden Zug nach Berlin und bin eineinhalb Stunden wieder in der Heimat.
