Bier-Pong, Pub Crawl und Techno-Partys – So schlimm ist eine Hostel-Nacht mit Ü30
Natürlich habe ich schon in Hostels übernachtet, oft sogar. Ich habe gute und schlechte Erinnerungen, wobei letztere irgendwie präsenter sind. Aber vielleicht ist es nur natürlich, dass das Acht-Bett-Dorm in Barcelona, in dem mein Bettnachbar von oben auf meine Sachen gekotzt hat, mehr Raum in meinen Erinnerungen einnimmt, als all die netten, charmanten Hostels von Portugal bis Australien, in denen ich ruhige Nächte für wenig Geld verbringen durfte.
Eine Sache aber eint all meine Hostel-Erlebnisse: Sie sind ganz schön lange her. Es war keine bewusste Entscheidung, irgendwie ist es einfach passiert. Ich war plötzlich mit dem Auto von Freund*innen unterwegs, habe mir Airbnbs mit meinem Partner gemietet oder in günstige Hotels eingecheckt. So kommt es, dass ich während meines letzten Kroatien-Trips nach fast zehn Jahren zum ersten Mal wieder eine Nacht im Mehrbettzimmer verbringe.
Wie schlimm kann es schon werden?
Ich war auf der Suche nach einer günstigen Unterkunft in Zagreb und ein Hostel klang wie eine gute Option. Leider waren alle Einzelzimmer schon belegt, sodass ich mich fürs Mehrbettzimmer entschied. "Was ist das Schlimmste, das in nur zwei Nächten im Dorm passieren kann?", frage ich mich, als ich durch die Gassen der Altstadt irre, auf der Suche nach dem Eingang. Als ich ihn schließlich finde, ist es ein dreckiger Säulengang in einer etwas schäbigen Seitenstraße. Nun ja, nichts, was mich als Berlinerin schocken kann. Im Treppenhaus ist das Licht defekt, Kartons und kaputte Schränke stapeln sich auf den Absätzen, der Fahrstuhl funktioniert natürlich auch nicht.
An der Rezeption angekommen, fühle ich mich schlagartig sehr alt. "Heute Abend ist Beer-Pong-Nacht, möchtest du dich anmelden?", fragt das wahnsinnig gut gelaunte Mädchen am Computer. "Und morgen veranstalten wir einen Pub-Crawl, willst du in die WhatsApp-Gruppe?" "Nein", ist alles an Antwort, was ich einsilbig rauskriege. Das ist also das Schlimmste, was passieren kann: Beerpong-Nacht. Ich bin müde, etwas erkältet und muss arbeiten. Was ich brauche, ist eine ruhige Nacht. Das kann ich wohl vergessen.
Als ich nach dem Abendessen zurückkomme, schallt mir schon im Treppenhaus eine Techno-Version von "Wonderwall" entgegen. Wie unkreativ kann man denn sein? Oasis, Beerpong und Pub-Crawls, genau das war das Abendprogramm, als ich vor einem Jahrzehnt durch Europas Hostels getingelt bin. Und da fällt mir auf, dass meine Ablehnung vielleicht gar nichts mit meinem Alter zu tun hat. Auch mit Mitte Zwanzig setzte bei mir beim Wort "Beerpong" schon der Fluchtreflex ein und den einzigen Pub-Crawl, den ich je besucht habe, habe ich frühzeitig verlassen, als es Jägermeister-Bier-Bomben gab. Party-Hostels waren noch nie mein Ding.
All das hilft mir freilich recht wenig, als ich in meiner Bett-Box liege und dank des wummernden Basses keine Chance auf Schlafen habe. Vor dem Bad – es gibt zwei Toiletten und zwei Duschen für das ganze Stockwerk – wartet eine Schlange von Mädchen mit Make-up-Taschen darauf, sich fertig zu machen. In den Duschen kleben Haare im Farbspektrum des gesamten Regenbogens an der Wand. Vor dem Einschlafen scrolle ich durch Airbnbs, die morgen noch frei sind.
Man sollte allem eine Chance geben
Müde schleiche ich am nächsten Morgen Richtung Küche, denn es gibt coolerweise kostenloses Frühstück und Kaffee. Die meisten der Gäste sehen ziemlich verkatert aus, und so kann ich meinen Kaffee in angenehmer Ruhe genießen. Dann verlasse ich das Hostel mit dem Plan, auch heute keine Sekunde länger als nötig hier zu verbringen.
Als ich am Nachmittag wiederkomme, ist ein neuer Nachbar in meinem Zimmer gerade am Auspacken. Ein junger Schotte begrüßt mich mit entwaffnender Freundlichkeit. Aufgeregt erzählt er mir, wo er war und wo er hinwill, will wissen, wo ich herkomme und was ich so mache und fragt mich mit leuchtenden Augen, ob ich denn auch zum Pub-Crawl heute Abend gehen werde. Für ihn ist das hier alles das erste Mal, und er liebt es. Er wird heute Nacht eine super Zeit mit Gleichgesinnten und wahrscheinlich den Spaß seines Lebens haben. Ich freue mich ehrlich für ihn und schäme mich etwas für meine bittere Ablehnung am Abend davor.
Die zweite Nacht ist viel ruhiger und ich bin einigermaßen ausgeschlafen. Beim Frühstück unterhalte ich mich mit spannenden Reisenden aus aller Welt über unsere liebsten Orte in Europa. Ich darf meine Sachen kostenfrei den ganzen Nachmittag in der Lobby abstellen, und die Rezeptionistin erklärt mir, wie ich am besten zum Bahnhof komme. Ich mag zwar nach wie vor wirklich nicht der Typ für Party-Hotels sein, aber das ändert nichts an ihrer Daseinsberechtigung. Ich freue mich von ganzem Herzen für all die Menschen, denen sie bereichernde Erfahrungen geschenkt haben. Wenn es sich vermeiden lässt, werde ich trotzdem auf der nächsten Reise wieder ein Zimmer für mich ganz allein buchen und das hat sehr wenig mit meinem Alter zu tun.