Sonja Koller Hüttenwanderung im Zillertal: Vier Tage auf dem Berliner Höhenweg
Den ganzen Tag draußen in der Natur sein, beim Wandern beobachten, wie sich das spektakuläre Bergpanorama verändert und abends in einer Hütte übernachten – das war für mich früher ein Albtraum. Während meiner Kindheit in Wien bin ich schon mehrmals mit meiner Familie auf Hüttenwanderungen gegangen und habe mich dabei regelmäßig im Sitzstreik probiert. Spoiler: Bringt einen leider auch nicht näher an den nächsten Gipfel. Ein paar Jahre älter und mit etwas mehr Höhenmeter in den Waden, habe ich mich nochmal an eine Hüttenwanderung herangetraut und kann nun verstehen, was meine Eltern dazu gebracht hat, mich auf den Berg zu treiben. Denn kaum eine Reise hat mich ab Sekunde eins alles in meinem Alltag vergessen lassen. Zu Ehren meiner „neuen“ Heimat war ich auf dem Berliner Höhenweg unterwegs, einem der schönsten Weitwanderwege der Alpen.
In seiner gesamten Länge führt der Berliner Höhenweg auf sieben Etappen durch das Zillertal im österreichischen Tirol. Stolze 7.644 Höhenmeter überwindet man dabei insgesamt – der Berliner Höhenweg ist wirklich anspruchsvoll und nur für erfahrene Wander*innen ausgeschrieben. Weil mir vor allem die Etappen an Tag zwei und sieben mit neun und zehn Stunden Gehzeit etwas zu anspruchsvoll für die erste Hüttentour seit Jahrzehnten waren, habe ich mir eine eigene, modifizierte Version des Berliner Höhenwegs zusammengestellt, die ich dir vorstellen will.
Tag 1: Vom Alpengasthaus Breitlahner zur Berliner Hütte
Los geht es vom Alpengasthaus Breitlahner. Um den Gasthof zu erreichen, fahre ich mit dem Zug nach Jenbach und von dort mit der Schmalspurbahn ans Ende des Tals nach Mayrhofen. Dort bringt mich ein öffentlicher Bus direkt vor die Tür des Alpengasthaus Breitlahner. In dem, vor allem von außen, schicken Gasthaus findest du die mit obligatorisch hellem Holz ausgestatteten Zimmer sowie Gemeinschaftsanitäranlagen und abends warme Küche. Wer will, kann sich hier auch länger einmieten und mehrere schöne Tagestouren in die Umgebung machen.
Der Zustieg auf die Berliner Hütte vom Alpengasthaus Breitlahner führt durch den Zamsergrund in etwa vier Stunden ans Ziel. Für den ersten Tag habe ich mir eine einfache Wanderung ausgesucht, bei der ich mit Almenidyll belohnt werde. In der ersten Stunde geht es ohne nennenswerten Anstieg immer weiter in Richtung Gletscher, dann wird es steiler. Nach dem ersten Drittel geht es stetig bergauf, wer will, kann an der Grawand Hütte oder der Alpenrosenhütte eine Pause einlegen.
Der Schweiß lohnt sich, denn die Berliner Hütte ist ein absoluter Star unter den Alpengasthöfen. Sie ist nicht nur namensgebend für den Höhenweg, sondern auch eine der schönsten Hütten der Alpen. Wobei Hütte als Bezeichnung untertrieben ist, sie ist eher ein Prachtbau aus einer anderen Zeit, der nun unter Denkmalschutz steht. Betrieben wird sie von der Berliner Sektion des Deutschen Alpenvereins, der sie ihren Namen zu verdanken hat. Wie in allen in diesem Artikel erwähnten Hütten hast du die Wahl zwischen Mehrbettzimmer, Matratzenlager und Zweibettzimmer und solltest schon Monate im Voraus reservieren. Wer will, kann sich eine (vegetarische) Halbpension dazubuchen, bei der ein dreigängiges Abendmenü und ein Frühstück inkludiert ist. Du kannst aber abends auch einfach von der normalen, hier recht großen Speisekarte bestellen.
Etappe 1: 8,9km, Gehzeit: 3:20 Stunden, bergauf: 810m, bergab 10m | Mehr Infos zur Etappe
Tag 2: Von der Berliner Hütte zum Furschaglhaus
Am nächsten Tag geht es auf der offiziellen Route des Berliner Höhenwegs weiter von der Berliner Hütte über das Schönbichler Horn zum Furtschaglhaus. Die Route ist wirklich anstrengend, die Umgebung aber absolut atemberaubend und am Weg freunde ich mich mit einigen Schafen an. Meine Stimmung ist trotzdem bescheiden. Denn die Gewitterwolken, die schon morgens vorbeiziehen sollten, kehren zurück. Bei Nieselregen und dichter Wolkendecke geht es immer weiter bergauf, wohin genau, kann ich jetzt nicht mehr sehen. Als ich schließlich ein paar Meter abseits des Weges ein Aussteller sehe, den ich als modernes Gipfelkreuz interpretiere, bin ich heilfroh, am Gipfel zu sein. Ich schieße sogar ein Gipfelselfie. Erschöpft, aber froh – zwei Stunden, bevor ich die echte Bergspitze erreiche.
Denn jetzt wird es wirklich schwierig: Es geht einfach immer weiter und steiler bergauf und ich muss einsehen, dass mein Gipfelglück etwas voreilig kam. Bei unaufhörsamen Regen geht es noch zwei Stunden in schwierigen Gelände weiter bergauf und ich bin ganz froh, dass ich durch den Nebel, in dem ich mittlerweile klettere, die Abgründe nicht so genau sehen kann. Die lange Kletterpassage, die man zwar ohne Ausrüstung, aber mit starken Nerven überstehen kann, ist nicht nur mit nassem Untergrund eine echte Herausforderung. Dafür ist mein Grinsen umso größer, als ich das Gipfelkreuz sehe.
Vom Schönbichler Horn geht es noch zwei Stunden, anfangs über ein Geröllfeld, zum Furtschaglhaus. Die Hütte ist vergleichsweise klein, verfügt aber neben der Terrasse – auf der es auf einer Höhe von 2295 Metern selbst an diesem Hochsommertag sehr kalt ist – auch über einen schönen Wintergarten. Hier ist es ratsam, bei der Reservierung auch gleich die Halbpension dazu zu buchen, ansonsten kannst du abends nur aus einer Handvoll Gerichten wählen. Übrigens: Vegetarische Verpflegung ist auf keiner der hier erwähnten Hütten ein Problem.
Etappe 2: 8 km, Gehzeit: 6,5 bis 8 Stunden, bergauf: 903m, bergab 1.164m | Mehr Infos zur Etappe
Tag 3: Vom Furtschaglhaus zur Olpererhütte
Weil ich weiß, dass die Hütte für die nächste Nacht höher liegt, kann ich die Stunde Abstieg, mit der Tag 3 beginnt, gar nicht richtig genießen. Dafür scheint jetzt wieder die Sonne und auf dem Weg stoße ich auf gleich mehrere Murmeltiere. Im Tal angekommen geht es für etwa zwei Stunden immer entlang des Stars für den Tag: dem Schlegeisspeicher. Während ich in den letzten Tagen kaum andere Wanderer*innen getroffen habe, stoße ich jetzt auf die geballte Ladung Alpentourismus. Man kann den Schlegeisspeicher mit dem Auto und sogar mit dem öffentlichen Bus erreichen, sodass an diesem sonnigen Tag einiges los ist. Für mich ist das nach nur zwei Tagen alleine in den Bergen gewöhnungsbedürftig.
Nach einer Kaspressknödelsuppe in der Jausenstation Zamsgatterl auf 1800 Metern geht es in zwei Stunden hinauf zur Olpererhütte auf Höhe von 2388 Metern. Der Weg ist so stark von Familien ohne Bergerfahrung frequentiert, dass wir immer wieder stehen bleiben müssen und manchmal ein regelrechter Stau entsteht. Ich würde dir also raten, den Abschnitt ausnahmsweise möglichst spät in den Tag zu legen. Es ist aber absolut verständlich, dass die Olpererhütte so ein Publikumsmagnet ist: Denn von hier hat man einen einzigartigen Blick auf den Schlegeisspeicher, der auf Instagram bereits tausendfach geteilt wurde – zu Recht!
Nicht nur der Blick, sondern auch die Olpererhütte selbst ist hervorhebenswert. Sie wurde erst vor 20 Jahren neu erbaut und fällt wegen ihres modernen Interieurs auf. Der Schlafsaal, in dem ich heute nächtige, hat nur acht Betten – so viele wie die Mehrbettzimmer in der Berliner Hütte und Furtschaglhaus. Insgesamt gibt es hier nur 60 Betten, was dazu führt, dass es gegen 18 Uhr, als die Tagesgäste schon im Tal sind, entspannend ruhig wird am Insta-Hotspot. Falls du nur einen Tag Zeit hast, plane also eher einen Stopp zum Abend- statt zum Mittagessen bei der Olpererhütte ein.
Etappe 3: 9,9 km, Gehzeit: 4:30 Stunden, bergauf: 603m, bergab 516m | Mehr Infos zur Etappe
Tag 4: Von der Olpererhütte zum Gasthaus Breitlahner
Nach dem obligatorischen Foto-Spot an der Brücke hinter der Olpererhütte, die dank einer optischen Täuschung aussieht, als würde sie über dem Schlegeisspeicher schweben, will ich für zwei Stunden weiter zum Friesenberghaus wandern und von dort drei Stunden lang zum Alpengasthaus Breitlahner absteigen. Doch das Wetter macht mir einen Strich durch die Rechnung. Den ganzen Tag soll es regnen, ab zehn Uhr gewittern, ab zwölf Uhr gibt es sogar eine Warnung für die Region. Es heißt also: Früh aufstehen und auf schnellstem Weg absteigen, denn mit Gewitter im Hochgebirge ist nicht zu spaßen.
Obwohl ich enttäuscht darüber bin, die letzte Hütte auf meiner Route nicht mehr mitnehmen zu können, überzeugt mich die Nebelwand davon, dass es hier am heutigen Tag sowieso keine Aussicht zu sehen gibt, die ich verpasse. Die letzten Tage waren aber einfach so schön, dass ich nicht genug bekommen kann und immer weiter wandern will. Mein Fazit: Der Berliner Höhenweg ist definitiv so schön wie sein Ruf.
Etappe 4: 10,7km, Gehzeit: 6 Stunden, bergauf: 465m, bergab 1598m | Mehr Infos zur Etappe
