In der Schweiz versteckt sich der letzte Hexer Europas – Zu Gast bei Stefan Wiesner

© Charlott Tornow

Es gibt diese eine Frage, die sich Menschen gern gegenseitig stellen: „Was würdest du gern können?“ Sowas wie extrem stark sein oder viele Sprachen sprechen, meinen sie damit wahrscheinlich. Meine Antwort darauf war schon immer: zaubern. Etwas erschaffen, das vorher nicht da war. Als ich dann gelesen habe, dass es in der Schweiz, mitten im Nirgendwo der Alpen, einen Hexer gibt, musste ich ihn natürlich besuchen.

Der Hexer heißt Stefan Wiesner und wohnt im abgeschiedenen Escholzmatt, das rund eine Stunde Autofahrt von Luzern entfernt ist. Escholzmatt wiederum liegt in der Unesco Biosphäre Entlebuch, womit sich auch das Nennenswerte über den kleinen Ort erschöpft hätte – wäre da nicht Stefan Wiesner. Wiesner hat sich mit seinem Gasthof Rössli, den er bereits in den 1980er-Jahren von seinen Eltern übernahm, einen Namen gemacht, einen Stern erkocht und zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Er ist nicht der bekannteste Schweizer Koch, wohl aber der außergewöhnlichste, immerhin trägt er den Namen „Der Hexer vom Entlebuch“.

Stefan Wiesner, Entlebuch, Luzern, Hexer
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Stefan Wiesner, Entlebuch, Luzern, Hexer
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Stefan Wiesner, Entlebuch, Luzern, Hexer
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Was bei uns wächst, ist für uns bestimmt: Kochen mit Sägespänen, Rost und Asche

Wiesner hat sich auf die alchemistische Naturküche spezialisiert und wie echte Zauberer greift er einerseits auf das zurück, was ihm die Natur bietet. Andererseits versteht er sich selbst als Künstler, der die Emotionen der Menschen und ihr Erleben beeinflusst. Wiesners Motto dabei ist: „Was bei uns wächst, ist für uns bestimmt.“ Er kocht mit allem, was ihm die Natur im Entlebuch zur Verfügung stellt. Das sind nicht nur all die Kräuter und Pflanzen aus seinem eigenen Garten sowie Fleisch und Käse aus regionalem Anbau, sondern auch Zutaten, die wir normalerweise nicht in der Küche vermuten: die Rinde von verschiedensten Baumarten, Sägespäne, Blätter von Bäumen, Rost, Granit, Asche oder Eisenerz. Was nicht in der Schweiz wächst und vorkommt, kommt bei Wiesner auch nicht auf den Tisch.

Wiesner nutzt dabei wie in der Alchemie die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde, um mit diesen Zutaten neue Geschmackserlebnisse zu kreieren und seine Gäste, nun ja, zu zu verzaubern. Er nutzt Asche und Holzspäne, um damit Käse zu räuchern. Er destilliert Holzrinde und verfeinert mit dem Destillat Sauerrahm oder Eiscreme. Er siebt Kohle und backt damit Brot. Und wusstest du, dass alle Hölzer Vanillin und Glukose enthalten, perfekt also für die Produktion von Zucker sind? Wiesner zeigt, dass die Natur so viel mehr bereitstellt als nur Pflanzen aus dem Garten und Tiere von der Weide. Dabei kocht Wiesner nach dem Prinzip "root to leaf" und nach allen Regeln der Nachhaltigkeit: Tiere werden nach dem Prinzip „from nose to tail“ zubereitet, das heißt, alles vom Tier wird verzehrt. Dazu gibt es praktisch kein Food Waste im Gasthof Rössli.

Stefan Wiesner, Entlebuch, Luzern, Hexer
© Charlott Tornow
Stefan Wiesner, Entlebuch, Luzern, Hexer
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Stefan Wiesner, Entlebuch, Luzern, Hexer
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Der Hexer und seine Lehrlinge: Alchemistisches Kochen mit dem Feuerring

In seinem Gasthof, der nur auf Bestellung öffnet, bietet er mittlerweile verschiedene Kochkurse in seiner Naturakademie an. Der außergewöhnlichste ist dabei wohl „Alchemistisches Kochen mit dem Feuerring“. Dabei erschafft er wie ein echter Zauberer nicht nur Feuer, sondern weiht auch wissbegierige Lehrlinge mit viel Charisma in die Kunst seines Kochzaubers ein und spricht über die Weisheit von Bäumen und die vielfältigen Zubereitungsweisen von jungen Blättern. (Man kann sie kochen, braten und karamellisieren.) Das mag nach Hokuspokus klingen, aber ähnlich wie die Alchemisten aus den vorherigen Jahrhunderten hat Wiesner ein umfassendes Verständnis von den Stoffen und ihren Reaktionen, die er für seinen kulinarischen Zauber nutzt – und welche berauschende Wirkung sie auf seine Gäste haben.

Die Feuerringe, die Wiesner für seine Workshops nutzt, wurden übrigens von dem Künstler Andreas Reichlin erfunden. Die riesige Koch-, Brat- und Garstation ist das perfekte Setting für Wiesners Zauber. Denn so ein Feuerring ist Kochtopf, Bratpfanne, Backofen und Teppanyaki in einem und bietet dazu auch noch perfekte Bedingungen zur Temperaturregulierung: Innerhalb des Feuerrings, wo das Holz lodert, ist es am heißesten, am Rand des Ring am „kältesten“.

Stefan Wiesner, Entlebuch, Luzern, Hexer
© Charlott Tornow

Während des siebenstündigen Workshops lernt man dann nicht nur alles über Wiesners alchemistische Naturküche, sondern bereitet mit ihm und den anderen Teilnehmer*innen viele verschiedene Speisen zu, die später beim Dinner auf dem Tisch landen. Alle Geheimnisse offenbart Wiesner freilich nicht, aber welcher Hexer macht das schon?

Stefan Wiesner und der Gasthof Rössli

Wiesner Mysterion |Wiesner Mysterion, Brambode 6, 6167 Bramboden, Schweiz | Kurs "Alchemistisches Kochen mit dem Feuerring": 7-stündiger Workshop: 395 CHF, Übernachtung im Einzelzimmer: 115 CHF, Übernachtung im Doppelzimmer: 195 CHF | Zur Kursbuchung

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