Mit dem Heißluftballon über die Alpen – So spektakulär ist ein Flug in 6000 Metern Höhe

© Charlott Tornow

Als ich an einem sonnigen, eiskalten Samstagmorgen im Januar sanft vom Boden abhebe, die Straßen und Häuser unter mir kleiner werden und der Horizont immer weiter wird, muss ich aus einer Mischung aus Anspannung, Aufregung und Überwältigung eine Träne verdrücken.

Alpenüberquerung Heißluftballon, Heißluftballon Tour, Skytours Ballooning
© Charlott Tornow

Im Sommer 2022 lese ich zum ersten Mal von der Möglichkeit, die Alpen von Deutschland nach Italien in einem Heißluftballon zu überqueren. Nur mit der Kraft des Windes, heißer Luft und einer riesigen, zum Ballon geformten Stoffbahn Hunderte Kilometer zu fliegen – das klingt so spektakulär und wahnwitzig, wie es ist, und nach genau meiner Art von Abenteuer. Dabei muss man viel Geduld haben, denn auch wenn Heißluftballons prinzipiell ganzjährig am Himmel zu sehen sind, ist eine Alpenüberquerung nur im Winter möglich.

Für den Flug benötigt man nämlich eine ganz bestimmte Wetterlage, die sich nur an wenigen Tagen einstellt: ein abziehendes Schlechtwettergebiet in Deutschland, dem eine nördliche Windströmung mit schnellen Windgeschwindigkeiten in der Höhe folgt. In den Voralpen darf es nicht zu bewölkt und in Italien muss der Boden zur Landung nebelfrei sein. Die Touren werden daher immer sehr kurzfristig angekündigt und nachdem in der Saison 2022/23 gar keine Flüge stattfanden, ist es im Januar 2024 für mich endlich soweit.

Alpenüberquerung Heißluftballon, Heißluftballon Tour, Skytours Ballooning
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Heißluftballon
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Am Morgen des Startes bin ich vor Müdigkeit kaum aufgeregt. Mein Wecker klingelt nämlich um 4 Uhr, eine Dreiviertelstunde später sitze ich noch halb schlafend im Shuttle, der mich und die weiteren Mitreisenden zum Startpunkt bringt, der sich heute am Chiemsee befindet. Insgesamt zwei Ballons mit jeweils 13 Passagier*innen heben an diesem Morgen ab und alle müssen beim Aufbau mithelfen: Auf dem Korb wird zunächst ein Metallgestell mit zwei großen Heißluftbrennern angebracht. Als nächstes rollen wir die  meterlange Ballonhülle aus, die über mehrere Seile an dem Metallgestellt befestigt und über zwei große Ventilatoren so lange mit kalter Luft gefüllt wird, bis sie sich langsam gen Himmel bewegt. Unser Ballon-Kapitän Jan beginnt zu diesem Zeitpunkt schon, die Ballonhülle mit heißer Luft zu füllen, damit sie nicht wieder in sich zusammen fällt. Sobald alle Passagier*innen eingestiegen sind und Jan den Funkbetrieb sichergestellt hat, geht es los. Abwechselnd zieht Jan an den zwei Brennerhebeln und wir heben fast unmerklich ab.

Chiemsee, Bayern, Luftaufnahme
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Berge, Alpen, Luftaufnahme, Sonnenaufgang
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In nur wenigen Minuten haben wir eine ordentliche Höhe erreicht, sodass ich den kompletten Chiemsee überblicken kann und mich pünktlich zum Sonnenaufgang über die Licht- und Schattenspiele auf den Bergen freue. Dabei ist das Erlebnis und der Ausblick so surreal, dass ich mich kaum darüber wundere, dass der Korb nur von ein paar Seilen und heißer Luft getragen wird und es unter uns bald 6000 Meter in die Tiefe geht. Irgendwie fühle ich mich, als wäre ich Teil eines Bildschirmschoners – das Gefühl für Höhe, Tiefe und Weite habe ich komplett verloren. Was vielleicht auch daran liegen könnte, dass hier oben die Luft ganz schön dünn ist. Um nicht das Bewusstsein zu verlieren, tragen daher alle eine Sauerstoffmaske. Tee und viele Süßigkeiten versorgen uns mit Energie.

"Aber wie kann ich denn dort oben auf Toilette gehen?", wirst du dich jetzt sicher fragen. Gar nicht! Die Die Körbe sind nicht sonderlich groß, in ein Abteil passen vier Menschen, Sitzplätze gibt es keine. Wenn deine Beine irgendwann etwas schlapp machen, kannst du dich hinhocken, den Toilettengang musst du dir bis zur Landung verkneifen. Deswegen ist es auch nicht ratsam, vorher oder währenddessen Kaffee zu trinken. Solltest du eine schwache Blasen haben, empfehle ich dir, dich kurz vor dem Start nochmal zu erleichtern. Tatsächlich war auch das meine größte Sorge, aber die Aufregung, die Kälte und der Sauerstoffmangel haben meinen Körper so sehr in Anspruch genommen, dass ich nicht einmal daran denken musste.

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Alpenüberquerung Heißluftballon, Heißluftballon Tour, Skytours Ballooning
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Auch wenn die Aussicht wortwörtlich atemberaubend war, so sehr habe ich mit der Kälte gekämpft, wobei mein größtes Problem die Füße waren. Stehend und ohne Bewegung vier Stunden lang -20 Grad auszuhalten, war eine echte Herausforderung für mich. Ich rate dir daher, nicht nur Wärme-Pads in die Schuhe zu legen, sondern auf wirklich gut gefütterte und etwas zu große Schuhe zu setzen, denn erst dadurch kann sich die Wärme entwickeln. Das Gleiche gilt für die Handschuhe. Rückblickend war meine ultrawarme Daunenjacke, die bis zu den Knien geht, meine Rettung.

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Adria, Italien, Berge
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Schon nach drei Stunden ist übrigens die Adria mit der Bucht von Venedig in Sicht, auch wenn es ab da noch ungefähr eineinhalb Stunden bis zur Landung dauert. Zwar können die Kapitäne den Ballon nicht direkt zu einem genauen Landeplatz steuern, wie das mit einem Flugzeug der Fall wäre. Sie nehmen aber auf die Fahrtrichtung und -geschwindigkeit durch gezieltes Steigen oder Sinken Einfluss. Dadurch können die Winde in den unterschiedlichen Höhen genutzt werden, um zu einem ungefähren Ziel zu navigieren. Zusätzlich müssen die Kapitäne aber auch über Funk mit den italienischen Behörden, die für den Luftraum zuständig sind, in Verbindung sein und zunächst eine Landeerlaubnis einholen.

Marostica, Italien, Heißluftballon
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Erst kurz vor der Landung begreife ich, welche Leistung Jan eigentlich erbringt, uns an einem passenden Ort sicher auf den Boden zu bringen. Während wir zuvor gefühlt nur geradeaus über die Alpen geflogen sind, navigiert er uns jetzt langsam über die Ausläufer einer Stadt. Nach viereinhalb Stunden landen wir etwas holprig, aber sicher mitten auf einem Feld in der Nähe des Ortes Marostica. Und da der Heißluftballon einige Zeit über der Stadt schwebte, werden wir von einem kleinen italienischen Empfangskommitee begrüßt.

Während meine Füße auftauen, ich in der Ferne noch ein paar schneebedeckte Berge und die schlappe Ballonhülle vor mir sehe, kann ich es immer noch kaum fassen, dass ich gerade in nur wenigen Stunden über die Alpen geflogen bin – nicht etwa in einem vergleichsweise gemütlichen Flugzeug, sondern wie die alten Pioniere der Ballonfahrt aus dem 18. Jahrhundert in einem ganz einfachen Korb. Zurück nach Deutschland geht es übrigens mit den selben Shuttles, die uns zum Startplatz gefahren haben. Sie legen die gleiche Strecke zurück, brauchen dafür aber über den Landweg wesentlich länger.

Marostica, Italien
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So bleibt uns noch ein bisschen Zeit, Marostica zu entdecken. Ich verliebe mich sofort in die Stadt, die auf halbem Weg zwischen Venedig und Verona liegt und in Italien für ein ganz besonderes Ereignis bekannt ist: "La Partita a Scacchi di Marostica", ein Schachspiel mit lebenden Figuren. Ich setze mich in das einzige geöffnete Café auf dem großen Marktplatz, auf dem das Spektakel jedes Jahr stattfindet, trinke einen Espresso und wünschte, ich hätte noch ein bisschen mehr Zeit für eine kurze Reise durch die Region eingeplant.

Alle Infos zur Alpenüberquerung im Heißluftballon

Vielen Dank an Skytours Ballooning für die Einladung!

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