Sonja Koller Eingecheckt – Entschleunige im weltlichen Kloster Eremito in Umbrien
In unserer Serie Eingecheckt stellen wir dir schöne und nachhaltige Unterkünfte in ganz Europa vor: hippe Design-Hotels, gemütliche Ferienhäuser für Familien, abgeschiedene Berghütten, schicke und ausgefallene Lodges oder hübsche Glamping-Domizile. Hier ist für jeden Urlaubstypen etwas dabei. Hast du auch in einer Unterkunft übernachtet, die wir unbedingt mal vorstellen sollen? Dann schreib uns an [email protected].
Gut versteckt in den Wäldern der italienischen Region Umbrien liegt ein Kloster, das es in sich hat. Gläubige findest du hier nur vereinzelt, dafür Kurzzeit-Aussteiger*innen, die hier die Zeit und alles andere um sich herum vergessen können. Ich habe bei Eremito in ein weltliches Kloster eingecheckt und schon nach ein paar Stunden bewege ich mich langsamer, spreche leiser und habe kurzzeitig vergessen, auf welchem Planeten ich mich befinde.
Schon die Anfahrt zum Eremito schüttelt den letzten Funken Alltagsstress aus mir heraus. Über eine holprige Schotterstraße geht es vom Bahnhof Fabro-Ficulle südlich von Florenz zu einem steinigen Weg durch den Wald und über sanfte Hügel. So viel saftiges Grün bin ich von Italien gar nicht gewohnt. Nach einer Dreiviertelstunde Fahrt ins Nirgendwo stehe ich vor einer Steinmauer mit Tür. Dahinter: ein langer, dunkler Gang, der nur mit einigen wenigen Kerzen beleuchtet wird. Ich höre keine Geräusche aus dem Kloster, dann erklingen aus den Lautsprechern gregorianische Mönchsgesänge. Von der ersten Sekunde an ist klar, dass Eremito eine ganz eigene Welt ist.
Entschleunigen bei bewusstem Verzicht
Das moderne Kloster liegt inmitten eines 3000 Hektar großen Naturschutzgebiets. 2014 hat Gründer Marcello hier die Reste eines Weilers entdeckt und darauf über Jahre hinweg ein steinernes Kloster erbaut. Darin haben 14 schlichte Zimmer Platz, die nur mit einem schmalen Doppelbett und einer Sitznische ausgestattet sind. Die Räume sind Mönchszellen nachempfunden, haben Gitter vor den Fenstern – aber dahinter eine Aussicht auf das ewige Grün. Es ist Teil des Detox-Konzepts rund um bewussten Verzicht. So gibt es hier keinen Fernseher oder Wlan und auch Handy-Empfang ist rar. Gäste werden aber sowieso gebeten, das Handy in den öffentlichen Bereichen des Klosters nicht aus der Tasche zu nehmen.
Stattdessen soll der Fokus ganz auf dem Hier und Jetzt liegen. Dafür wird morgens zum Aufwecken des Körpers ein leichter Yoga-Kurs angeboten, den Kopf kann man bei der Lesung in der Kapelle aufwecken. Natürlich alles freiwillig. Dabei gibt es hier durchaus auch strenge Regeln: Einmieten kannst du dich hier nur in Kombination mit vegetarischer Vollverpflegung. Mittags wird draußen gemeinsam gegessen, abends werden die drei Gänge schweigend genossen, selbst Wasser und Wein werden wortlos nachbestellt, indem du die Krüge auf vorher ausgemachte Positionen am Tisch stellst. Dabei sollen Gäste bei Mönchsgesängen die servierten italienischen Gerichte, deren Zutaten unter anderem aus dem Gemüsegarten vor dem Haus kommen, bewusst konsumieren und schmecken. Eine Erfahrung, die ich nach etwas Eingewöhnungszeit als überraschend tiefgehend wahrnehme.
Die Annehmlichkeiten eines modernen Klosters
Ganz so wie Mönche im Mittelalter leben Gäste hier aber nicht. Es gibt zum Beispiel eine Fußbodenheizung und in den Mauern ist eine moderne Dämmung versteckt, die die Temperatur im Sommer und Winter konstant hält. Der Strom wird mit einer Solaranlage gewonnen und Warmwasser gibt es dank eines modernen Heizkessels, der mit Holz aus umliegenden Wäldern gespeist wird. Dieser versorgt auch das Spa, in dem du in einem Dampfbad und einem spärlich beleuchteten und dadurch besonders mystischen Whirlpool entspannen kannst.
Im Eremito gibt es vor allem eines: Platz und Ruhe, um in sich hineinzufühlen. Zum Beispiel im Meditationsraum, der in den Stein gehauen wurde, oder im großen Aufenthaltsraum mit seinen vielen großen Kissen und Büchern. Dunkel ist es hier, wie im Rest des Klosters. Als ich hinaus auf die Terrasse trete, muss ich meine Augen zusammenkneifen. Von hier kann ich die Umgebung auf einigen kleinen Pfaden entdecken. Die Hinweisschilder sind verwachsen, alles sehr naturbelassen. Kilometerweit ist hier nichts außer Natur. Das fällt besonders nachts auf. Als ich auf der Dachterrasse neben der Kapelle stehe, sehe ich kein einziges Licht – dafür aber tausende Sterne am Himmel.
Alle Infos zum Eremito
Wer sollte hier Urlaub machen: Alleinreisende, die nachdenken wollen.
Das solltest du unbedingt einpacken: Ein gutes Buch und falls du eine hast, auch die Lebenskrise, die es zu bewältigen gilt.
Highlights in der Gegend: Die kleinen Pfade, durch die du die Umgebung des Eremito erwandern kannst, führen zu keinen spektakulären Orten. Hier geht es ums Ankommen und darum, das Kleine bewusst wahrzunehmen und zu genießen.
Eremito | Localita' Tarina 2, 05010 Parrano TR, Italien | ab 270 Euro pro Nacht mit Vollpension | Zur Webseite
