So schön ist Wasserwandern – 3 Tage mit dem Kajak durch Mecklenburg-Vorpommern

© Björn Wisnewski

Den Großteil meines Lebens war ich eigentlich nie Outdoor-Fan. Wenn ich Urlaub gemacht habe, dann in großen und kleinen Städten mit kürzeren Ausflügen in die Natur. Klar, mal ging es eine Woche an den Strand zum Sonnenbaden oder in die Berge zum Skifahren, aber ich wäre nicht im Leben darauf gekommen, stundenlang zu wandern und am Ende freiwillig zu campen. Irgendwas hat sich aber in den letzten Jahren grundlegend geändert. Wenn ich mich mittlerweile zu lange in der Stadt aufhalte, werde ich unruhig, der andauernde Lärm stresst mich und ich frage mich ein ums andere Mal, was man eigentlich mit dem ganzen Kram soll, der einem überall verkauft wird. Dann hüpfe ich in den nächsten Zug, aufs Rad oder ins Leihauto, fahre raus aus Berlin und erkunde Deutschland. Gerade der Sommer ist in Deutschland unvergleichlich schön und die beste Jahreszeit, um all die atemberaubenden Landschaften zu entdecken, die das Land so zu bieten hat.

Eine davon ist die Mecklenburger Seenplatte mit ihren hunderten Seen und Kanälen, die sich bis zur Ostsee hochziehen. Vor ein paar Jahren war ich hier schon mal mit dem Kajak unterwegs und absolut geflasht von der Natur, die sich hier vor mir aufgetan hat. Ich wollte seit Langem mal wieder zurück und weil ich ja nun mittlerweile nicht genug von Natur bekommen kann, war der Plan, drei Tage mit dem Kajak Wasserwandern zu gehen und die Nächte im Zelt zu verbringen. Wasserwandern, das ist tatsächlich wie Wandern, nur eben mit dem Kajak, Kanu oder Ruderboot auf dem Wasser. Im Vergleich zum Wandern per pedes ist man noch viel langsamer unterwegs, was das Erlebnis doppelt so schön macht.

In diesem Artikel berichte ich von meiner Tour und gebe dir viele hilfreiche Tipps, falls du danach auch Lust hast, Deutschland von einer anderen Seite kennenzulernen.

Tag 1: Von Kratzeburg nach Babke

Wir starten die Tour am Käbelicksee in Mecklenburg-Vorpommern, der sich mitten im Müritz Nationalpark befindet. Hier befindet sich der Kanuverleih von Ingo Hecht, ein wahnsinnig entspannter, freundlicher Mann, der mir vorab per Mail sogar bei der Planung hilft: Welche Strecke schaffen wir in drei Tagen, wo können wir übernachten (in Deutschland ist Wildcampen verboten!) und auf was sollten wir generell achten? Ingo Hecht empfiehlt uns eine Tour bis Neustrelitz, ein paar Campingplätze auf dem Weg und macht uns nochmal darauf aufmerksam, dass es im Naturschutzgebiet des Nationalparks verboten ist, in den Seen zu baden oder an den Ufern auszusteigen.

Bevor es losgeht, laden wir unsere Sachen in und auf die Kajaks: Wir haben uns für zwei 1er-Kajaks entschieden, um mehr Platz für unsere Sachen zu haben, aber vor allem auch, damit wir unabhängig voneinander paddeln können und nicht drei Tage lang den Hinterkopf des anderen vor der Nase haben. Da es warm draußen ist und kein Regen erwartet wird, reisen wir leicht: Ein paar wenige Klamotten finden im Rucksack Platz, dazu kommen zwei Schlafsäcke, zwei Isomatten, ein Zelt und ein großer Sack voll Lebensmittel. Dazu ausreichend Wasser. Meine Angst, dass durch das Gepäck das Paddeln erschwert wird, ist schnell verflogen. Wir hieven die Kajaks ins Wasser und gleiten auch schon federleicht drauf los.

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© Charlott Tornow
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Am ersten Tag fahren wir rund 15 Kilometer vom Käbelicksee über den Granziner See, Schulzen- und Pagelsee bis zum Zotzensee, die alle über kleine Kanäle der Havel miteinander verbunden. Bereits kurz hinter dem Käbelicksee tut sich eine wahrlich unglaubliche, urwaldartige Landschaft auf. Das Wasser fließt ruhig vor sich hin und wir treffen nur auf sehr wenige andere Wasserwanderer, sodass sich die tief hängenden Bäume und Sträucher perfekt in der Havel spiegeln, eins werden mit den unter Wasser wachsenden Pflanzen und zum Horizont hin wie ein grüner Vortex anmuten, der uns aufzusaugen scheint. Zum Ufer hin blühen die Seerosen mal mehr, mal weniger stark und tausende Libellen machen vor unseren Augen Liebe. Wir müssen uns ein paar Mal die Augen reiben und immer wieder innehalten, um dieses Naturschauspiel zu begreifen. Das wenig besiedelte Gebiet hier wird passenderweise auch "Havelurwald" genannt und zeichnet sich durch unberührte Wiesen und Felder, urwüchsige Pflanzen sowie sumpfige Wälder aus und beheimatet über 250 Vogelarten, die uns ihr ganz eigenes Konzert trällern. Wir hatten vor Abreise noch überlegt, ob wir eine Boombox mitnehmen sollten, um zwischendurch Musik zu hören, aber der Sound der Natur ist so viel schöner als all die Musik auf Spotify.

Nach eineinhalb Stunden machen wir Mittagspause am einzigen Restaurant auf der Strecke, dem Havelkrug in Granzin, den man auch mit dem Auto oder Fahrrad super erreichen kann. Das Restaurant befindet sich in einem wunderschön sanierten, roten Backsteinhaus und hat sich auf italienische Küche spezialisiert. Es gibt Pasta, Pizza und Antipasti, hausgemachte Limonaden und natürlich Aperol und Limoncello Spritz. Die riesigen Teller sind dick belegt, alles ist richtig lecker und sogar auf meine veganen Wünsche wird eingegangen. Am liebsten würden wir uns pappsatt und glücklich auf die große Wiese am Kanal legen, aber wir müssen ja noch ein bisschen Strecke zurücklegen, also ziehen wir weiter.

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© Charlott Tornow
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© Charlott Tornow
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Nicht alle Seen im Müritz Nationalpark sind durch Kanäle miteinander verbunden. Immer wenn ein Kanal endet, steht aber schon eine Lore bereit, über die man Kajaks oder Kanus transportieren kann. Beim Anheben der voll gepackten Boote sind ein paar Muckis gefragt, die Lore selbst rollt mit ein bisschen Schubkraft aber ganz allein durch den Wald bis zum nächsten See. Unser Ziel, die Fischerei Babke, erreichen wir nur kurze Zeit später. Die Fischerei an sich ist nicht besonders sehenswert, hier gibt es aber direkt am Kanal ein paar idyllisch gelegene Spots für kleine Zelte. Wir zahlen 7 Euro pro Person für die Nacht und dürfen die sanitären Einrichtungen mitbenutzen. Um uns die Beine zu vertreten, machen wir nach dem Abendessen noch einen Verdauungsspaziergang durch den Wald, beobachten einen riesigen Dachs bei seiner Tour und ein Dutzend Rehe bei ihrem nächtlichen Ausflug – allein für so viel Wildlife hat sich die Übernachtung hier gelohnt.

Tag 2: Von Babke nach Userin

Am nächsten Morgen wachen wir mit dem Zwitschern der Vögeln auf. Nachts war es trotz Zelt, Isomatte und Schlafsack erstaunlich kalt, aber bereits kurz nach 10 Uhr wärmt die Sonne unsere etwas kalten Gliedmaßen wieder auf. Ich hole mir bei der Fischerei einen Kaffee und wir frühstücken lange bis kurz vor 12 Uhr, bevor wir uns wieder auf den Weg machen. Meine Arme sind heute etwas schwächer als gestern, aber mittlerweile kann ich mich besser durch die teilweise engen und wild bewachsenen Kanäle manövrieren. Immer dann, wenn mir zu heiß wird, leg ich das Paddel kurz ab, stecke meine Hände ins Wasser und kühle runter. Die ganze Zeit so nah an der Natur zu sein, ist einfach magisch.

Unsere Tour führt uns heute rund 12 Kilometer von Babke über den Jäthensee, Görtowsee und Zierzsee bis zu unserem heutigen Ziel, den Useriner See. Auf der gesamten Strecke gibt es nur einen Rastplatz, an dem Wasserwanderer aussteigen dürfen – und den verpassen wir. Wer lange sitzen kann, wird damit kein Problem haben, aber ich werde im Kajak relativ schnell unruhig, muss regelmäßig meine Beine strecken und meinen Rücken ausruhen, denn der Sitz des Kajaks drückt unangenehm in meine Wirbelsäule.

Als wir nach fast drei Stunden die Badestelle am Useriner See erreichen, kann ich es gar nicht erwarten, aus dem Kajak zu springen und eine Runde spazieren zu gehen. Userin ist eine winzige Gemeinde mit gerade mal knapp 700 Einwohnern, aber die Badestelle, die wir eher durch Zufall entdecken, ist eine echte Perle. Das Wasser des Sees ist wunderbar klar und nicht zu kalt, man kann am kleinen Sandstrand oder auf der Wiese liegen, die Beine auf der Schaukel baumeln lassen und ein kleiner Weg führt zum Parkplatz, auf dem aus einem Wagen heraus Eis und Getränke verkauft werden. Wir entspannen hier ein paar Stunden und machen uns dann auf den Weg zum Campingplatz.

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© Charlott Tornow
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© Charlott Tornow

Unsere erste Anlaufstelle ist der Campingplatz Useriner Mühle. Leider können wir hier nicht direkt am Wasser zelten, sondern müssten neben großen Wohnwägen und anderen Camper-Vans auf einer Anhöhe unser Nachtlager aufschlagen, worauf wir keine Lust haben. Deshalb schwingen wir uns wieder ins Boot und steuern den FKK-Campingplatz auf der anderen Seite des Sees an, der zumindest bei Google Maps idyllischer aussieht. Kurz nachdem wir unsere Kajaks aus dem Wasser gezogen haben, wissen wir, dass wir hier bleiben wollen. Der Campingplatz befindet sich in einem großen, wunderschönen Tannenwald und ist aufgeteilt in Bereiche für Wasserwanderer (oder Fahrradfahrer) mit Zelt, Outdoor-Liebhaber mit Wohnwagen oder Van und Langzeit-Camper. Der Spot für alle mit Zelt befindet sich direkt am Wasser und wir suchen uns ein Plätzchen zwischen zwei Bäumen mit Blick auf den See. Für die Nacht bezahlen wir 7,50 Euro pro Person, moderne sanitäre Anlagen stehen zentral auf dem Campingplatz und wer noch ein paar Lebensmittel für die Nacht braucht, findet die im kleinen Laden direkt an der Rezeption. Übrigens muss hier niemand nackt rumlaufen, wenn man das nicht möchte. Aber wundern sollte man sich über alle Liebhaber*innen der Freikörperkultur auch nicht.

Den Abend lassen wir natürlich direkt am Wasser ausklingen. Wir setzen uns mit Sekt und Bier ans Wasser, schauen dabei zu, wie die untergehende Sonne hinter uns bunte Farben an den Himmel malt und beobachten zwei Kraniche bei ihrem Flug gen Westen. Ich habe mich lange nicht so ruhig und gelassen gefühlt und merke jetzt wie gut mir das Wasserwandern tut, mehr noch sogar als das Wandern per pedes, das für mich bisher immer die beste Form der Entspannung war. Den ganzen Tag so nah auf dem Wasser und direkt in der Natur zu sein, sich dabei nur darauf zu konzentrieren, vorwärts zu kommen – diese Naturerlebnis ist unvergleichlich und wahnsinnig entschleunigend.

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© Charlott Tornow
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© Björn Wisnewski

Für den nächsten Tag ist klarer Himmel angekündigt und da wir direkt nach Osten gucken, checke ich vor dem Schlafengehen die Uhrzeit des Sonnenaufgangs, stelle mir den Wecker und hoffe, mit Oropax in den Ohren nicht zu verschlafen.

Tag 3: Von Userin nach Neustrelitz

Am nächsten Morgen wache ich tatsächlich vor dem Wecker auf, vielleicht bin ich aber auch immer noch wach, denn so richtig gut konnte ich nicht schlafen. Ich schiele aus dem Zelt auf den See und schaue, ob sich am Horizont schon was tut. Während alle anderen noch schlafen, ziehe ich mir einen Pullover drüber und schlurfe mit der Kamera die paar Meter zum See, über dem noch Nebelschwaden hängen. Der Sonnenaufgang war für 4.42 Uhr angekündigt, noch versteckt sich die Sonne aber hinter einem Schleier aus Dunstwolken. Zeit für mich, den besten Spot zum Fotografieren zu suchen. Als die Sonne sich dann langsam blicken lässt, werden der See und der Himmel in wunderschöne Rottöne getaucht und ich bin mehr als glücklich, mich so früh aus dem Bett gequält zu haben.

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© Charlott Tornow

Nach einer halben Stunde geh ich zurück zum Zelt und lege mich nochmal für vier Stunden schlafen, denn auch heute steht uns wieder eine rund 14 Kilometer lange Tour bevor, die uns über den Großen Labussee, den Woblitzsee und den Zierker See bis nach Neustrelitz führt. Der letzte Teil der Strecke ist leider nicht so idyllisch wie die beiden zuvor, denn hier sind die Havelkanäle breiter und da wir uns mittlerweile außerhalb des Müritz Nationalparks befinden, müssen wir uns die Gewässer mit motorisierten Booten teilen. Dafür gibt es hier viele Möglichkeiten, mit dem Kajak am Ufer zu halten, zu rasten und, wenn man mag, in den See zu springen. Nach knapp vier Stunde haben wir Neustrelitz erreicht und fast bin ich ein bisschen traurig, dass unsere Tour schon wieder vorbei ist.

In Neustrelitz erwartet uns ein Mitarbeiter von Kanu Hecht, der die Kajaks in Empfang nimmt und zurück zum Käbelicksee (gegen einen Aufpreis) fährt. Wir dagegen setzen uns in den Zug zurück nach Berlin und merken, wie sich langsam die Anstrengung der letzten drei Tage im Körper breit macht. Während meine Gliedmaßen vor Müdigkeit schlaff im Sitz hängen, ist mein Kopf dagegen hellwach und macht schon wieder neue Pläne fürs nächste Jahr, denn Wasserwandern steht ab jetzt auf meiner Liste der schönsten Outdoor-Erlebnisse, die man überhaupt haben kann.

Alle Infos zum Wasserwandern

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