Größenwahn oder Raumgewinn? Ein Anfänger berichtet übers Campen mit einem zu großen Wohnwagen
Keine Ahnung von Camping? Macht nichts. Keine Ahnung vom Fahren mit einem 9 Meter langen und 2,50 Meter breiten Wohnwagen? Egal! Ein optimistischer Anfänger gibt in der ersten Ausgabe des tollen neuen Reisemagazin "Rastlos" von Paul Camper ein paar Fehler bei der Wohnwagen-Auswahl zu. Wir dürfen den Artikel hier exklusiv zeigen und hoffen, dass ihr besser plant!
Irgendwann passiert es. Dann reicht es eben. Nach dem in Folge fünften Urlaubsbett, dessen Zustand weder den Rücken noch die eigentlich gar nicht so hohen Ansprüche an Bettwäschehygiene befriedigt, reift ein schon seit Jahren herumspukender Traum zur Gewissheit: Beim nächsten Mal bringen wir unser Urlaubszimmer selbst mit an den Urlaubsort. Ein Wohnwagen muss her. Die spontane Suche im Internet ergibt: So etwas kostet neu zwischen 10000 und 30000 Euro – und man kann auch 60000 Euro und mehr ausgeben. Aber wie fast alles andere auch kann man ja so einen Wohnwagen auch mieten. Bei paulcamper.de bieten offensichtlich sympathische Menschen ihre eigenen Wohnmobile und eben auch Wohnwagen zur Vermietung an. Die Preise bewegen sich hier zwischen 25 und 100 Euro pro Nacht. Und die Auswahl ist groß.
Wieso nicht einfach einen Wohnwagen mieten?
Und genau hier tappen wir in die Anfängerfalle. Weil uns ein Zugfahrzeug mit 2,6 Tonnen Anhängelast zur Verfügung steht, liebäugeln wir gleich mit einem großen Urlaubszimmer auf Rädern – einem sehr großen! Ein Hobby 720 wird da angeboten. Wunderbarer Zustand, sechs Schlafplätze, ansprechende Einrichtung, viel Platz und Stauraum, aber eben auch 9,08 Meter lang und 2,50 Meter breit. Und mit Ausrüstung 2,5 Tonnen schwer. Nun, das Gewicht des Tandemachsers mit vier Rädern stört nicht, weil ja der seit Jahren bewährte Zugwagen mit seinen 2,6 Tonnen Anhängelast auf so eine Herausforderung förmlich wartet.
Und wo geht es für den Anfang hin? Keine großen Experimente erst einmal, deshalb wird als erstes Ziel der Gardasee gewählt – das Ostufer, wo Straßen und Plätze nicht so eng sind wie am steil aufragenden Westufer.
Wir wollen starten und müssen zuvor mit Engelszungen auf die Kinder einreden, dass man nicht im Wohnwagen mitfahren darf, sondern nur vorne im Zugwagen. Einige Wuttränen später rollen wir über die Autobahn Richtung Süden. Hui, der Wohnwagen macht sich ganz schön breit. Selbst hinter einem großen Zugfahrzeug wie unserem Geländewagen steht er wie eine riesige Wand, die uns immerfort hinterherfährt. Sicht nach hinten gibt es nur über die extra eingekauften Caravan-Rückspiegel, die mit Klammern und Gummibändern an den eigentlichen Autospiegeln befestigt werden. Das klappt aber prima und in wenigen Sekunden.
Doch da künden Schilder schon von der ersten Autobahnstelle. Brav reihen wir uns rechts in die 80-km/h-Lkw-Schlange ein, aber die Fahrspur wird eng – richtig eng. Unser Trost: Die genauso breiten 40-Tonner vor und hinter uns müssen ja auch hier irgendwie durch. Aber die Kombination aus nur 1,90 Meter breitem Zugwagen und den 2,50 Meter des Wohnwagens bringt Dauerstress beim Zielen innerhalb des Fahrstreifens, damit der Wohnwagen weder rechts mit den Betonabsperrungen kollidiert noch links mit den Autos neben uns.
Abgestellt im Lkw-Bereich neben einem 40-Tonnen-Sattelzug sieht man sofort, dass sich unser Gespann in der Länge kaum von den Lastzügen unterscheidet
Es folgen weitere Autobahn-Baustellen und irgendwann die erste Pause an einer Rastanlage. Ohne großartig darüber nachzudenken, steuern wir gewohnheitsmäßig den Pkw-Parkbereich an. Ein Fehler! Genügend Parkraum gibt es für unser Gespann hier natürlich nicht. Also müssen wir weiter zur nächsten Rastanlage, um dort den Lkw-Bereich anzusteuern. Doch jetzt sollten wir erst einmal aus dem Pkw-Bereich wieder herauskommen. Die Ausfahrt aus dem Parkplatz windet sich mit einer dekorativen Doppel-S-Kurve. Eine davon ist so eng, dass der Wohnwagen innen mit dem extra-hohen Bordstein zu kollidieren droht, obwohl wir mit dem Zugwagen extra-weit ausgeholt haben. Es wird eng. Alle müssen aussteigen, um als menschliche Parkwarner zu dienen. Rückw.rts, vorwärts, links, rechts – nach viel Hin und Her passiert der dicke Wohnwagen haarscharf die Engstelle. Eine ansehnliche Warteschlange hatte sich bereits hinter uns gebildet – peinlich. Gut, dass die nächste Raststätte nicht weit ist, um bei einer Pause endlich etwas Adrenalin abzubauen. Abgestellt im großzügigen Lkw-Bereich neben einem 40-Tonnen-Sattelzug sieht man sofort, dass sich unser Gespann in der Länge kaum von den Lastzügen unterscheidet. Kein Wunder also, dass es zuvor auf dem Pkw-Parkplatz fatal eng wurde.
Pkw-Parkplatz? Nicht mit dem riesigen Wohnwagen-Gespann
Wir rollen weiter, über die Grenze bei Kiefersfelden/Kufstein nach Österreich, immer flussaufwärts am Inn entlang, bis wir bei Innsbruck in Richtung Italien abbiegen. Der 1370 Meter hohe Brennerpass bildet die Grenze zwischen Österreich und Italien und fordert mit seinem langen Aufstieg die Kraft des Zugwagens. Tempo 65 ist dabei angesagt, damit die Motortemperatur im grünen Bereich bleibt. Ab Brenner geht es dagegen stetig bergab durch Südtirol. Wir passieren Bozen und Trient, rollen an Rovereto vorbei und verlassen die Autobahn bei Affi. Fast 40 Euro will der freundliche Mautposten allein für die Hinfahrt, und auf meine geschockt aufgerissenen Augen reagiert er mit einer erklärenden Handbewegung, die zum doppelachsigen Wohnwagen hindeutet. Verstehe, die insgesamt vier Achsen unseres Gespanns verteuern die Autobahnmaut.
Was soll’s? Die Sonne scheint, alle freuen sich auf die bevorstehenden Tage und wir nehmen die letzten paar Dutzend Kilometer Richtung Ostküste des Sees in Angriff. Die Schilder deuten bergab zum Seeufer nach Garda, Bardolino und Lazise. Auch hier in Italien gibt es in den Ortsdurchfahrten die neumodischen Mini-Kreisverkehre, die man mit dem normalen Pkw kaum wahrnimmt, die aber mit einem Neun-Meter-Trumm am Haken eine Herausforderung sind. Immer schön weit ausholen, damit der Anhänger dann nicht innen die Blumenbeete der Verkehrsinseln ramponiert.
Nach gefühlt 20 Kreisverkehren und entsprechendem Adrenalin-Niveau beim Fahrer entscheiden wir uns für den nächstgelegenen Campingplatz am Seeufer. Wir werden freundlich begrüßt. Aber uns entgeht auch nicht die hochgezogene Augenbraue der erfahrenen Platzwartin angesichts unseres großen Wohnwagens. Sie drückt uns einen Plan des weitläufigen Campingplatzes in die Hand und markiert dabei mit Kugelschreiber mehrere Wegeskreuzungen, die wir offensichtlich tunlichst meiden sollten. Pah, das wäre doch gelacht, wenn wir da nicht abbiegen könnten, um an einen schönen Stellplatz zu gelangen.
Zu Fuß erkunden wir den Campingplatz, um eine Stellfläche auszusuchen. Schnell finden wir eine und holen unser Gespann. Doch auf dem Weg dorthin hat es schon der erste Abzweig in sich. Der dänische Urlauber, der vor seinem Wohnmobil direkt an der Abzweigung sitzt, zieht unwillkürlich die Füße ein, als unser Wohnwagen halb über seine Parzelle kurvt – sorry. Er lächelt, als ich entschuldigend die Hand aus dem Autofenster hochhalte – die Dänen sind entspannt.
Abenteuer Stellplatzsuche
Wir aber nicht, denn ein paar Dutzend Meter weiter dringen trotz vorsichtigem Schneckentempo hässliche Knirschgeräusche an unsere Ohren. Wir stoppen sofort das Gespann und sondieren die Lage. Die Achsen des Wohnwagens befinden sich in einer milden Senke. Die ist mit bloßem Auge zwar kaum erkennbar, aber wegen seines riesigen Hecküberhangs sitzt der Wohnwagen nun trotzdem auf dem Weg auf. Zum Glück ist nichts passiert, denn wohlweislich haben die Wohnwagen-Konstrukteure die hochgekurbelten Metallstützen als robuste Begrenzungspunkte vorgesehen. Und genau da berührt das Heck den wenigstens weichen Untergrund.
Aber wo wäre eine Alternativroute? Wir suchen zu Fuß, finden aber keine. Wir probieren es deshalb mit einem Trick, den wir vor Jahren schon einmal bei einem Bootsanhänger angewendet haben: Wir lassen den Wohnwagen in der Senke, kuppeln ihn vom Zugwagen ab und kurbeln das Stützrad am Bug des Wohnwagens so weit wie möglich herunter, damit sich dadurch sein Heck hebt. Das klappt, aber nun benötigen wir viele freundliche und kräftige Helfer, um den Wohnwagen durch die Senke zu schieben. Denn ankuppeln können wir so natürlich nicht. Aber selbst mit acht Mann aus diversen Ländern schaffen wir es nicht, die 2,5 Tonnen aus der Senke zu bekommen. Der Anstieg ist einfach zu steil, der Wohnwagen zu schwer, der Boden zu weich. Wieder ankuppeln ist auch keine Option, denn dann sitzt das Heck wieder auf. Aber das Abschleppseil im Zugwagen könnte die Lösung sein. Wir verbinden damit Wohnwagen und Anhängekupplung des Zugwagens und ziehen den Havaristen Zentimeter für Zentimeter aus seiner misslichen Lage.
Ich brauche ganze zwei Tage, um das Adrenalin abzubauen.
Oben am Rand der kleinen Senke angekommen können wir wieder korrekt ankuppeln und endlich den gewünschten Stellplatz ansteuern. Schön hier, aber enger, als wir das bei der Besichtigung des Platzes gesehen hatten. Trotzdem gelingt es uns, den Wohnwagen rückwärts auf den Platz zu rangieren. Doch was ist das? Entweder ragt das Heck des großen Hobby auf die Stellfläche des linken Nachbarn oder die Deichsel auf die Fläche des rechten. Beide Nachbarn schauen schon skeptisch. Also rangieren wir den Wohnwagen wieder heraus und beginnen von Neuem – diesmal um 90 Grad verdreht. Doch das Ergebnis ist das Gleiche, wenn auch mit dann anderen betroffenen Nachbarn. Wir messen mit einem Meterstab nach: Der Stellplatz ist acht Meter lang und genauso breit. Kein Wunder also, dass unser 9,10 Meter langer Hobby 720 den Stellplatz überragt.
Jetzt ist guter Rat teuer: Einen der Nachbarn anflehen, dass wir mit einem guten Meter auf dessen Parzelle stehen dürfen? Das wäre uns richtig unangenehm und kommt für uns deshalb eigentlich nicht in Frage. Den Wohnwagen diagonal in unsere Parzelle rangieren? Das würde gehen, aber dann würde unser Vorzelt bei einem der Nachbarn im Weg stehen – auch peinlich. Also bleibt nur eines: einen anderen Stellplatz suchen. Mit dem Meterstab wandern wir von Parzelle zu Parzelle, um schließlich von einem mitfühlenden Mitcamper zu erfahren, dass fast alle Parzellen in Österreich und Norditalien üblicherweise acht Meter lang sind. Na großartig. Typisch Anfänger: Einen Riesen-Wohnwagen nehmen, aber nicht parken können.
Acht Meter Wohnwagen reichen auch
Also zurück zur Platzwartin mit der wohlmeinenden Augenbraue. Sie zeigt uns einen der wenigen Plätze auf ihrem Areal, der etwas größer ist. Wir rangieren das Wohn-Dickschiff dankbar dorthin und endlich beginnt der Urlaub auch für uns. Ich brauche aber zwei volle Tage, um das Aufregungs-Adrenalin durch reichlich Vanilleeis, Tiramisu und versonnenes Betrachten des Sees abzubauen. Und fürs nächste Mal: lieber eine Nummer kleiner wählen bei der Wohnwagen-Wahl. Man nehme Bodenplane, Anleitung und Material und errichte das Vorzelt. Acht Meter reichen auch.