So kämpfen beliebte Urlaubsorte in Europa gegen Massentourismus

© Anthea Schaap

Überfüllte Straßen, Wasserknappheit, fehlender Wohnraum, überteuerte Unterkünfte, Naturlandschaften voller Müll – Overtourism ist der touristische Super-GAU und ein Problem, mit dem viele Regionen in Europa zu kämpfen haben. Zwar sind viele Städte finanziell vom Tourismus abhängig, können aber infrastrukturell dem Ansturm von Reisenden gar nicht standhalten – was meistens auf Kosten der Einwohner*innen und der Natur geht. Wir haben uns hier schon öfter mit dem Thema Massentourismus auseinander gesetzt und Probleme und Lösungen aufgezeigt. Obwohl das offensichtliche, oberflächliche Problem von Overtourism die Urlauber*innen selbst sind, die ja durchaus ihre Reisegewohnheiten ändern könnten, liegt es aber vor allem auch an den Regierungen Gesetze und Regelungen zu schaffen, die Massentourismus im Keim ersticken. Wie genau sie das tun, zeige ich in diesem Artikel.

Amsterdam

Nachtzug European Sleeper, Berlin Amsterdam, Sonja Koller
© Sonja Koller

Amsterdam ist eine der meistbesuchtesten Städte in Europa überhaupt: Über acht Millionen Urlauber*innen kommen jährlich in die niederländische Hauptstadt. Zu viel für die schmalen Gassen, weshalb Amsterdam eine der progressivsten Städte ist, was den Kampf gegen Overtourism betrifft. Die Tourist*innenabgabe ist eine der höchsten in ganz Europa, sieben Prozent müssen Gäste auf die Hotelrechnung drauflegen, zusätzlich werden über die Bettensteuer drei Euro pro Nacht und Person fällig. Seit Sommer 2020 ist es verboten, Ferienwohnungen im Stadtzentrum zu vermieten.

Im übrigen Teil der Stadt dürfen private Anbieter*innen ihre Unterkünfte nur noch maximal 30 Tage im Jahr für Buchungen zur Verfügung stellen. Ab 2024 dürfen zudem keine Fernbusse mehr in die Innenstadt einfahren. Um ins Stadtzentrum zu gelangen, müssen Urlauber*innen dann auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. So sollen im Stadtkern weniger Staus entstehen und die Sicherheit von Fußgänger*innen und Radfahrer*innen erhöht werden. Die neuste Reglung: Zukünftig dürfen keine Kreuzfahrtschiffe mehr in den Innenstadthafen einlaufen.

Venedig

Venedig, Italien
© Charlott Tornow

33 Millionen! So viele Menschen haben Venedig im Jahr 2019 besucht. Das sind 100.000 Tourist*innen pro Tag, also doppelt so viele, wie die Lagunenstadt Einwohner*innen hat. Besonders der Kreuzfahrttourismus wurde in den letzten Jahren zum Problem. Der Wellenschlag der vielen Motorboote und Schiffe frisst an den Fundamenten der Gebäude, die vor Jahrhunderten errichtet wurden. Sie stehen nur auf Holzpfählen und werden durch das Ausbaggern von Fahrrinnen unterspült. Seit April 2021 dürfen Kreuzfahrtschiffe daher nicht mehr über das zentrale Markusbecken einfahren, sondern müssen im Industriehafen ankern, damit die Zerstörung der Lagune zumindest verlangsamt wird.

Für 2023 war eigentlich eine Eintrittsgebühr für Tagestourist*innen geplant, die nun 2025 in Kraft treten soll. Der Preis für einen Besuch soll zwischen fünf und zehn Euro liegen. Wie viel Urlauber*innen genau zahlen müssen, ist davon abhängig, wie weit im Voraus sie buchen und wann der Besuch stattfindet. Verstöße werden mit einem Bußgeld von 300 Euro geahndet. Schon jetzt gibt es eine Bettensteuer, die zwischen einem und fünf Euro pro Nacht liegt.

Hallstatt

© Julian Elliott Photography

Der kleine Ort Hallstatt in Österreich ist international bekannt für sein fast unwirkliches Alpenpanorama. Deshalb verschläft es pro Jahr eine Millionen Besucher*innen, vor allem aus Asien, hierher. Nur: Hallstatt hat nicht einmal 1000 Einwohner*innen und ist entsprechend klein. Täglich sind die wenigen, schmalen Straßen verstopft, die wenigen Parkplätze und ein Busterminal reichen für alle die Mietautos und Ferienbusse gar nicht aus. Deshalb müssen Reiseveranstalter nun vorab Slots für das Busterminal buchen, berichtet Reisereporter. Bei der Slot-Vergabe werden zudem Veranstalter bevorzugt, die eine zusätzliche Aktivität für die Reisenden gebucht haben, zum Beispiel eine Reservierung im Restaurant, ein Besuch im Salzbergwerk oder im Museum. Denn Busse würden oftmals nur für einen Fotostopp halten, sodass die Urlauber*innen zwar viele Spuren und Dreck hinterlassen, aber Hallstatt finanziell keine Vorteile bringen.

Kroatien

Rijeka, Kroatien, Adria, Küste, Adriaküste
© Anthea Schaap

Kroatien ist im Sommer eines der beliebtesten Urlaubsziele der Deutschen. Und was machen die Deutschen im Urlaub am liebsten? Na klar, Liegen reservieren für eine Pole-Position zwischen Strand und Meer. Auf der kroatischen Ferieninsel Krk besetzten Reisende zuletzt schon am Vorabend die Liegen, sodass die „besten Plätze“ teilweise dauerhaft belegt waren und einige Urlauber*innen tagelang leer ausgingen. Deshalb kontrollieren die Behörden seit 2022 jeden Morgen um 6 Uhr die Strände, Verstöße werden mit einem Bußgeld von bis zu 1.500 Kuna (ungefähr 200 Euro) bestraft.

In Dubrovnik, im Süden des Landes, herrscht dagegen ein ganz anderes Problem: Es ist zu laut. Urlauber*innen werden bei ihrem Besuch in der Game-of-Thrones-Hochburg gebeten, Koffer zu tragen oder einfach Rucksäcke aufzusetzen. Außerdem sollen Messgeräte den Lärmpegel im Außenbereich von Lokalen messen: Werden die zulässigen 55 Dezibel ab 19 Uhr überschritten, drohen ein Bußgeld und die Sperrung der Außenfläche. Übrigens wird auf Dubrovniks Straßen auch Badebekleidung nicht gerne gesehen und Hunde müssen angeleint werden. An öffentlichen Denkmälern soll außerdem nicht geraucht, gegessen oder getrunken werden.

Flip-Flop-Verbot in der Cinque Terre

Cinque Terre Italien Interrail sonja Koller
© Sonja Koller

In Italien gibt es viele schöne Küstenabschnitte, aber kaum eine ist so ikonisch wie die Gegend rund um die Cinque Terre. Die fünf kleinen Orte Monterosso al Mare, Vernazza, Corniglia, Manarola und Riomaggiore reihen sich entlang der Steilküste und sind bekannt für ihre bunten Häuser, idyllischen Weinberge, schönen Olivenbaum-Felder und die Aussicht auf das Ligurische Meer. Mittlerweile ist es hier aber nicht nur zur Hochsaison im Sommer voll, auch im Frühling und Herbst schieben sich bis zu 2,5 Millionen Besucher*innen durch die Gässchen und Weinberge. Deshalb gibt es nun Geldstrafen von bis zu 2.500 Euro für das Begehen der Wege oberhalb der Cinque Terre in Flip-Flops oder Sandalen, berichtet der Guardian. Die Küste entlang weiter nördlich liegt die kleine Stadt Portofino: Wer hier in sogenannten "roten Zonen" zu lange stehen bleibt, muss 275 Euro Bußgeld zahlen.

Bettenobergrenze in Südtirol

Seiser Alm, Südtirol
© Mela Hipp

Sanfte, grüne Wiesen, steil aufragende Berge und klare, versteckte Bergseen – Südtirol ist das Kanada Europas und ein Traum für Outdoor-Begeisterte. Wer an die weiten Landschaften der italienischen Region denkt, hat vermutlich nicht den Eindruck, dass Massentourismus ein großes Problem sei. Aber: Ruhe, Platz und das Gefühl, dem Trubel der Stadt entflohen zu sein, sind Dinge, die sich immer mehr Urlauber*innen wünschen. Auf Wanderwegen fühlt man sich dann eher wie auf der Autobahn zu Rush Hour und Hütten müssen monatelang im Voraus gebucht werden, weil alle Betten belegt sind.

In Südtirol wurde deshalb 2022 per Gesetz eine Bettenobergrenze eingeführt. Dabei wurde die maximale Bettenzahl auf den Wert von 2019 festgesetzt. Das heißt konkret: Nicht mehr als 239.088 Betten dürfen von Urlauber*innen belegt sein. 229.088 davon sind schon seit Sommer 2019 in Betrieb, für 10.000 weitere wurden seitdem Rechte erworben. Und: Pro Unterkunft dürfen höchstens 150 Betten angeboten werden. Wir haben Hoteliers in Südtirol gefragt, wie sinnvoll sie diese Reglung finden und gemischtes Feedback bekommen.

Mont Blanc

hüttenwanderung montafon
© Charlott Tornow

Der Mont Blanc in Frankreich ist mit seinen 4.809 Metern der höchste Berg Europas und eine Erklimmen der steilen Felswände ein Traum vieler Bergsteiger*innen. 2019 haben 25.000 Menschen den Berg bestiegen, wobei jährlich 100 Menschen bei der Besteigung sterben. Grund dafür ist vor allem Überfüllung: Unerfahrene Bergsteiger*innen geben ihrem Körper nicht genug Zeit, um sich an die Höhenverhältnisse anzupassen. Kommt es dann am Weg zum Gipfel durch einen Stau zu einem ungeplant längeren Aufenthalt, kann das schlimme Folgen haben.

Wer den Mont Blanc besteigen will, muss deshalb vorab ein Bett in einer der drei Unterkünfte Refuge du Goûter, Tête-Rousse oder Nid d’Aigle buchen. Wer keinen Unterkunftsplatz hat und wild campt, muss sich auf das wahrscheinlich teuerste Campingabenteuer seines Lebens vorbereiten: Bis zu 300.000 Euro Bußgeld und bis zu zwei Jahre Haft werden dann fällig. Noch mehr zu den Gefahren einer Besteigung des Mont Blanc erfährst du hier.

Nachhaltiger Tourismus

Kann Massentourismus nachhaltig sein?
Wir erklären dir in diesem Artikel, was du als Urlauber*in tun kannst, um Massentourismus zu verhindern und warum vor allem Reiseveranstalter und Regierungen Lösungen finden müssen.
Weiterlesen
Nachhaltige Projekte in Europa
Massentourismus führt auch zu Umweltverschmutzung. In Europa finden sich daher viele nachhaltige Ideen und grüne Initiativen, die unser Leben wieder in Einklang mit der Natur bringen wollen.
Weiterlesen
Zurück zur Startseite