Kann Massentourismus nachhaltig sein?
In unserer Reihe "Future Travel" beantworten wir spannende Fragen zum Thema Nachhaltigkeit im Tourismus und wie wir in Zukunft reisen werden. Kann Massentourismus nachhaltig sein? Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf unser Reiseverhalten? Worauf sollte man bei der Kompensation des Urlaubs achten? Welche alternativen Reisemodelle gibt es? Hast du selbst eine interessante Frage zum Thema? Dann schreib uns an kontakt@reisevergnuegen.com.
Kann Tourismus nachhaltig sein? Diese Frage beschäftigt mich schon lange. Menschenmassen in Städten wie Venedig oder Amsterdam, Ströme von Besuchenden im Game-of-Thrones-Hotspot Dubrovnik oder überfüllte Strände auf der beliebten Urlaubsinsel Mallorca sind nur der Gipfel des Eisberges einer Art des Tourismus, welchen wir heute als Massentourismus bezeichnen.
Ich studiere im Master nachhaltigen Tourismus und seit einigen Jahren setzte ich mich mit der Frage auseinander, ob man nachhaltig reisen kann oder ob nicht jede Form des Reisens eigentlich schädlich für das Klima ist. Mittlerweile habe ich an einigen Orten in Europa gelebt, aber vor allem während meiner Zeit in Amsterdam habe ich den Begriff Overtourism und Massentourismus aus dem Blickwinkel einer Anwohnerin so richtig verstanden. Die ökologischen und die sozialen Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung sind deutlich spürbar. Wenn der Supermarkt um die Ecke kaum noch Artikel für den täglichen Bedarf im Sortiment anbietet, stattdessen auf Lebensmittelprodukte To Go setzt und im Hochsommer kein Durchkommen durch die kleinen Gassen ist, fühlt sich das Leben in der eigenen Stadt eher wie eine Attraktion in einem Freizeitpark an.
Wirtschaftszweig Tourismus
Auf das Privileg zu reisen werden wir in naher Zukunft sicher nicht verzichten und letztendlich hängen direkt und indirekt Tausende von Jobs am Tourismus, der daher essenziell für die Wirtschaft vieler Länder ist. Geschichtlich gesehen gibt es den Tourismus noch nicht sonderlich lang, er ist eher eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Verkehrsrevolution, Dampfschifffahrt und Eisenbahnnetze – der Tourismus kam erst Anfang des 20. Jahrhundert ins Rollen, aber wurde über die Jahrzehnte einer der wichtigsten Wirtschaftszweige weltweit.
Wenn der Supermarkt um die Ecke kaum noch Artikel für den täglichen Bedarf im Sortiment anbietet, stattdessen auf Lebensmittelprodukte To Go setzt und im Hochsommer kein Durchkommen durch die kleinen Gassen ist, fühlt sich das Leben in der eigenen Stadt eher wie eine Attraktion in einem Freizeitpark an.
Allein in Deutschland hängt ungefähr jeder achte Arbeitsplatz direkt oder indirekt mit dem Tourismus zusammen und bildet so die Lebensgrundlage für viele Menschen. Das verdeutlicht, wie wichtig er heutzutage ist. Nicht nur Arbeitsplätze werden durch den Tourismus gesichert, sondern eine touristische Entwicklung hilft auch dabei, eine Infrastruktur aufzubauen, lokale Wirtschaftskreisläufe zu fördern oder Naturschätze zu bewahren. Durch fließende Gelder werden Naturschutzgebiete besser abgesichert, da diese für viele Tourist*innen ein wichtiger Besuchsgrund sind und eine Destination auf deren Erhalt angewiesen ist.
Problem Massentourismus?
Mittlerweile werden viele negative Aspekte, und das nicht unbegründet, mit Tourismus assoziiert. Gerade der klassische Massentourismus ist oft ein riesiges Problem für viele beliebte Destinationen. Überfüllte Gassen sind oft noch das kleinste Übel, denn viele Tourist*innen verbrauchen viele Ressourcen und gerade in heißeren Gebieten wie in Spanien oder Süditalien führen Hitzerekorde zu einer zunehmenden Wasserknappheit. Verfügbarer Wohnraum, welcher in vielen europäischen Städten immer rarer wird, muss für Hotels und Apartments weichen, denn für Vermieter*innen ist das touristische Geschäft oftmals lukrativer, als Wohnraum an Anwohner*innen zu vermieten.
Pauschalreisen, bei denen Anreise, Unterkunft und Verpflegung schon mit inbegriffen sind, sind ein Grund dafür, dass die lokale Bevölkerung an den positiven Auswirkungen des Tourismus auf die lokale Wirtschaft kaum teilhaben kann.
Also sind die Tourist*innen die Bösewichte? Nicht ganz, denn die Probleme entstehen auch durch Missmanagement von Regierungen und Kommunen, die große Reiseveranstalter oder Fluggesellschaften mit Finanzspritzen in Millionenhöhe fördern, während kleine und nachhaltige Unternehmen ums finanzielle Überleben kämpfen. Die großen Reiseveranstalter spielen eine ebenso fundamentale Rolle in der touristischen Entwicklung. Pauschalreisen, bei denen Anreise, Unterkunft und Verpflegung schon inbegriffen sind und sich auf die schon bekannten touristischen Attraktionen fokussieren, sind ein Grund dafür, dass die lokale Bevölkerung an den positiven Auswirkungen des Tourismus auf die lokale Wirtschaft kaum teilhaben kann. Komplettpakete, die oft keine Anreisealternative zum Flug und ausschließlich Übernachtungen bei internationalen Hotelketten anbieten, kreieren ein Tourismus-Produkt, was weit entfernt von Nachhaltigkeit ist.
Wie geht nachhaltiger Tourismus?
Was ist nachhaltiger Tourismus? Laut der UNWTO, der Weltorganisation für Tourismus, ist Tourismus nachhaltig, wenn er die aktuellen und zukünftigen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen vollständig berücksichtigt und auf die Bedürfnisse der Umwelt, der Besuchenden, der Wirtschaft und der Gastgemeinden eingeht. Sicherlich ist es von großer Bedeutung, die eigenen Konsumentscheidungen so bewusst wie möglich zu treffen – und trotzdem stehen vor allem die großen Reiseveranstalter in der Pflicht, die Art unseres Reisens umzudenken. Massentourismus kann nachhaltiger sein, wenn in Pauschalreisepaketen auch andere Anreisemöglichkeiten – wie Nachtzüge – angeboten werden und darauf geachtet wird, dass Tourist*innen in familiengeführten Hotels anstatt in großen Hotelketten übernachten.
Es ist dringend notwendig, dass nachhaltiges Reisen nicht nur in der eigenen Verantwortung von Reisenden liegt, sondern dass auch die großen Player in der Branche den Tourismus zukunftsfähig zu gestalten. Eine strukturelle Veränderung muss her, sodass der Tourismus den Erhalt von Kulturgütern und Traditionen stärkt und der Gewinn für die lokale Bevölkerung den negativen Aspekten überwiegt.
Der Weg ist das Ziel
Schaue daher für deinen nächsten Urlaub nach Reiseveranstaltern, die sich auf Outdoor-Aktivitäten wie Wanderreisen, nachhaltige Unterkünfte oder andere Formen des Anreisens spezialisiert haben. Unsere Liste mit nachhaltigen Reiseportalen findest du hier. Mittelstreckendestinationen – beispielsweise nach Spanien oder Italien – lassen sich mittlerweile gut mit anderen Transportmitteln als dem altbekannten Flugzeug zurücklegen. Ganz nach dem Motto: Der Weg ist das Ziel. Eine tolle Möglichkeit, ohne Flug ans Ziel zu kommen, sind natürlich Nachtzüge, von denen es glücklicherweise wieder immer mehr gibt. Gerade für kürzere Trips rund um deine Heimatstadt sind auch Carsharing-Angebote (am liebsten mit Elektromotor) spannend – so sparst du dir das Geld für ein eigenes Auto. Oder warum verzichtest du nicht mal komplett auf Motorisierung und machst stattdessen eine Radreise, eine Tour mit dem Kajak oder eine mehrtägige Wanderung?
Anstatt vieler Kurzreisen könntest du dir auch mehr Zeit für eine etwas längere Reise nehmen. Denn am Ende geht es darum, vermeidbare Flüge nicht durchzuführen, um unvermeidbare Flüge, aufgrund von Distanz, weiterhin in Maßen möglich zu machen. Wir haben für dich 11 einfache Tipps zusammengestellt, die dir helfen können, deine nächste Reise, etwas nachhaltiger zu gestalten.
Es ist dringend notwendig, dass nachhaltiges Reisen nicht nur in der eigenen Verantwortung von Reisenden liegt, sondern dass auch die großen Player in der Branche den Tourismus zukunftsfähig zu gestalten.
(Massen-)Tourismus kann also nachhaltiger werden, wenn wir andere Entscheidungen treffen. Die Lebensgrundlage vieler Menschen hängt direkt oder indirekt stark vom Tourismus ab. Ein generelles Umdenken und Ändern unseres Reiseverhaltens sind allerdings unabdingbar, aber gerade große Unternehmen stehen in der Pflicht, die vorhandenen Angebote grundlegend zu verändern und zukunftsfähig zu gestalten. In unserer neuen Reihe Future Travel wollen wir verschiedene Aspekte im Tourismus beleuchten, Menschen treffen, die die Industrie ändern wollen, spannende Projekte einer neuen Art des Reisens begleiten und lernen, wie Reisen auch in Zukunft weiterhin möglich sein kann.