11 Orte, die dir helfen, Europa zu verstehen

© Erika Koller

Mir bleiben meist jene Reisen besonders in Erinnerung, bei denen ich das Gefühl habe, die Welt ein bisschen besser verstanden zu haben. Ein Puzzleteil gefunden zu haben, das mir hilft, geschichtliche, politische und gesellschaftlichen Fragen etwas besser nachvollziehen zu können. Natürlich kann man das an unzähligen Orten in Europa tun, bei jeder Reise lernst du die Welt und das Leben in den verschiedensten Ländern besser kennen. Trotzdem gibt es ein paar Städte, deren Besuch mir besonders dabei geholfen haben, Zusammenhänge in Europa besser zu verstehen. Deswegen teile ich hier meine subjektive Liste.

1. Brüssel

Brüssel
© Petar Starčević | Pexels

Brüssel ist die europäische Hauptstadt, das ist bekannt. Aber erst, als ich selbst vor den gigantischen Gebäuden stand, in denen die EU verwaltet wird, konnte ich begreifen, was „Europa machen“ eigentlich bedeutet. Im Europa-Viertel von Brüssel kannst du im Parlamentarium, dem Haus für europäische Geschichte, im Plenarsaal des Europäischen Parlaments und dem EU-Parlament nachempfinden, wie Entscheidungen auf EU-Ebene gefällt werden. In all diese Gebäude darfst du hinein und bei Führungen von EU-Mitarbeiter*innen deine Fragen zu den Institutionen loswerden.

2. Sarajevo

bosnien und herzegovina, sarajevo
© Charlott Tornow

Die Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina spielt tragischerweise eine wichtige Rolle in gleich zwei Kriegen, die Europa erheblich verändert haben. Einerseits wurde hier 1914 der österreichisch-ungarische Kronprinz Franz Ferdinand ermordet, was den Ersten Weltkrieg auslöste. Erst bei einem Besuch vor Ort wird deutlich, dass dieses weltverändernde Attentat mitten im Zentrum der Stadt stattgefunden hat. Knapp 80 Jahre später würde Sarajevo im Bosnienkrieg nach der Unabhängigkeitserklärung des Staates von Jugoslawien von 1992 bis 1996 für insgesamt 1425 Tage belagert. Wenn du die Stadt besuchst, kannst du noch heute Spuren dieser Zeit entdecken. Und das vor allem an den Sportanlagen, die für die Olympischen Spiele gebaut wurden, die 1984 in Sarajevo stattfanden und wenige Jahre später während der Belagerung von Kriegsparteien teilweise als Basis genutzt und im Zuge dessen stark beschädigt wurden.

3. Plovdiv

Plovdiv
© Sonja Koller

Wahrscheinlich ist Plovdiv für dich die größte Überraschung auf dieser Liste. Denn die zweitgrößte Stadt Bulgariens gilt hierzulande nicht gerade als bekanntes Urlaubsziel. Dabei soll sie sogar die älteste ständig bewohnte Stadt Europas und 600 Jahre alt sein. Im Laufe der Jahrhunderte war Plovdiv Teil des Thrakischen, Griechischen, Römischen, Byzantinischen und Osmanischen Reiches – und die Überreste aus den Zeiten als Teil dieser Imperien sind noch heute sichtbar und stehen in Form von historischen Bauten eng nebeneinander. Aber nicht nur das: Direkt neben dem alten Zentrum hat sich in Plovdiv mit Kapana ein cooles, modernes Viertel entwickelt. Die Stadt verbindet also ihre Vergangenheit so gekonnt mit der Moderne, dass man sie einfach gesehen haben sollte.

4. Warschau

© Milena Zwerenz

Die Geschichte Europas ist untrennbar mit der Geschichte des jüdischen Lebens verbunden. Bis 1939 lebte die größte jüdische Gemeinde innerhalb Europas in Warschau, nach New York war sie sogar die größte jüdische Gemeinde der Welt. Nach der fünfjährigen Besatzungszeit der Deutschen in Polen während des Zweiten Weltkrieges überlebten nur 200.000 der 3,5 Millionen Jüd*innen der Stadt. Alle anderen wurden grausam ermordet oder verhungerten noch im Ghetto, dem Viertel in Warschau, in dem sie eingesperrt wurden. In Warschau kann man im ehemaligen Ghetto oder im Jüdischen Museum mehr über die grausame Geschichte der Juden und Jüdinnen in Europa lernen.

5. Wien

Karlskirche Wien
© Lilli Wermuth

Wer an Wien denkt, denkt heute wahrscheinlich an die schöne Hauptstadt eines relativ kleinen Landes. Dass die österreichische Hauptstadt und vor allem ihre Architektur aber so schön sind, hat viel damit zu tun, dass das Land nicht immer so klein war. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges 1918 war Wien über 650 Jahre als Hauptstadt des Kaiserreichs Österreich-Ungarn das Zentrum eines Herrschaftsgebietes, das östlich bis nach Sibiu im heutigen Rumänien, südlich bis nach Kroatien und Bosnien sowie nördlich bis nach Prag reichte. Wer also heute einige Städte auf diesem Gebiet besucht, wie etwa Novi Sad in Serbien oder Lviv in der Ukraine, wird sich architektonisch zeitweise nach Wien versetzt fühlen.

6. Athen

Griechenland, Athen
© Charlott Tornow

Wo wird einem die lange europäische Geschichte besser vor Augen geführt als in Athen? Nicht nur die historischen Gebäude der Stadt wie die Akropolis oder der Markt, vor dem schon Sokrates und Platon diskutierten, helfen dir, Europa besser zu verstehen. Auch ein Besuch am gigantischen Hafen von Piräus, dem größten der Stadt, hat mir die Augen geöffnet. Das schiere Ausmaß des Geländes und die Logistik, die hinter dem Personen- und Güterverkehr steht, der hier Tag für Tag abgewickelt wird, sind beeindruckend. Ein Ort, über den zwar nicht viel gesprochen wird, der für Europa aber enorm wichtig ist, weil hier viele Güter aus aller Welt ankommen, die von hier aus ihren Weg in die Länder Europas finden.

7. Granada

Andalusien, Granada, Spanien, Alhambra
© Milena Magerl | Lukas Popp

Mehr als 700 Jahre lang wurde ein großer Teil der iberischen Halbinsel von den muslimischen Mauren beherrscht. Damals hießen fast ganz Spanien und große Teile Portugals Al-Andalus  – heute ist Andalusien nur noch ein Bundesland im Süden Spaniens. Die Herrschaft der Mauren hat dort besonders viele Spuren hinterlassen –  die eindrucksvollste davon ist wohl die Alhambra in Granada. Die Stadtanlage wurde ganze 200 Jahre lang erbaut und schließlich im 9. Jahrhundert fertiggestellt. Wer die Anlage besucht, wird merken, dass sie so gar nicht „typisch spanisch“ oder europäisch aussieht. Das liegt daran, dass das Gebäude nach islamischem Vorbild erbaut wurde und als einer der prachtvollsten Bauten in diesem Stil weltweit gilt. Somit ist Granda ein Ort, an dem du daran erinnert wirst, dass in Europas Vergangenheit auch andere Religionen als nur das Christentum eine große Rolle gespielt haben.

8. Berlin

nicht löschen, nur hier verwenden,Siegessäule
© Charlott Tornow

Die deutsche Hauptstadt sollte wirklich jeder Mensch, der in Europa lebt, mindestens einmal besucht haben. Und das aus gleich mehreren Gründen. Einerseits kannst du mit dem Reichstag ein Gebäude besichtigen, in der regelmäßig über die Zukunft des Landes entschieden wird. Andererseits ist nicht nur das heutige politische Berlin relevant für Deutschland und sein Selbstverständnis in Europa, sondern auch Berlins Vergangenheit als geteilte Stadt. Bei einem Besuch kannst du an vielen Orten wie der Gedenkstätte Berliner Mauer oder am Checkpoint Charlie nachvollziehen, wie die Teilung Berlins und Deutschlands als Land und nicht zuletzt Europa maßgeblich verändert hat. Der Fall der Berliner Mauer 1989 und die Wiedervereinigung Deutschlands 1990 waren zwei der wichtigsten Ereignisse der europäischen Geschichte.

9. Malta

Malta, Valletta
© Charlott Tornow

Wer Malta hört, der denkt zuerst an Sprachreisen und nicht unbedingt an Geschichte. Doch wegen der zentralen Lage am Mittelmeer wurde der Inselstaat immer wieder von verschiedenen Völkern eingenommen und so kann man auf der Insel heute arabische, englische, italienische und französische Einflüsse wahrnehmen – und das sowohl in Architektur, als auch in der Sprache. Denn Maltesisch ist ein Mix aus den Sprachen der Eroberer*innen, die zweite Amtssprache ist Englisch, viele Bewohner der Insel sprechen außerdem Italienisch. Zudem kannst du hier eine der ältesten Tempelanlagen der Welt besuchen und auch bei einem Spaziergang durch die labyrinthartig angelegten Straßen der alten Hauptstadt Mdina die Geschichte Europas im kleinen nachfühlen. 

10. Tarragona

Nur in diesem Artikel verwenden, nicht löschen, Tarragona, Katalonien
© Charlott Tornow

Wie groß und einflussreich das römische Reich einst war, kannst du nicht etwa nur in Rom, sondern auch im katalanischen Ort Tarragona nachspüren. Die Römer*innen eroberten die Stadt 27 v. Chr. und machten sie unter dem Namen Tarraco zur Hauptstadt der Provinz Hispania citerior, die den gesamten Osten des heutigen Spaniens umfasste. Noch heute kannst du in der hübschen Stadt am Mittelmeer auf den Spuren der Römer*innen wandeln: Bei einer Tour über die alte Stadtmauer am Portal del Roser, zu dem gut erhaltenen Amphitheater, in dem einst Gladiatorenkämpfe aufgeführt wurden, und weiter zum Forum Romanum wird klar, wie viel Geschichte die Römer*innen an den Orten hinterlassen haben, die sie einst zu ihrem Reich zählten.

11. Istanbul

Hagia Sofia Istanbul
© Sonja Koller

Wie abwechslungsreich Europa ist, kannst du am besten an den Rändern sehen. Istanbul liegt auf der einen Seite auf dem europäischen, auf der anderen Seite auf dem asiatischen Kontinent und markiert damit „das Ende“ von Europa. Wer in der Metropole am Bosporus steht, begreift, wie bunt Europa ist. Außerdem hat die Stadt mit ihrer 2500-jährigen Geschichte ein großes kulturelles Erbe zu bieten. Greifbar wird das, wenn du einige der geschichtsträchtigsten Gebäude der Stadt wie die Hagia Sofia, den Topkapipalast oder die Blaue Moschee besuchst.

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